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»Da stimme ich dir zu«, entgegnete Kolja und ging an ihr vorüber. Hinter ihm ertönte eine dunkle Männerstimme. Kolja ignorierte sie.

Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte er die Stiege hinauf. Der Lärm hinter ihm ebbte ab. Offensichtlich gab es außer dem Türsteher hier noch jemanden, der ihn kannte.

Kolja stieß die Tür zu seinem alten Zimmer auf, ohne sich der Förmlichkeit des Anklopfens zu unterziehen. Eurylochos lag mit einer dunkelhäutigen Schönheit im Bett, die aussah, als habe sie ein Leben zwischen Wind und Meer verbracht. Der Steuermann setzte sich auf, und sein Fluch erstarb, bevor er ihm über die Lippen kommen konnte. Seine grauen Augen schienen ihm schier aus dem Kopf quellen zu wollen. »Du …«, war alles, was er schließlich hervorbrachte. Er war ein großer, muskulöser Mann, genauso braun gebrannt wie die Schöne neben ihm im Bett. Irgendwann einmal hatte jemand versucht, ihm mit einem Messer das Gesicht zu halbieren. Eine weiße Narbe lief quer über seine Stirn und reichte bis zur linken Wange.

»Deine Freude, mich lebend zu sehen, ist wahrlich herzerwärmend.« Kolja setzte sein Lächeln auf, von dem er genau wusste, dass es bei seinem schrecklich vernarbten Gesicht selbst die tapfersten Männer bis ins Mark erschütterte. »Ich möchte meine Kammer zurück. Und mein Bett. Du darfst gehen. Das Mädchen bleibt. Weiche Betten und hübsche Frauen habe ich in den letzten Monden auf der Ebene von Kush vermissen gelernt.«

Eurylochos erhob sich ohne Widerspruch, was ihm einen bösen Blick von seiner Gefährtin einbrachte. Er nahm seine Kleider von einem Hocker neben dem Bett, versuchte sie kurz zu ordnen, gab es aber fast sofort auf. Seine Hände waren unter der zerknüllten, roten Tunika verborgen. Ein bronzebeschlagener Gürtel hing zwischen den Kleidern hinab. Er trat um das Bett herum und kam Kolja nun lächelnd entgegen. »Schön zu sehen, dass du das Gemetzel überlebt hast, altes Ross.«

»Du weißt ja, ich bringe aus jedem Kampf eine neue Narbe mit, aber ich bin nicht totzukriegen.«

»Vielleicht doch.« Eurylochos ließ die Kleider fallen. Er hielt einen Bronzedolch in der Hand und rammte ihn Kolja unter den Rippenbogen, sodass die aufrecht gerichtete Spitze direkt auf sein Herz zielte.

Eine wie keine

Der Dolch fuhr kreischend über das Metall des Bronzekürass, den Kolja unter der Tunika verborgen trug. Der Drusnier packte Eurylochos’ Waffenarm mit dem Geschick des geübten Ringers und Faustkämpfers und schob den Dolch unter seiner linken Achsel vorbei. Gleichzeitig machte er mit der Linken eine wegwerfende Bewegung, und die Klinge, die in der Lederprothese verborgen war, glitt zischend aus ihrem Versteck und rastete ein. Er drückte die stählerne Spitze dicht unter Eurylochos’ rechtem Ohr an dessen Kehle. »Ich war in den letzten Wochen auf einem Schlachtfeld, wo Dolche wie dieser über Leben und Tod entschieden haben, Steuermann, wohingegen mir scheint, dass du dich allein in Kämpfen mit einem Dolch aus Fleisch bewährt hast.«

Kolja blickte zu der jungen Frau, die auf dem Bett kauerte und ganz ohne Bedauern für Eurylochos zusah. »Wir haben nun eine Männerangelegenheit zu erledigen. Geh!«

Sie sprang auf und suchte gar nicht erst nach ihren Kleidern. Mit fliegenden Schritten eilte sie aus der Kammer.

Kolja versetzte Eurylochos einen Stoß gegen die Brust, der den Steuermann zurücktaumeln und auf das zerwühlte Lager stürzen ließ. »Erinnerst du dich, was ich allen Zinnernen versprochen habe, als ich euch nach Nangog geführt habe?«

Der Steuermann lächelte bitter. »Dass wir reich werden und in einem bequemen Bett sterben.«

»Liegst du gut, mein Freund?« Kolja trat an das Lager. Sein Dolch zeigte auf das Herz von Eurylochos.

Der Steuermann bat nicht um Gnade. Er sah ihn fest an und erwartete das Unvermeidliche.

»Dir dürfte aufgefallen sein, dass ich damit gerechnet habe, dass du mir ans Leder willst. Ein guter Geschäftsmann muss von Gier getrieben sein.« Kolja ließ sich auf dem Hocker neben dem Bett nieder. Seine Klinge fuhr Eurylochos’ Brust hinauf bis zu dessen Kehle. »Du wirst mir jetzt vom Geschäft erzählen. Um wie viel sind wir reicher geworden?«

»Wollen wir es nicht einfach zu Ende bringen?«, fragte der Steuermann resignierend. »Was soll dieses Spiel?«

»Für jede Frage, die du mir von nun an nicht beantwortest, werde ich ein kleines Stück von dir abschneiden. Es liegt also ganz bei dir, wie wir es machen. Und damit du siehst, dass ich es ernst meine, gebe ich dir eine kleine Kostprobe.« Bevor Eurylochos wusste, wie ihm geschah, hatte Kolja dessen rechte Hand gepackt und presste sie gegen die Wand hinter dem Bett. »Ich finde, kleine Finger sind relativ nutzlos. Schneidet man einen kleinen Zeh ab, wird das Laufen unangenehmer. Aber einen kleinen Finger … wozu braucht man den schon?«

»Die Geschäfte sind sehr gut gelaufen«, stieß Eurylochos hervor. »Leon ist tot. Uns gehören alle großen Hurenhäuser der Stadt, und wir haben die Seidene für uns gewinnen können.«

Kolja schob die Dolchklinge zwischen den kleinen Finger und den Ringfinger der geballten Faust des Steuermanns. »Die Seidene? Irgendein Mädchen nehme ich an. Was ist an ihr besonders?«

»Bitte, es tut mir leid. Ich werde mich nie wieder gegen dich erheben. Ich …«

Kolja drückte die Klinge nieder und trennte den kleinen Finger ab. Er fiel neben dem keuchenden Steuermann aufs Bett. »Das mit den Treueschwüren glauben wir doch beide nicht. Schenk dir das. Ich erwartete lediglich Antworten auf meine Fragen. Ich hatte mich eben doch ganz unmissverständlich ausgedrückt, oder?«

Eurylochos nickte. Er kämpfte gegen seinen Schmerz an. Blanke Panik stand ihm in den Augen. Dass er weder schrie noch um Gnade wimmerte, gefiel Kolja.

»Was ist das nächste Glied, auf das du verzichten kannst, Steuermann? Natürlich könnten wir auch mit der Nase oder einem Ohr weitermachen.«

Eurylochos kämpfte mit bebenden Lippen um seine Selbstbeherrschung. Schweißperlen zeichneten ein Gitterwerk feiner Linien auf sein Antlitz.

Kolja ließ die Hand des Steuermanns los und strich ihm mit der Klinge sanft über die Wange. »Ich könnte auch ein Auge nehmen.«

»Den anderen kleinen Finger«, stieß der Steuermann zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.

Der Drusnier schmunzelte. Er würde sich gut überlegen müssen, wo er Eurylochos künftig einsetzte. Der Steuermann würde ihn von nun an ein Leben lang hassen. Aber er war klug und hart. Mit Männern wie ihm konnte man Königreiche aufbauen. Statt zu jammern und noch eine Wunde davonzutragen, hatte er sich zusammengerissen und gewählt.

»Reiß ein Stück vom Bettlaken, und verbinde deine Hand. Du blutest hier alles voll.«

Eurylochos gehorchte. Er wickelte das Leinen straff um die Hand und zog den Verband mit den Zähnen fest.

Kolja beobachtete, wie sich der schmutzig weiße Stoff voller Blut sog. »Nun erzählst du mir von dieser Seidenen.«

Der Seemann begann stockend zu sprechen. Er kämpfte immer noch gegen den Schmerz an. »Keiner weiß, woher sie kommt, aber sie brachte uns allein im letzten Mond mehr Gold als alle Mädchen aus unserem besten Haus zusammen. Sie ist von sich aus zu mir gekommen und hat sich unter unseren Schutz gestellt. Sie wollte keine Wächter und in keines unserer Häuser. Ihr ging es einzig darum, dass die anderen Luden der Stadt wussten, dass sie unter unserem Schutz steht. Und das lässt sie sich ein Vermögen kosten.«

»Woher kommt all das Gold? Was ist an ihr so besonders? Ist sie so schön?«

Eurylochos hob resignierend die Hände, und Blut rann aus seinem durchnässten Verband seinen Unterarm hinab. »Wir haben schönere Frauen in unseren Häusern. Aber sie hat etwas an sich, das sich schwer in Worte fassen lässt. Wenn sie lächelt, dann geht dir das Herz auf. Ihre Blicke reichen bis auf den Grund deiner Seele. Man will sie haben, wenn man sie sieht. Will in ihrer Gesellschaft sein. Will ihre Aufmerksamkeit. Sie spricht sieben Sprachen, heißt es. Sie bewohnt ein großes Haus in bester Lage. Sie hat Dutzende Diener, mehrere Sänften. Und ihr Ruf reicht bis in die Paläste unserer Heimatwelt. Die reichsten Kaufmannsfürsten träumen von ihr. Es sollen Satrapen über den Abgrund zwischen den Welten geschritten sein, nur um eine Nacht mit ihr zu verbringen. Sie pflegt Umgang mit mindestens zweien der sieben Statthalter sowie mit hochrangigen Priestern. Sie soll gelehrt sein und kann angeblich genauso frei über Philosophie reden, wie sie einen Mann mit den ausgefallensten Spielen in ihrem Bett zu erfreuen vermag.«