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Kolja lachte. »Diesen Wunderkäfer werde ich mir morgen ansehen.«

Der Steuermann schüttelte den Kopf. »So geht das nicht. Man muss um ein Treffen mit ihr anfragen. Das liegt an ihrer Kundschaft. Die Reichen und Mächtigen wollen Männer wie uns nicht sehen.«

»Du meinst, sie vergibt Audienzen?« Der Drusnier lachte noch lauter. »Nicht mit mir. Sie arbeitet für mich, und ich werde sie morgen sehen. Ich werde ihr ein Geschenk machen, das sie ganz gewiss nicht ablehnen wird. Und nun mach dich davon. Schick mir das Mädchen vom Seidenfluss herauf. Sie soll mir für heute genügen, bevor ich morgen die Seidene nehme.« Er schüttelte lachend den Kopf. »Eine Hure, die eine Philosophin ist. Das will ich sehen. In einer Stunde erwarte ich dich mit zehn der Männer, die mit mir auf dem Schlachtfeld von Kush gekämpft haben, vor dieser Tür. Und ihr alle werdet in unseren alten Rüstungen als Leibgardisten des Unsterblichen Aaron erscheinen. Wir haben einen Besuch zu machen.«

Der versunkene Wald

Nodon war diese neue Welt unheimlich. Sie hatten die Flussböschung hinter sich gelassen und streiften wieder durch dichten Dschungel. Doch seit Nandalee mit diesen eigentümlichen Geistern in Kontakt getreten war, hatte sich alles verändert. Sie brauchten keine Klingen mehr, um sich einen Weg durch das dichte Unterholz zu bahnen. Das Gestrüpp schien regelrecht vor ihnen zurückzuweichen. Das machte es ihnen leichter voranzukommen, aber dem Elf war auch bewusst, dass jeder ihrer Schritte damit gelenkt wurde.

Nandalee hatte ihnen versichert, dass hier im Wald keine Gefahr bestand, wenn sie mindere Zauber nutzten. Und so verschaffte ein einziges Wort der Macht augenblicklich Erleichterung: Es verbannte die schwüle Hitze und schuf einen angenehmen Kokon aus kühler Luft, die auch von den Moskitos und anderen Plagegeistern gemieden wurde. Nur gegen die fingerlangen Blutegel, die sie heimsuchten, schien weder Magie noch Kraut gewachsen zu sein.

Der Schwertmeister blickte zurück auf die kleine Kolonne, die er anführte. Nandalee wechselte sich mit ihm und Gonvalon ab. Sie waren am erfahrensten darin, durch die Wildnis zu streifen. Nandalee ging jetzt zwei Schritt hinter ihm. Ihr Blick wirkte in die Ferne gerichtet, obwohl man in diesem von warmem Nebel verhangenen Dschungel kaum weiter als zehn Schritt sehen konnte. In der Linken hielt sie ihren Bogen. Die Sehne war trotz der feuchten Hitze aufgezogen. Dieses Klima, verbunden mit der ständigen Spannung, würde die Sehne schnell ausleiern lassen. Es konnte für dieses Verhalten nur einen Grund geben. Es gab hier eine Gefahr, von der Nandalee ihnen nichts sagte! Etwas, das jeden Augenblick aus dem Dickicht heraus über sie herfallen mochte. So hielt auch Nodon seine Klinge stets blank gezogen. Er war bereit, ganz gleich, was da kommen mochte!

Auf Nandalee folgte Bidayn, die die Kapuze ihres Umhangs tief in die Stirn gezogen hatte, um ihr entstelltes Gesicht zu verbergen. Nodon verstand die junge Elfe nicht – sie schien unberechenbar, und er konnte förmlich spüren, wie es in ihr brodelte. Sie war darauf aus, sich zu beweisen. Ihre Meisterin Lyvianne wirkte hingegen ganz ruhig. Sie sah sich aufmerksam um. Sie war eine Schlange. Schön und zugleich tödlich. Er fühlte sich zu ihr hingezogen. Aber er würde es sich nicht anmerken lassen. Auf dieser seltsamen Welt, die den Elfen genauso verboten war wie den Menschenkindern, war es klüger, all seine Sinne beisammenzuhalten. Ein Augenblick der Unachtsamkeit, einem verliebten Blick geschuldet, mochte ihn teuer zu stehen kommen.

Allein in der letzten Stunde hatte er zwei Schlangen bemerkt, die ihm giftig erschienen waren. Kleine, schillernd bunte Mistviecher. Wenn es hier nicht völlig anders als in ihrer Heimat war, dann waren es gerade diese kleinen, bunten Schlangen, die am giftigsten waren. Er warf noch einen flüchtigen Blick auf Gonvalon, der ganz am Ende der Reihe ging. Der ehemalige Schwertmeister des Goldenen litt ganz augenscheinlich. Er konnte sich nicht mit einem Zauber gegen die stickige Hitze schützen. Auch suchten ihn all jene Moskitos heim, die sich den anderen in der Gruppe nicht nähern konnten. Sein Gesicht war übel zerstochen, seine Augenlider halb zugequollen. Aber er murrte nicht. Er zeigte eine Haltung, die Nodon Respekt abnötigte, auch wenn er Gonvalon wegen seiner gedankenlosen Affären zutiefst verachtete. Seiner Meinung nach war er das schwächste Glied in ihrer Gruppe.

Nach Stunden zermürbenden Marsches begann sich der Wald endlich zu lichten. Das Unterholz verschwand, und vor ihnen öffnete sich eine breite Sumpflandschaft. Fahle Bäume erhoben sich aus dem dunklen Nass. Von ihren Ästen wucherten lange, bleiche Bärte. Einige abgestorbene, gestürzte Baumriesen streckten sich wie Skelette in dem brackigen Wasser. Ganze Wolken von Moskitos tanzten hier im Sonnenlicht. Es war heller als im Dschungel, da das Dach der Baumkronen weniger dicht war.

»Ich gehe jetzt voran«, sagte Nandalee unvermittelt. Es war das erste Mal seit Langem, dass einer von ihnen sprach. »Bleibt hinter mir, und weicht nicht zur Seite ab. Der Boden, über den wir uns bewegen werden, ist äußerst tückisch.« Mit diesen Worten stieg sie in das dunkle Wasser.

Nodon ließ alle an sich vorüberziehen und reihte sich hinter Gonvalon ein. Schon nach wenigen Schritten schwappte das lauwarme Wasser über seine Stiefelstulpe. Er stellte sich vor, wie sich Blutegel an seinen Waden festsaugten. Bei jedem Tritt sank er ein wenig ein, und der Schlick schien sich mit weichen Fingern an seine Stiefel zu klammern, um sie ihm zu rauben. Ein Stück entfernt sah er etwas im Wasser treiben, das sich gegen die sanfte Strömung bewegte. Flüchtig betrachtet sah es aus wie ein bemooster Baumstamm. »Da ist ein Krokodil.«

»Ich weiß«, kam es lakonisch von Nandalee, die ihren Bogen in Brusthöhe waagerecht über dem Wasser hielt. »Es wird uns nichts tun.«

Nodon traute ihren Worten nicht und ließ das Krokodil nicht aus den Augen. Etwas streifte ihn zwischen den Schenkeln. Das Wasser war zu dunkel, um zu erkennen, was es war. Bestimmt nur ein Fisch, redete er sich ein.

Der Himmel über den Baumkronen zog sich zu, und warmer Regen setzte ein. Aus dem aufgewühlten Wasser stieg Modergeruch. Nodon spürte, wie sich die Sohle seines linken Stiefels zu lösen begann. Er fluchte innerlich. Mussten ihre Kleider wirklich in allen Aspekten so minderwertig wie die Kleidung der Menschenkinder sein? Das war zu viel des Guten! Sollten sie sich vielleicht auch noch die Krankheiten der Menschen zulegen und Bärte wachsen lassen? Wenn er wenigstens wüsste, was sie in diesem verfluchten Wald suchten, aber Nandalee schwieg sich über das eigentliche Ziel ihrer Mission aus.

Eine Schlange glitt ein Stück entfernt über das Wasser. Den Kopf vorgereckt, wand sich ihr Körper genauso, als sei sie auf festem Grund. Nodon sah ihr nach, bis sie hinter einem bleichen Baumstumpf verschwand.

Die Wolken schienen sich auf den Wald gesenkt zu haben. Die Baumkronen über ihnen waren in blassem Dunst verschwunden. Immer noch regnete es. Das stetige Rauschen der Regenschleier, die über das Wasser jagten, tilgte jedes andere Geräusch.

Langsam wurde der Boden unter ihren Füßen fester. Dichtes Wurzelwerk wand sich unter dem Wasser und schien wie ein Netz den Schlamm einzufangen, um ihn zu einer Insel zu formen. Bald darauf erblickten sie einen weißen Turm inmitten des Sumpfes. So schien es zumindest zunächst – bis sich der Dunst so weit lichtete, dass zu erkennen war, dass es sich um einen jener gewaltigen Baumkönige handelte. Sein Stamm verlor sich hoch über ihnen zwischen Nebelschwaden und Regenschleiern, noch bevor die ersten Äste zur Seite strebten. Er war so mächtig, dass ihn wohl zwanzig Elfen mit ausgestreckten Armen nicht umspannen könnten.