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Das ließ tief blicken, wie sie über ihn dachte! »Gibt es andere Frauen, durch deren Tod wir ihn treffen können?«

Ich habe Spitzel an seinem Hof und ich weiß, dass er fast nie seinen Harem betritt. Sein Interesse an Weibern scheint nur von begrenzter Natur zu sein. Jetzt weilt er in der Goldenen Stadt in Nangog. Im Palast des Herrschers von Ischkuza.

»Plant er mit dem Strolch noch weitere Überfälle?«

Madyas trifft er dort nicht. Der Unsterbliche weilt irgendwo in den Steppen an seinem Wandernden Hof. Aaron verhandelt in der Goldenen Stadt mit Kanita, dem Statthalter des unsterblichen Madyas – obwohl er diesen auch selbst besuchen könnte. Mir scheint, sein wahrer Grund für den Aufenthalt dort ist ein anderer. Die Palastwache wird von einer jungen Frau befehligt. Von der siebenunddreißigsten Tochter des Madyas. Ein etwas burschikoses Mädchen …

»Du glaubst, er geht ihretwegen dorthin?«

Bisher ist das nur ein Verdacht, ja. Aber ich lasse die beiden beobachten.

»Und wenn er sie begehrt? Sollen wir sie dann töten?«

Sie zog ärgerlich die Brauen zusammen. Zu einfach! Auch wenn es letztlich darauf hinauslaufen mag. Ich wollte stattdessen vorschlagen, dass du mit dem Mädchen die Himmlische Hochzeit zum nächsten Mittsommerfest feierst. Ich glaube, das würde den unsterblichen Aaron noch wesentlich tiefer treffen. Wir sollten alle Vorbereitungen im Geheimen angehen und nicht verkünden, wer die nächste Himmelsbraut sein wird. Der beste Zeitpunkt, ihn erfahren zu lassen, dass du sie bestiegen hast, wäre kurz vor der Schlacht. Sie lächelte ihn an. Du wirst ihn zu einem läufigen Hund machen! Und dann wird er in seiner blinden Wut sein Heer höchstselbst gegen dich zum Angriff führen. Dort werden wir seine Unsterblichkeit auf die Probe stellen. Sie lächelte erneut, so wie nur Göttinnen lächeln können.

Muwatta erschauerte bei dem Gedanken an seine Rache. Sie hatte recht, das würde Aaron vernichten! Der Herrscher Arams war ein Träumer! Deshalb war er in der Hoffnung auf Frieden zur Himmlischen Hochzeit gekommen. Ja, dachte Muwatta, mit Ištas Hilfe würde er den Herrscher aller Schwarzköpfe zerbrechen! Allerdings hatte der Plan eine Schwäche. »Madyas hat vor wenigen Wochen erst die Söldner Arams unterstützt. Warum sollte er mir seine Tochter überlassen? Noch dazu, wo er um die Gefahr wissen wird, die mit dieser Hochzeit verbunden ist. Sollte seine Tochter nicht …«

Sie wird ganz gewiss nicht gebären! Ein Kind aus einer Verbindung zwischen den Unsterblichen von Luwien und Ischkuza … Das bringt nur Ärger! Wenn wir ihr das Richtige zu trinken geben, wird sie ganz gewiss kein Kind austragen, selbst wenn sie eines empfangen haben sollte. Ihr Blut wird den trockenen Acker des Tempels benetzen. Das steht bereits jetzt, vor dem Hochzeitsritual, fest.

»Aber warum sollte Madyas sie uns überlassen?«

Weil er Pferde liebt. Und weil er noch ein Dutzend andere Töchter hat. Wir müssen ihm nur die richtigen Pferde anbieten. Und genug davon. Dann wird er der Hochzeit mit Freuden zustimmen – selbst einer Himmlischen Hochzeit.

Muwatta nickte, und einmal mehr versank er in Ištas wundervollen Augen. Sie war so weise, so schön, so wunderbar. Und er selbst so schwach und makelbehaftet. Er hatte nur einen Ehrgeiz – ihr vollkommenes Werkzeug zu sein. Nein, ganz stimmte das nicht. Er wollte auch noch Aaron vernichten. Voller Vorfreude dachte er an das, was er mit der Steppenprinzessin tun würde.

Das Herz

Gonvalons Bericht war sehr nüchtern gewesen. Anfangs hatte Nandalee sich nur gewundert, doch je länger er sprach, desto mehr ärgerte sie sich. Er hatte doch dasselbe durchlitten wie sie und Bidayn! Ein Blick zu ihrer Freundin zeigte ihr, dass Bidayn wohl ganz ähnlich dachte. Ihre Hand war dick bandagiert und ein Gitterwerk von Narben lief über ihr Gesicht. Immer noch hielt sie den blutigen Wurzelknoten auf ihre Brust gepresst, den sie gefunden hatte, als sie aus der Ohnmacht erwacht waren. Oder der Trance. Oder der Geistreise … Wie auch immer man das nennen wollte, was mit ihnen in der Kristallhöhle geschehen war.

Sie alle drei standen in der weiten Halle unter der Pyramide. Der Dunkle lag in Drachengestalt auf seinem Thron. Fünf Tage lang hatte er sie nach ihrer Rückkehr warten lassen, während Nodon und die übrigen Drachenelfen sich um sie gekümmert hatten, so gut es ging. Nandalee war zu Tode erschöpft gewesen, als sie zurückkehrten, und Bidayn hatte den Schock ihrer mehrfachen Verwundungen bis zum heutigen Tag nicht überwunden. Immer wieder zuckte sie unwillkürlich zusammen und sah sich dann gehetzt um, als fürchte sie, der Ebermann hätte sie wiedergefunden. Gonvalon sprach von ihren Kämpfen, von den seltsamen Kreaturen, die durch die Himmel Nangogs flogen, aber das in ihren Augen bedeutsamste Ereignis hatte er kaum erwähnt. Sie alle hatten in der Kristallhöhle denselben Traum gehabt. Sie waren in das grüne Licht gestürzt. Und tief im Kristall hatte der mächtigste aller Grünen Geister sie erwartet. Das war Wirklichkeit gewesen. Aber wenn man Gonvalon sprechen hörte, war es nur eines von vielen seltsamen Ereignissen.

Ich danke Euch für Eure wohlgesetzten Worte, Schwertmeister Gonvalon

Die Stimme des Dunklen drang ungewohnt kühl in ihren Geist. Nandalee vermutete, dass der Drache zu ihnen allen zugleich sprach. Gonvalons Bericht hatte sie enttäuscht. Sie hatte ihn ausreden lassen, doch nun konnte sie sich nicht länger zurückhalten. »Aber da war etwas«, platzte es aus ihr heraus. »Da unten, tief im Licht … Es hat uns um Hilfe gebeten.«

»Hast du es denn mit deinen eigenen Augen gesehen?«, fragte Gonvalon.

Nandalee war überrascht, wie traurig er klang. »Aber wir alle haben es doch gesehen!«, beharrte sie.

Er schüttelte den Kopf. »Wir haben geträumt.«

»Wie können wir alle denselben Traum gehabt haben? Und was ist mit Bidayn? Das Wurzelholz ist aus ihrer Brust gewuchert. Sie war geheilt, als wir in der Kristallhöhle erwachten. Das wirst du doch nicht als einen Traum abtun wollen, Gonvalon! Das war dieses Wesen, dort unten im Licht! Das hat sie geheilt!«

»Oder jemand, der in die Kristallhöhle kam, als wir … schliefen. Noch bevor die Menschenkinder kamen«, entgegnete Gonvalon ruhig. »Wahrscheinlich waren es die Grünen Geister. Du weißt von uns allen am besten, wie machtvoll sie sind, Nandalee. Ich glaube sogar, dass sie uns diesen Traum eingegeben haben. Diese Welt ist fremd. Wir begreifen nicht alles, was uns widerfahren ist. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir uns allein an die Fakten halten. Aus Träumen kann man keine folgerichtigen Schlüsse ziehen.«

»Da war etwas, dort unten, tief im Kristall«, beharrte Nandalee. »Ich weiß, was ich weiß!«

»Und woher weißt du das?«, fragte Gonvalon eisig. »Du hast dich nicht gesehen. Du warst besessen. Du warst nicht mehr du selbst. Es war tagelang in dir! Wer weiß, ob nicht sogar etwas zurückgeblieben ist? Dieser Grüne Geist hat uns zu der Höhle gebracht. Das war von Anfang an sein Ziel. Sei doch nicht so verdammt leichtgläubig!«

»Und warum hat er das getan? Um uns Nangog zu zeigen! Welchen Sinn hätte unsere Reise sonst gehabt?«

»Der Sinn war, uns an einen Ort der Macht zu führen. An einen Ort, an dem er in uns alle drei fahren konnte, um uns etwas vorzugaukeln. Mein Verborgenes Auge ist für immer verschlossen und ich habe die Gabe zu zaubern verloren, aber selbst ich konnte spüren, welche Mächte in dieser Höhle wirkten. Lass dich nicht täuschen, Nandalee. Du und Bidayn, ihr beide wart nicht bereit für eine solche Mission, und ihr beide habt einen schrecklichen Preis dafür gezahlt. Die Welt Nangog ist uns nicht freundlich gesonnen. Man will uns in einen Krieg gegen die Menschenkinder hineinziehen. Das ist das ganze Geheimnis!«

Nie zuvor hatte Nandalee den Fechtmeister so aufgebracht gesehen. War es seine Sorge um sie und ihr Wohlergehen? War er wirklich überzeugt von dem, was er sagte?