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»Herr, habt Ihr Euch einen Augenblick von Eurer Zeit für mich?«

Müde lächelnd blickte Artax auf. Volodi! Er war also zurückgekehrt.

Doch im Eingang des Zeltes stand Kolja. Der Unsterbliche seufzte, versuchte sich aber die Enttäuschung, die er beim Anblick des einarmigen Faustkämpfers empfand, nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. »Was ist dein Begehr, Hauptmann?«

Kolja trat ein und hob einen prall gefüllten Lederbeutel hoch. »Es geht sich um die Zinnernen, Herr. Du erinnerst dich an was versprochen? Dreimal wir sollten kämpfen für dich, weil hatten wir versenkt deine Schiffe mit Zinn. Hast du uns gegeben eine Münze von Zinn uns zu erinnern, nach jedem Kampf. Und jede der Münzen hat sich ein anderes Bild. Datames hat sich noch gießen Lanzen Münzen für diesen Kampf und sie gegeben, bevor er sich verschwand. Wer sich gesammelt hat drei Münzen, hat sie nun gegeben mir als Beweis, dass sich der Pakt erfüllt hat.« Kolja ließ den Beutel klimpern. »Hältst du dich dein Versprechen, Herrscher von Schwarzköpfen?«

Artax starrte den Lederbeutel an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn die Zinnernen verlassen würden. Er hatte ihnen gutes Gold versprochen. Dass ein paar Heimweh nach dem Meer bekämen, hatte er erwartet. Bilder an die Nacht, als er sich allein den Piraten gestellt hatte, die seine Zinnflotten versenkt hatten, erschienen vor seinem inneren Auge. Seitdem waren die Zinnernen und er einen langen Weg gemeinsam gegangen. Er räusperte sich. »Wie viele sind es?«

»Wir haben unser Blut viel vergossen in diesen verfluchten Wüstensand, Unsterblicher. Es sind zweihundertsiebenunddreißig, die gehen wollen. Neunzehn wollen bei dir bleiben, die meisten sind sich verwundet. Ein Hand voll Narren hat Heimweh nach den aegilischen Inseln. Sie werden sich Karawanen anschließen, die zur Küste ziehen.«

Da ist etwas faul, flüsterten die Stimmen der Aarons in seinen Gedanken. Sie sind Söldner, und du hast deine letzte Schlacht geschlagen. Wir werden Frieden haben, das heißt, in deinem Dienst würden sie gutes Gold bekommen, ohne dafür ihre Haut zu riskieren. Da läuft irgendein krummes Ding. Lass Kolja ein wenig foltern. Ich bin sicher, er wird dir erzählen, was dahintersteckt. Gut, er ist ein harter Bursche. Ein oder zwei Tage wird es dauern, und es wird ihn vielleicht ein paar Finger und die Nase kosten, aber am Ende wird er reden. Alle reden irgendwann.

»Hast du eine Ahnung, wo Volodi steckt?«

Kolja sah ihm fest in die Augen. »Leider nicht, Unsterblicher. Ich habe mich auch schon besorgt. Ist er sich am Abend nach der Schlacht zum letzten Mal gesehen worden.«

Artax nickte, obwohl er das Gefühl hatte, dass Kolja ihn belog. »Wirst du bleiben?«

»Die Männer haben mich gebeten, mit ihnen nach Nangog zu gehen. Sie glauben sich, dass dort das Gold auf der Straße liegt, wenn man ein mutiges Herz hat. Ich werde mein Auge auf sie haben. Wir werden in der Goldenen Stadt sein, und solltet Ihr ein paar erfahrene Schwerter für eine heikle Mission brauchen, werden wir uns Euch immer gern zu Diensten stehen, Unsterblicher Aaron.«

Sie werden sich in der Goldenen Stadt als Söldner verdingen, und deine Feinde werden sie gerne anwerben. Diese Männer standen dir nahe. Sie wissen zu viel über dich, den Palast, die Stärken und Schwächen unseres Reiches. Du kannst nicht zulassen, dass deine Feinde all das kaufen können. Lock sie in einen Hinterhalt, und bring sie alle um!

Artax griff nach einer in Holz gefassten Wachstafel und ritzte mit einem Elfenbeingriffel einige Zeilen in das weiche Wachs. Ohne ein Wort zu sagen, setzte er sein Siegel unter den Text und reichte Kolja die Tafel.

Der hünenhafte Krieger überflog die Zeilen und nickte zufrieden.

»Geh damit zu Datames …« Artax stockte. »Ich meine natürlich zum Hüter der Reichssiegel. Er wird dir und den anderen den noch ausstehenden Sold aushändigen.«

»Wollt Ihr nicht richten einige Worten an die Männer? Sie haben viel für Euch getan.«

»Die, die mit mir nach Akšu gehen, werden dort mit Gold und Ehren überhäuft werden. Ihr habt euch entschieden, nicht dazugehören zu wollen. Was sollte ich den Männern sagen? Dass ich enttäuscht bin, dass sie am Ende doch nur Söldner waren?«

Kolja klemmte sich die Wachstafel unter den Arm und verneigte sich knapp.

»Du hast die Erlaubnis zu gehen, Kolja. Mögen die Götter dir ein langes Leben schenken.«

Der Hüne wandte sich zackig um und verließ das Zelt.

Großartig! Du verstehst wirklich, wie man sich Freunde macht. Diesen Abschied wird er so schnell nicht vergessen. Ich würde dir raten, die Bogenschützen aus den Bergen zu rufen und …

Artax blendete die gehässige Stimme in seinem Kopf aus und trat zum halb aufgeschlagenen Zelteingang. Er sollte die verbliebenen Zinnernen nicht mehr unter seinen Leibwachen dulden. Bestimmt hatte Kolja einige Spitzel zurückgelassen. Zu wissen, was im engsten Umfeld eines Unsterblichen geschah, konnte Gold wert sein.

»Ashot!« Er winkte seinem ehemaligen Freund aus Belbek. Ashot wirkte noch mürrischer als sonst. Er hatte sich offensichtlich seit Tagen nicht rasiert. Sein Haupthaar hing ihm in wirren Strähnen in die Stirn, und sein Leinenpanzer war voller Staub. Seit sie seinen toten Jugendfreund Narek nach Belbek zurückgebracht hatten, ließ er sich gehen. Für einen Hauptmann, der den Befehl über mehr als tausend Mann hatte, war das nicht akzeptabel. Er würde ihm das nicht mehr lange durchgehen lassen.

»Unsterblicher!« Ashot nahm vor ihm Haltung an.

»Die Zinnernen verlassen uns, Hauptmann, und von den Himmelshütern sind zu viele im Kampf gefallen. Du versammelst all jene, die noch übrig sind, und dann suchst du nach Männern, die sich in der Schlacht hervorgetan haben. Männer, die weitergekämpft haben, als andere flohen, die ihr Leben riskiert haben, um ihre Kameraden zu schützen. Lass dich von Mataan beraten. Ich schätze, er hat ein gutes Auge dafür, wer ein aufrichtiger Kerl ist. Ich brauche eine neue Leibgarde. Tausend Männer sollen es sein. Und sie alle müssen in dieser Schlacht gekämpft haben. Ich werde sie die Kushiten nennen, nach dieser Ebene, auf der sie mit ihrem Blut dafür bezahlt haben, eine gerechtere Welt zu erschaffen.«

Ashot räusperte sich. »Wollt Ihr ehrenhafte Männer oder gute Krieger, Herrscher aller Schwarzköpfe?«

»Sie sollen beide Eigenschaften in sich vereinen.«

Der Hauptmann stieß einen leisen Seufzer aus und strich sich über sein stoppeliges Kinn. »Ehrenhafte Männer, die gut darin sind, anderen die Kehle durchzuschneiden. Das ist wahrlich eine Herausforderung. Hättet Ihr mich darum gebeten, die größten Halunken zu finden, dann …«

»Wenn es denn Halunken sein müssen, dann will ich ganz sicher sein, dass es meine Halunken sind, dass sie niemand anderem dienen. Ich werde sie fürstlich belohnen und mit Privilegien überschütten, aber sie müssen unverbrüchlich zu mir stehen. Gemeinsam mit Mataan wirst du diese neue Garde anführen. Ich werde dich in den Rang eines Satrapen erheben, damit die Mächtigen des Reiches dir mit dem gebührenden Respekt begegnen.«

Ashot lächelte zynisch. »Satrap soll ich sein? Ich, der Sohn eines gescheiterten Schweinezüchters aus einem Dorf, dessen Namen niemand kennt? Verzeiht, Herrscher aller Schwarzköpfe, aber ein Titel ist nur ein Wort. Glaubt nicht, dass die in Seidenwindeln Geborenen mich respektieren werden, weil Ihr mich zum Satrapen ernennt. Vielleicht werde ich mir durch meine Taten Respekt verschaffen, zum Beispiel hiermit.« Er schlug mit der flachen Hand auf das Schwert an seiner Seite. »Doch das wird dauern. Respekt muss man sich verdienen.«