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Tolpan kroch einen Pfad entlang, der sich unter den Bäumen dahinschlängelte, und war plötzlich dicht beim Halb-Elf, der allein an einem reißenden Fluß stand und Laub in das Wasser warf. Als er zu seiner Linken eine Bewegung wahrnahm, verkroch sich Tolpan schnell hinter einem Gebüsch. Laurana tauchte von einem anderen Pfad auf.

»Tanthalas Quisif nan-Pah!« rief sie.

Als Tanis sich bei dem Klang seines Namens umdrehte, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn. »Ugh«, sagte sie neckend und bog sich zurück. »Rasier diesen furchtbaren Bart ab. Er kratzt! Und du siehst gar nicht mehr wie Tanthalas aus.«

Tanis legte seine Hände um ihre Taille und schob sie sanft weg. »Laurana…«, begann er.

»Nein, sei jetzt nicht wegen des Barts eingeschnappt. Ich werde mich daran gewöhnen, wenn du darauf bestehst«, bat Laurana schmollend. »Küß mich! Nein? Dann küsse ich dich so lange, bis du nicht mehr anders kannst.« Sie küßte ihn immer wieder, bis sich Tanis schließlich aus ihrem Griff befreite.

»Hör auf, Laurana«, sagte er barsch und wandte sich ab.

»Warum, was ist los?« fragte sie und ergriff seine Hand. »Du warst so viele Jahre fort. Und jetzt bist du zurück. Sei nicht so kalt und düster. Du bist mein Verlobter, erinnerst du dich nicht mehr? Es ist normal, daß ein Mädchen ihren Verlobten küßt.«

»Das ist lange her«, sagte Tanis. »Damals waren wir Kinder und spielten ein Spiel, nichts weiter. Es war romantisch, geheimnisvoll. Du weißt, was geschehen wäre, wenn dein Vater dahintergekommen wäre. Gilthanas hat es herausgefunden, nicht wahr?«

»Natürlich! Ich habe es ihm erzählt«, sagte Laurana, ließ ihren Kopf hängen und sah Tanis durch ihre langen Wimpern an. »Ich erzähle Gilthanas alles, das weißt du. Ich habe nicht geahnt, daß er so reagieren würde! Ich weiß, was er dir damals gesagt hat. Er erzählte es mir später. Es ging ihm sehr schlecht.«

»Darauf werte ich.« Tanis ergriff ihre Handgelenke und hielt ihre Hände fest. »Er hatte recht, Laurana! Ich bin ein uneheliches Kind und ein Mischling. Dein Vater hätte jedes Recht gehabt, mich zu töten! Wie könnte ich Schande über ihn bringen, nach allem, was er für meine Mutter und für mich getan hatte? Das war ein Grund, warum ich fortging – und um herauszufinden, wer ich bin und wohin ich gehöre.«

»Du bist Tanthalas, mein Geliebter, und du gehörst zu mir!« schrie Laurana. Sie befreite sich aus seinem Griff und nahm seine Hände. »Sieh! Du trägst immer noch meinen Ring. Ich weiß, warum du fortgegangen bist. Du hattest Angst, mich zu lieben, aber du brauchst keine Angst mehr zu haben. Alles hat sich geändert. Vater hat so viele Probleme, es würde ihn nicht stören. Außerdem bist du jetzt ein Held. Bitte, laß uns heiraten. Ist das nicht der Grund, warum du zurückgekehrt bist?«

»Laurana«, Tanis sprach sanft, aber bestimmt, »meine Rückkehr war ein Zufall…«

»Nein!« schrie sie und schob ihn weg. »Ich glaube dir nicht.«

»Aber du mußt doch Gilthanas’ Geschichte kennen. Wenn Porthios uns nicht befreit hätte, wären wir jetzt in Pax Tarkas!«

»Er hat es erfunden! Er wollte mir nicht die Wahrheit sagen. Du bist zurückgekommen, weil du mich liebst. Etwas anderes will ich nicht hören.«

»Ich wollte es dir nicht sagen, aber es bleibt mir wohl nichts anderes übrig«, sagte Tanis ärgerlich. »Laurana, ich liebe eine andere – eine menschliche Frau. Sie heißt Kitiara. Das heißt nicht, daß ich dich nicht auch liebe. Ich…«, Tanis stockte.

Laurana starrte ihn an, aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen.

»Ich liebe dich, Laurana. Aber, verstehst du, ich kann dich nicht heiraten, weil ich sie auch liebe. Mein Herz ist gespalten, so wie mein Blut.« Er zog den Ring aus goldenen Efeublättern ab und reichte ihn ihr. »Ich entbinde dich von allen Versprechen, die du mir gegeben hast, Laurana. Ich bitte dich, auch mich zu entbinden.«

Laurana nahm den Ring, unfähig etwas zu sagen. Sie sah Tanis flehend an, doch als sie nur Mitleid in seinem Gesicht sah, schrie sie gellend auf und warf den Ring fort. Er fiel vor Tolpans Füße. Er hob ihn auf und ließ ihn in einen Beutel gleiten.

»Laurana«, sagte Tanis kummervoll, nahm sie in seine Arme, als sie wild aufschluchzte. »Es tut mir leid. Ich habe nie gewollt…«

An diesem Punkt entfernte sich Tolpan und ging wieder zu den anderen.

»Nun«, sagte der Kender zu sich und seufzte zufrieden, »jetzt weiß ich zumindest, was los ist.«

Tanis wurde plötzlich wach, als Gilthanas über ihm stand. »Laurana?« fragte er und erhob sich.

»Mit ihr ist alles in Ordnung«, sagte Gilthanas ruhig. »Ihre Mädchen haben sie nach Hause gebracht. Sie hat mir euer Gespräch erzählt. Ich will nur wissen, ob ich es richtig verstanden habe. Genau das habe ich die ganze Zeit befürchtet. Die menschliche Seite in dir schreit nach anderen Menschen. Ich habe versucht, ihr das zu erklären, habe gehofft, sie nicht zu verletzen. Jetzt wird sie mir zuhören. Vielen Dank, Tanthalas. Ich weiß, es war bestimmt nicht einfach.«

»Das war es wahrhaftig nicht«, sagte Tanis und schluckte. »Ich will ehrlich sein, Gilthanas – ich liebe sie, wirklich. Es ist nur…«

»Bitte, sag nichts mehr. Laß es, wie es ist, und vielleicht, wenn wir schon keine Freunde sein können, können wir uns wenigstens respektieren.« Gilthanas’ Gesicht wirkte im Sonnenuntergang abgespannt und blaß. »Du und deine Freunde müßt euch jetzt vorbereiten. Wenn der silberne Mond aufgeht, wird es ein Fest geben, und dann findet die Zusammenkunft des Obersten Rates statt. Es ist an der Zeit, Entscheidungen zu fällen.«

Er ging. Tanis sah ihm einen Moment nach, dann machte er sich seufzend daran, die anderen zu wecken.

7

Lebwohl. Die Entscheidung der Gefährten

Das Fest in Qualinost erinnerte Goldmund an den Totenschmaus nach der Beerdigung ihrer Mutter. Wie das Fest sollte die Bestattung ein fröhliches Ereignis sein – denn Tearsong war eine Göttin geworden. Aber für die Leute war es schwer, den Tod der schönen Frau zu akzeptieren. Und so hatten die Barbaren von Que-Shu ihr Dahinscheiden mit einem Gram betrauert, der an Gotteslästerung grenzte.

Der Leichenschmaus zu Ehren Tearsongs war das prunkvollste gewesen, was Que-Shu je erlebt hatte. Der trauernde Gatte hatte keine Kosten gescheut. Wie das Festessen in Qualinost an diesem Abend gab es Berge von Essen, die kaum bewältigt werden konnten. Es gab halbherzige Versuche, eine Unterhaltung zu führen, obwohl niemand reden wollte. Gelegentlich war einer, von Leid überwältigt, gezwungen, den Tisch zu verlassen.

Diese Erinnerung war so lebhaft, daß Goldmond wenig essen konnte; das Essen schmeckte ihr wie Asche. Flußwind betrachtete sie mit Sorge. Seine Hand fand die ihre unter dem Tisch, und sie umklammerte sie fest und lächelte, als seine Kraft in ihren Körper strömte.

Das Elfenfest fand im Hof südlich vom großen goldenen Turm statt. Um die Plattform aus Kristall und Marmor auf dem höchsten Hügel von Qualinost war keine Mauer, sie bot einen unbehinderten Ausblick auf die darunter liegende glitzernde Stadt, auf den dunklen Wald dahinter und sogar auf den tiefvioletten Rand des Tharkadangebirges weit im Süden.

Goldmond saß rechts neben der Stimme der Sonnen. Er versuchte, eine höfliche Unterhaltung zu führen, aber seine Sorgen und Probleme überwältigten ihn schließlich, und er verstummte.

Zur Linken der Stimme der Sonnen saß seine Tochter Laurana. Sie aß nichts, sondern saß nur mit gesenktem Kopf da, ihr langes Haar floß um ihr Gesicht. Wenn sie aufsah, dann nur, um Tanis’ Augen zu suchen.

Der Halb-Elf, sich den Blicken der Verzweifelten als auch Gilthanas’ kühler Beobachtung bewußt, aß wenig und ohne Appetit, seine Augen waren auf seinen Teller gerichtet. Sturm neben ihm überlegte sich Pläne für die Verteidigung von Qualinost.

Flint fühlte sich fremd und fehl am Platze, so wie sich Zwerge unter Elfen immer fühlen. Das Elfenessen schmeckte ihm sowieso nicht, und er lehnte alles ab. Raistlin knabberte geistesabwesend an den Köstlichkeiten, seine goldenen Augen musterten Fizban. Tika, die sich ebenfalls linkisch und fehl am Platze unter den anmutigen Elfenfrauen fühlte, bekam keinen Bissen hinunter. Caramon glaubte zu wissen, warum Elfen so schlank waren: Ihre Nahrung bestand nur aus Obst und Gemüse, mit delikaten Soßen verfeinert, mit Brot und Käse und einem sehr leichten, würzigen Wein serviert. Nach vier Tagen Hunger im Käfig wurde der Krieger davon einfach nicht satt.