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Aber ein Narr, der bestimmte, wie die Dinge hier liefen. Er könnte sie zurückweisen. Es lag ganz bei ihm, welche Frau er wählte.

Missmutig griff er nach dem Krug mit Honigwein und nahm einen tiefen Schluck. Als er aus dem Fenster starrte, fiel ihm ein winziger Vogel auf, der seinen langen Schnabel tief in einen Blütenkelch steckte und dabei so schnell mit den Flügeln schlug, dass sie zu flirrenden Schatten verwischten.

Volodi wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als wieder Schritte auf der Treppe erklangen. Er straffte sich und stieß gegen den Honigweinkrug, dessen Inhalt sich golden über das weiße Betttuch ergoss. Er würde sie wegschicken, dachte er. Und dann würde er einen Weg finden, wie er aus diesem goldenen Käfig fliehen konnte.

Sein Leibdiener mit der Knochennadel in der Nase wirkte unglücklich. Er zog ein langes Gesicht und schob eine Frau vor sich her, die den Kopf gesenkt hielt, sodass ihr offenes Haar ihr Gesicht verbarg. Um ihre Schultern lag ein langer Mantel aus bunt schillernden Federn.

»Ich fürchte, man hat dich betrogen, Auserwählter«, murmelte sein Diener zerknirscht und zog der Frau den Mantel von den Schultern. Sie stand da, die Arme an die Seiten gepresst, leicht gekrümmt. Ihre braune Haut war entstellt von blauen Flecken und Schrammen. Quer über ihren Bauch verliefen vier hässliche Narben, als hätte sie mit einem Bären gekämpft.

Volodi schnürte sich die Kehle zu.

»Das ist kein gutes Weib. Ich weiß nicht, wer sich diesen üblen Scherz mit dir erlaubt hat, Auserwählter. Ich werde sie zurückbringen.«

Volodi sprang auf, bückte sich nach dem auf dem Boden liegenden Federmantel und legte ihn der Nackten um die Schultern. Dann strich er ihr Haar zur Seite. Sie zuckte ein wenig vor ihm zurück. Ihre Augen hatten alles Feuer verloren. Was hatte Nica gesagt? Sie war »Fleisch«. Ja, so hatte er seine Schwester bezeichnet. Fleisch.

Volodi war sich nicht sicher, ob sie ihn erkannte. Ihr Gesicht war wie eine Maske.

»Ich bringe sie fort, Auserwählter. Das muss ein Irrtum sein …«

Volodi legte sanft seine Arme um sie und zog sie fest an sich. »Lass uns allein«, sagte er mit belegter Stimme. »Sie ist die einzige Frau, die ich je haben wollte.«

Der Schlangenschlund

Volodi lauschte auf Quetzallis Atem. Er ging noch immer unregelmäßig. Jetzt zuckte sie in seinen Armen zusammen, murmelte etwas, erwachte aber nicht. Es hatte lange gedauert, bis sie eingeschlafen war. Sie hatte geduldet, dass er seinen Arm um sie legte und sie eng an sich heranzog. Allerdings zeigte sie keinerlei Reaktion. Es war, als halte er eine Decke im Arm.

Durch das Fenster des Schlafgemachs fiel graues Licht. Dämmerung erwachte über der weiten Stadt. Draußen in den weiten Gartenanlagen erklang ein tausendstimmiges Vogelkonzert. So friedlich erschien dieser Ort, und doch waren seine Priester so unendlich grausam.

Volodi zog behutsam seinen Arm zurück und stieg aus dem Bett. Quetzalli seufzte im Schlaf. Wieder überlief ein Zittern ihren Leib. Sie hatte ihre Decke zusammengeknüllt und dicht an ihre Brust gepresst. Sie wird sich wieder erholen, redete er sich ein und stieg die enge Treppe hinab.

Auf der Schwelle des Hauses lag sein Leibdiener und schnarchte. Volodi weckte ihn mit einem Tritt. »Was essen Zapote gerne?«

Der Diener blinzelte ihn verschlafen an. »Maisfladen.« Er streckte sich und zupfte an der Knochennadel, die seine Nase durchbohrte. »Das mögen alle.«

»Einfache Brotfladen?«, fragte Volodi skeptisch. »Ist das nicht ein bisschen langweilig?«

»Langweilig!« Sein Diener stand auf. »Das sagt ein Drusnier, dessen Küche als größte Gaumenfreude halbgaren Hirschbraten zu bieten hat. Bitte verzeih, wenn ich erschüttert bin, Auserwählter, aber Maisfladen sind unendlich viel mehr als nur Brot. Die Füllung und die Saucen machen den Unterschied. Man kann sie auf Dutzende Arten servieren: mit gehacktem Hund, dazu eine Sauce aus bitterer Schokolade oder als Beilage in Öl gesottene Kolibris …«

»Kohl Ibrihs?«

»Kleine Vögel, Herr. Sie trinken den Nektar aus Blüten, so wie Bienen es tun.«

Volodi erinnerte sich an den winzigen Vogel, den er am Vortag gesehen hatte. »Kohl Ibrihs …«, wiederholte er nachdenklich. »Wie kann man die essen? Da bleibt doch nichts übrig, wenn die Federn mal ab sind.«

»Wir schneiden auch noch die Füße und den Kopf ab«, entgegnete sein Leibdiener ernsthaft. »Und natürlich nehmen wir sie auch aus. Dann werden sie kurz in einen Topf mit kochendem Fett geworfen.« Er schnalzte mit der Zunge. »Köstlich!«

»Und die Knochen?«

»Die isst man mit. Sehr knusprig das Ganze, Auserwählter.«

Volodi betrachtete den kleinen Mann mit der Knochennadel in der Nase verwundert. Wollte ihn der Kerl auf den Arm nehmen? Der Zapote hielt seinem Blick stand. Er schmunzelte nicht. Zwinkerte nicht. Er meinte es tatsächlich ernst!

Volodi räusperte sich. »Knusprige Knochen … also ich wünsche, dass du mir einen ganzen Tisch voll Speisen aufträgst, die jeder Zapote köstlich findet. Dir selbst soll das Wasser im Munde zusammenlaufen, während du in Fett gesottene Kohl Ibrihs heranschleppst oder gehackten Hund und was eure Küche sonst noch zu bieten hat … Was übrig bleibt, darfst du verspeisen. Also mach deine Sache gut.«

»Auserwählter …« Sein Leibdiener trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. »Du musst das nicht für das Mädchen tun. Du bist von der Gefiederten Schlange erwählt worden. Alles hier dreht sich allein um dein Wohl. Und üblicherweise wissen die Männer aus Drus die Köstlichkeiten unserer Küche nicht zu schätzen. Ich fürchte, dich zu verärgern, wenn ich dir deinen Wunsch erfülle.«

»Was immer Quetzalli erfreut, das wird auch mich erfreuen. Sorgen musst du dir nur machen, wenn sie nichts isst.«

Der Leibdiener sah ihn bestürzt an. »Sie hat in den großen Schatten geschaut. Sie vermag nichts mehr zu erfreuen. Das ist …«

Volodi legte dem kleineren Mann beide Hände auf die Schultern. Der Krieger ahnte, was »in den großen Schatten schauen« bedeutete. »Du wirst einfach dein Bestes geben, mein Freund. Ich war einmal ein Anführer von vielen hundert Kriegern. Meine Männer nannten mich ›Der über den Adlern schreitet‹. Das taten sie, weil ich nicht hinnehme, dass etwas unmöglich ist, bevor ich nicht auch den letzten denkbaren Weg gegangen bin. Wir beide werden es schaffen, dass Quetzalli wieder ihren Kopf hebt und vom Schatten aufschaut in das Licht der Sonne.«

»Du bist anders als die anderen Männer, denen ich bisher gedient habe …«

»Wie heißt du?«

»Das wirst du dir nicht merken können, Auserwählter. Die Namen meines Volkes sind nicht für die Zungen der goldhaarigen Waldmänner geschaffen.«

Volodi war sich bewusst, dass der kleine Kerl wahrscheinlich recht hatte. Aber er wollte es zumindest versuchen. »Verrat mir dennoch deinen Namen.«

»Ichtaca.«

»Isch-ta-ca.« Volodi sprach den Namen leise, abschätzend, rollte ihn auf der Zunge, so wie einen unbekannten Wein, von dem man noch nicht wusste, ob er Freude oder Kopfschmerzen bringen würde. »Ischtaca. Hat das eine Bedeutung?«

»Es heißt Geheimnis«, entgegnete der Zapote ernst.

»Ein gutes Omen. Wir werden gemeinsam das Geheimnis ergründen, was zu tun ist, um Quetzalli aus dem großen Schatten zurück ins Leben zu holen.«

»Das werden wir.« Ichtaca verbeugte sich feierlich. »Das werden wir, Auserwählter.« Dann eilte er davon.

Volodi sah ihm nach, bis er hinter einem Dickicht rot blühender Büsche verschwand. Der Drusnier wollte nicht sofort zurück nach oben gehen. Er wusste, sich einfach zu Quetzalli zu legen und sie in den Arm zu nehmen, war nicht genug. In Gedanken versunken, schlenderte er in den Park. Die schmalen Wege zwischen den Häusern der Auserwählten waren mit kleinen weißen Steinen ausgelegt, die unter jedem seiner Schritte knirschten. Keine welke Blüte, kein abgerissenes Blatt befleckten das Weiß. Dieser Ort sollte vollkommen sein. Er wanderte an einem Teich vorbei, in dessen steinerne Ufereinfassung gewundene Schlangen gemeißelt waren. Große, weiße Blüten trieben auf dem grünen See, und hin und wieder glitten buntscheckige Fische an der Grenze zwischen Dunkelheit und Zwielicht durch das Wasser. Gerade noch wahrnehmbar.