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»Oh, doch, das wird er.« Ansur strahlte eine Zuversicht aus, die in Anbetracht dieses grotesken Scherzes durch nichts zu rechtfertigen war. Der Unsterbliche klatschte laut in die Hände und rief laut: »Zeige dich!« Er hob die Fackel, und Artax, dessen Augen sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, konnte sehen, dass noch etliche andere Gänge in den unterirdischen Kuppelsaal mündeten.

Irgendwo im Dunkeln ertönte ein Geräusch wie ein Hammerschlag auf Fels. Es folgte ein weiterer Schlag und noch einer. In einem sich langsam steigernden Rhythmus kam das Geräusch näher. Bald konnte Artax spüren, wie bei jedem der Schläge der Felsboden unter seinen Füßen vibrierte. Seine Hand fuhr zum Schwert.

»Was ist das?«

»Ein ganz besonderes Geschenk für dich«, sagte Ansur mit einem vieldeutigen Lächeln.

Der Löwe

Artax zog sein Schwert. Blassgrünes Licht umspielte die verwunschene Klinge. Er blickte zurück zu dem Tunnel, durch den sie gekommen waren. Dachte an Flucht. Das schreckliche Geräusch hallte nun von allen Wänden wider.

Da ertönte ein letztes Stampfen. Eine gewaltige Gestalt aus Gold und Silber trat in das Zwielicht des Kuppelsaals – ein silberner Löwe mit einer Mähne aus Gold, dem weite, goldene Schwingen aus dem Rücken wuchsen. Der Löwe war mehr als drei Schritt hoch.

Seine Augen funkelten in strahlendem Blau. Sein metallenes Gesicht wirkte edel. Es war nicht die Fratze eines angriffslustigen Raubtiers.

»Was ist das?«, rief Artax erschrocken und zugleich auch fasziniert von der Kreatur. Sie erinnerte an die Silberlöwen, die für die Unsterblichen die magischen Pforten zu den Goldenen Pfaden öffneten. Nur war dieser Löwe noch deutlich größer und hatte Flügel. »Ich bin dein Schlachtross, Aaron, Unsterblicher von Aram«, antwortete die Bestie und sah auf ihn hinab.

Das Monstrum aus Metall konnte reden! Seine Stimme wurde von einem merkwürdigen Klicken und Surren begleitet. Der geflügelte Löwe sprach langsam und behäbig.

Neugierig trat Artax näher. Er umrundete den Löwen, der den Kopf wandte und seinen Bewegungen folgte. Das metallene Ungeheuer war gesattelt. Von seiner rechten Seite hing eine kleine, silberne Leiter. Um ihn wie ein Pferd nur über einen Steigbügel zu besteigen, war der Löwe entschieden zu groß. Bewundernd sah sich Artax nun die Flügel an. Jede einzelne Feder war für sich allein gearbeitet und in die Flügel eingesetzt. Wie viele Stunden Langarm wohl an diesem absonderlichen Geschöpf gearbeitet hatte? Oder vermochte der Götterschmied solch eine Kreatur kraft eines einzigen Gedankens zu erschaffen?

»Jeder von uns wird morgen einen solchen geflügelten Löwen bekommen«, riss ihn die Stimme des Unsterblichen Ansur aus seinen Gedanken. »Doch nun lass uns gehen. Und bitte, sprich nicht über die Dinge, die du hier gesehen hast. Langarm wollte, dass nur du eingeweiht bist. Unsere übrigen Brüder sollen morgen überrascht werden.«

Artax strich dem Löwen über die feinen Silberschuppen, aus denen sich sein Leib zusammensetzte. »Ich freue mich darauf, mit dir in den Himmel zu reiten.«

Der Löwe warf ihm einen Blick aus glühenden, blauen Augen zu. »Ich werde dich nicht enttäuschen, Herr. Ich weiß, du bist ein großer Krieger. Ich werde dich zu neuem Ruhm führen.«

Artax sah ihn an und dachte an die Fresken von den schrecklichen Schlachten am Himmel Nangogs, die die Wände des Tunnels schmückten. Er wünschte, er würde mit dem Löwen einfach nur fliegen können. Er wollte keinen neuen Ruhm. Er wollte Frieden.

Bedrückt folgte er Ansur, der ihn zurück in den Tempel führte. Oben angekommen, durchquerten sie schweigend den Säulenwald. Dunkle Wolken hatten sich über dem Tal geballt. Ein Unwetter zog auf. Böiger Wind zerrte an den Umhängen der Krieger, die ihre Streitwagenrösser am Zaum hielten. Die Tiere scharrten unruhig mit den Hufen. Sie spürten den nahenden Sturm.

Artax sah die weite Prachtstraße hinab, dorthin, wo vorhin die beiden Jäger gestanden hatten. Und dann traf es ihn wie ein Blitz. Jetzt wusste er, warum ihm das Gesicht so vertraut vorgekommen war. Seit er der Herrscher Arams war, hatte er gelernt, sich Gesichter gut einzuprägen. Namen vergaß er immer noch allzu leicht. Aber nur selten ein Antlitz. Das war kein Jäger. Es war nicht einmal ein Mann und auch kein Mensch. Dort hatte die Daimonin gestanden, die ihm bei der Kristallhöhle in den Wäldern Nangogs begegnet war!

Voller dunkler Vorahnungen sprang er auf den Streitwagen, riss die Peitsche aus dem Köcher an der Wagenflanke und ließ sie über die Köpfe der erschrockenen Schlachtrösser knallen. Die Krieger sprangen zurück, dann schlugen die Hufe der Pferde Funken aus den Marmorplatten, als er über die Straße dahinjagte.

Er musste die Devanthar warnen!

Ein letzter Irrtum

Wenn Iwar eines hasste, dann war es, wenn sich irgendjemand einbildete, ihm Befehle erteilen zu können. Die Valesier hatten ihn auf dem Schlachtfeld besiegt, waren aber wenigstens meist so höflich, die Form zu wahren und ihm gegenüber Wünsche auszusprechen. Dieser Aaron von Aram hatte ihm einfach einen Boten geschickt und ihn umgehend in das große Zelt am Fuß des Passweges bestellt. Was bildete sich der Kerl ein? Er hatte gehört, dass Aaron im Gelben Turm vor den Göttern gesprochen hatte. War er deshalb etwas Besseres? Wer wollte da schon hin? Wenn er, Iwar, darum bitten würde, dann würden ihn die Götter dort gewiss ebenfalls empfangen.

Er goss sich einen Pokal mit Wein ein und trank. Seit einer Weile hatte er drückende Kopfschmerzen und in seinen Gedärmen rumorte es. Nach dem Mittagessen hatte er einen Krug valesischen Weißen getrunken. Ein Fehler! Wein sollte rot sein. Verdammte Brühe! Wie hatte er nur auf die Idee kommen können, dass aus Valesia etwas Gutes käme.

Der Rotwein hingegen war köstlich. Er nahm noch einen zweiten Pokal und fühlte sich gleich viel besser.

»Erhabener!«

Iwar zuckte zusammen. Volodi war wieder einfach in sein Zelt gekommen, ohne erst von draußen um Erlaubnis zu bitten. War er darauf aus, ihn mit heruntergelassenen Hosen auf dem Nachttopf zu erwischen?

»Herr, der Unsterbliche Aaron bittet Euch untertänigst darum, sich zum Versammlungszelt zu begeben. Ohne Eure geschätzte Meinung kann keine weise Entscheidung gefunden werden.«

Iwar lächelte. »Hat sich dieser Drecksack aus Aram also doch noch erinnert, was sich gehört.« Er fühlte sich ein wenig schwindelig, war aber davon abgesehen sehr zufrieden. Sie brauchten ihn also. Gut, da er in aufgeräumter Stimmung war, würde er kommen. Aber das war seine Entscheidung. Er war so gnädig, sie mit der Gunst seiner Anwesenheit zu beehren.

Iwar griff nach dem roten Umhang, der über seinem geschnitzten Thronsessel hing. Es war schon dunkel und erstaunlich kalt für die Jahreszeit. So nahe an einem Fluss zu lagern war nicht klug. Welcher Trottel nur auf diese Idee gekommen war. Beim Aufwachen taten Iwar jeden Morgen alle Gelenke weh. Das lag an der feuchten Kälte, die vom Fluss hinaufstieg.

Volodi zog die Zeltplane am Eingang zurück, um ihn hinauszulassen. Und natürlich vergaß der Kerl, sich zu verbeugen, wie es sich gehört hätte. Aber lange müsste er sich nicht mehr über den Hauptmann seiner Leibwache ärgern. Er blieb dicht vor ihm stehen und starrte ihm ins Gesicht. Ein wenig blass sah er aus, und dunkle Ringe hatten sich unter seine Augen gegraben. Zitterte er? Iwar war sich nicht ganz sicher. »Ich habe über diesen Aaron gehört, dass er die Frauen und Kinder seiner Feinde ermorden lässt, ja, sogar ihren ganzen Haushalt. Alle Diener und Sklaven. Das ist ohne Moral.«

»Man hat Euch Lügen erzählt, Unsterblicher.«

Iwar bedachte Volodi mit einem abfälligen Blick. »Würde ich auch sagen, wenn ich dabei gewesen wäre. Kindermörder.«

»Das ist nicht …«

»Du darfst jetzt den Mund halten, Hauptmann, und mich einfach zum Beratungszelt eskortieren.«

Schweigend gingen sie durch das Lager. Iwar war ein wenig kurzatmig. Schon wieder rumorte es in seinen Gedärmen. Verdammter valesischer Weißer! Er hatte das Gefühl, dass außer Volodi noch jemand in seiner Nähe war. Natürlich war das Lager voller Menschen. Überall herrschte geschäftiges Treiben. Manche Faulpelze gafften ihnen nach. Aber das war es nicht. Einmal glaubte er sogar, warmen Atem auf seiner Wange zu spüren. Hastig drehte er sich um. Da war niemand. Gab es hier Geister?