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»Du solltest dich vor dem Unsterblichen demütig zeigen, Weib. Er ist sehr verärgert über dich.«

Jetzt wirkte sie erschrocken. »Ich werde vor den Unsterblichen geführt. Aber es war doch nur eine Kleinigkeit … Nichts, worum sich der Unsterbliche …«

»Er hat davon gehört, und er ist wütend. Knie demütig vor ihm nieder, benimm dich, und alles wird ein gutes Ende nehmen.« Sie machte zwar nicht den Eindruck, als sei Demut ihre Sache, aber vielleicht steckte ja ein Fünkchen Verstand in ihrem Kopf. Vor der Schlägerei hatte sie wohl recht hübsch ausgesehen. Vielleicht etwas zu drahtig. Aber wenn sie genug zu essen bekäme … »Gehen wir! Du musst vor dem Unsterblichen niederknien, wenn er mit dir spricht. So ist es Sitte bei Hof.«

Aaron wirkte immer noch verärgert, als sie gemeinsam dessen Gemach betraten.

Allzu selbstbewusst trat die junge Frau bis kurz vor den Herrscher, ließ sich dann umständlich auf die Knie nieder und beugte sich so tief vor, dass ihre Stirn fast den Boden berührte. Ashot betete darum, dass sie sich benehmen würde, und stellte sich neben Aarons Thron.

»Du also hast meinen Leibkoch auf dem Gewissen«, sagte der Unsterbliche unwirsch. »Wie heißt du?«

»Kirum.«

»Und woher kommst du?«

»Nari.«

Aaron seufzte und sah ihn an. »Aus Nari kommt in letzter Zeit nichts als Ärger, nicht wahr, Ashot?«

Kirum hob ihren Kopf, nickte und sagte, ohne gefragt zu sein. »Ja, ich habe davon gehört, dass Ihr unserem Satrapen Eleasar ein Messer in den Leib gerammt habt, nachdem er Euch verraten hatte.«

Ashot schloss die Augen und sandte ein Stoßgebet zum Löwenhäuptigen. So war das nicht gewesen. Dieses Weib redete sich um Kopf und Kragen.

»Ich hätte das genauso gemacht«, fuhr sie fort, die finsteren Blicke Aarons ignorierend.

Plötzlich lächelte Aaron. »Na, da haben Mahut und mein Vorkoster wohl Glück gehabt, dass sie kein Messer abbekommen haben.«

»Es war gerade keines in Griffweite«, sagte sie so trocken, dass Ashot nicht einschätzen konnte, ob das ein Scherz sein sollte oder ob sie es ernst meinte.

Aaron lachte. Das hatte er seit Langem nicht mehr getan.

»Worum ging es in dem Streit?«

»Der verdammte Vorkoster hat mir zwischen die Schenkel gefasst. Als er das zum ersten Mal getan hat, habe ich ihm gesagt, ich würde ihm den Schädel einschlagen, wenn er es noch mal versuchen würde.«

Mataan räusperte sich. »Der Mann hat sieben Zeugen dafür, dass diese Geschichte nicht stimmt.«

Wieder lächelte Aaron. »Ich nehme an, diese Zeugen sind allesamt Küchenkrieger, die bei dem Streit etwas abbekommen haben.«

»Das könnte sein«, räumte Mataan ein. »Ich werde dem nachgehen.«

Kirum hatte sich nun ganz aufgerichtet. Sie wagte es, dem Unsterblichen geradewegs ins Antlitz zu blicken und ihm ein verschwörerisches Lächeln zu schenken, als seien sie beide Komplizen.

Eine steile Zornesfalte zeigte sich auf Aarons Stirn.

Hätte sie doch einen Augenblick noch ihren Kopf unten behalten, dachte Ashot verzweifelt. Jetzt war alles verdorben. Diener durften den Unsterblichen nicht in die Augen sehen. Normalerweise war Aaron das egal, aber bei der Stimmung, in der er heute war …

»Du …«, setzte der Herrscher zornig an. Dann weiteten sich seine Augen. »Du hast eine sehr ungewöhnliche Narbe dort unter deinem Schlüsselbein.«

Ashot folgte dem Blick seines Herrschers. Kirum hatte vergessen, ihr zerrissenes Kleid weiter zusammenzuhalten. Deutlich sah man eine hässliche, rote Narbe unter ihrem Schlüsselbein, die ein wenig an eine stilisierte Sonne erinnerte.

»Wie bist du zu dieser Verletzung gekommen?« Aarons Blick hatte sich dramatisch verändert. Aller Zorn war gewichen. Er schien zwischen Hoffnung und Bangen zu schwanken. Was ging in ihm vor sich?

»Man könnte sagen, es war ein besonders großer Dorn, der mich dort verletzt hat, Unsterblicher.«

Ashot zuckte innerlich zusammen. Was war das denn für eine klägliche Lügengeschichte?

Erstaunlicherweise war Aaron nicht verärgert. Er erhob sich von seinem Thron, trat zu ihr, legte ihr die Hand auf die Stirn und tastete mit den Fingerspitzen nach ihrem Haaransatz.

Ashot sah zu Mataan hinüber. Der Hofmeister war ebenso verwundert wie er.

»Als du dich hier verletzt hast, musst du wohl wie ein angestochenes Schwein geblutet haben«, sagte er mit weicher Stimme.

»Das wären auch meine Worte«, bestätigte sie mit einem Lächeln.

Ashot traute seinen Augen kaum. Es war unglaublich, wie sehr sich Aaron in wenigen Augenblicken verändert hatte. Plötzlich schien alle Bitternis von ihm gefallen zu sein. In seinem Blick lag ein Strahlen, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Und dieses Küchenmädchen sah den Unsterblichen auf eine Art an, als seien sie schon lange miteinander vertraut. Das war von fast selbstmörderischer Tollkühnheit, aber Aaron schien es zu dulden.

»Ich dachte, mein Leben sei zu Asche geworden.« Der Unsterbliche schien völlig vergessen zu haben, dass er mit diesem Küchenmädchen nicht allein war.

»Mir wurde gesagt, dass diese Asche eine reiche Erntezeit schenken wird«, entgegnete Kirum.

Ashot verstand kein Wort von dem, was die beiden redeten. Aber das musste er auch nicht. Er war gerade Zeuge eines Wunders geworden. Mit ihrem einen nicht zugeschwollenen Auge, ihrem Lächeln und ein paar rätselhaften Worten hatte sie es offensichtlich geschafft, den Unsterblichen zu verzaubern. Aaron sah glücklich aus!

Plötzlich schien sich der Unsterbliche der verwunderten Blicke bewusst zu werden. Er räusperte sich. »Ich glaube, meine Palastküche ist nicht der richtige Ort für Kirum. Vielleicht sollte sie besser die Löwengrube hüten oder meiner Leibwache beibringen, wie man kämpft. Mataan, sorge dafür, dass sie in einem ordentlichen Zimmer untergebracht wird und eine Heilkundige nach ihren Wunden sieht.«

»Und ihre Strafe?«, fragte der Hofmeister.

»Sie darf den Palast nicht verlassen«, sagte Aaron ernst. »Das genügt fürs Erste.«

Mataan war anzusehen, dass er die Welt nicht mehr verstand. Aber er war klug genug, nichts zu sagen. Vielleicht freute auch er sich insgeheim, dass ihr Herrscher sein Lächeln wiedergefunden hatte.

»Du darfst nun gehen, Kirum. Ich werde über eine angemessene Strafe für dich nachdenken. Vielleicht werde ich dich auf einer Trommel tanzen lassen.«

Ashot zuckte zusammen. Was mochte das für eine Barbarei sein? Von dieser Strafe hatte er noch nie etwas gehört. Er kannte nur Knüppel, die auf dem Rücken tanzten.

Diesmal schwieg das Mädchen. Sie lächelte nur und verließ mit Mataan die Gemächer des Unsterblichen.

»Heute ist ein guter Tag«, sagte Aaron zwar leise, aber er meinte es unüberhörbar von ganzem Herzen. »Du solltest jetzt in die Palastküche gehen und jedem der Raufbolde dort ein Silberstück schenken. Aber mach ihnen klar, dass ich ihnen zwei Silberstücke abnehme, wenn ich erfahre, dass sie diese Geschichte herumerzählen.

»Euer Wunsch ist mir Befehl, Unsterblicher!«

Es würde einen Aufschrei unter allen Adligen des Königreichs geben, wenn Aaron einer Dienerin seine Liebe schenken würde, dachte Ashot, als er sich auf den langen Weg zur Palastküche machte. Aber das würde Aaron nicht davon abhalten, es zu tun, wenn sich zeigte, dass Kirum die Richtige für ihn war. Schließlich hatte Aaron auch ihn, einen mittellosen Bauern aus einem Dorf am Ende der Welt, zum Hauptmann seiner Leibwache gemacht.

Ashot wünschte sich, dass Aaron sein wiedergefundenes Lächeln behielt. Er würde fest an Aarons Seite stehen, sollte es nötig sein, für diese Fremde zu streiten. Selbst den Devanthar würde er die Stirn bieten, um seines Königs willen. Was waren alle Macht und Schätze der Welt wert, wenn sie nur um den Preis eines Lebens ohne Lächeln erkauft werden konnten.

Fortsetzung folgt . . .

Anhang

Dramatis Personae der »Drachenelfen«-Saga

Die Devanthar und andere Göttergleiche

Alben Die Schöpfer der Welt Albenmark. Ihre Beweggründe sind ihren Geschöpfen unergründlich. Sie ziehen sich immer weiter aus ihrer Welt zurück und verzichten auf einen Großteil ihrer Macht, wie es scheint.