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Die einzigen in Qualinost, die das Fest genossen, waren Tolpan und Fizban. Der alte Magier führte mit einer Espe einen einseitigen Streit, während Tolpan einfach alles genoß und später – zu seiner großen Überraschung – zwei goldene Löffel, ein silbernes Messer und eine Schale aus Perlmutt entdeckte, die in einen seiner Beutel gewandert waren.

Der rote Mond war nicht sichtbar. Lunitari begann abzunehmen – ein schmales silbernes Band im Himmel. Als die ersten Sterne erschienen, nickte die Stimme der Sonnen seinem Sohn traurig zu. Gilthanas erhob sich und stellte sich neben den Stuhl seines Vaters.

Gilthanas begann zu singen. Die Elfenworte flossen in eine zarte und wundersame Melodie. Während er sang, hielt Gilthanas eine kleine Kristallampe in beiden Händen, das Kerzenlicht bestrahlte seine marmornen Gesichtszüge. Tanis schloß bei dem Lied die Augen; sein Kopf versank in seinen Händen.

»Was ist es? Was bedeuten die Worte?« fragte Sturm leise.

Tanis hob den Kopf. Mit gebrochener Stimme flüsterte er:

»Die Sonne, Das herrliche Auge In unser aller Himmel, Verläßt den Tag
Und läßt Den verträumten Himmel Mit Feuerfliegen übersät, Die das Dunkel vertiefen.«

Die Elfen am Tisch erhoben sich nun leise, während sie in den Gesang einfielen. Ihr Gesang verwob sich zu einem unvergeßlichen Lied unendlicher Traurigkeit.

»Der Schlaf, Unser ältester Freund, Wiegt sich in den Bäumen Und ruft Uns zu sich.
Die Blätter Verbreiten kaltes Feuer, Verglühen zu Asche Am Ende des Jahres.
Und Vögel Bewegen sich im Wind Und fliegen zum Norden, Wenn der Herbst endet.
Der Tag wird dunkel, Die Jahreszeit kühl, Aber wir Erwarten der Sonne Grünes Feuer über Den Bäumen.«

Flackerndes Laternenlicht verbreitete sich vom Hof wie Wellen in einem ruhigen Teich durch die Straßen in die Wälder und noch weiter weg. Und mit jeder angezündeten Laterne stimmte ein anderer Elf in das Lied ein, bis der Wald selbst ein Lied voller Verzweiflung zu singen schien.

»Der Wind Taucht durch die Tage. In der Jahreszeit, während der Nacht Entstehen große Königreiche.
Der Atem Der Feuerfliege, des Vogels, Der Bäume, der Menschen Verblaßt in einem Wort.
Der Schlaf jetzt, Unser ältester Freund, Wiegt sich in den Bäumen Und ruft Uns zu sich.
Die unendlich lange Zeit, Die tausend Leben Der Menschen und ihre Geschichten Kehren in ihre Gräber ein.
Aber wir, Das ewige Volk Im Gedicht und in der Pracht, Verblassen im Lied.«

Gilthanas’ Stimme erstarb. Sanft blies er die Kerze seiner Lampe aus. Einer nach dem anderen beendete das Lied und blies seine Kerze aus. In ganz Qualinost erloschen die Stimmen und die Lichter, bis Stille und Dunkelheit über das Land zogen.

Dann erhob sich die Stimme der Sonnen.

»Und jetzt«, sagte er niedergeschlagen, »ist es Zeit für die Zusammenkunft des Obersten Rates. Sie wird im Himmelssaal stattfinden. Tanthalas, wenn du deine Gefährten dorthin führen würdest.«

Es stellte sich heraus, daß der Himmelssaal ein riesiger, von Fackeln beleuchteter Platz war. Über ihm erhob sich die Kuppel des Himmels und der glitzernden Sterne. Aber es war zu dunkel. Die Stimme der Sonnen machte Tanis Zeichen, die Gefährten in seine Nähe zu bringen, dann versammelten sich sämtliche Einwohner von Qualinost um sie. Es war nicht notwendig, für Ruhe zu sorgen. Selbst der Wind wurde still, als die Stimme der Sonnen zu sprechen begann.

»Hier seht ihr unsere Lage.« Er zeigte auf den Boden. Die Gefährten erblickten eine riesige Landkarte zu ihren Füßen. Tolpan, der mitten in den Ebenen von Abanasinia stand, holte tief Luft. Noch nie hatte er solch eine wunderschöne Karte gesehen.

»Da ist Solace!« rief er aufgeregt.

»Ja, Kenderkind«, erwiderte die Stimme der Sonnen. »Und dort sammeln sich die Drachenarmeen. In Solace« – er zeigte mit einem Stock auf die Stelle – »und in Haven. Lord Verminaard hat kein Geheimnis aus seinen Plänen gemacht, in Qualinost einzufallen. Er erwartet nur seine Streitkräfte und sichert die Versorgungswege. Wir können gegen diese Horde nicht ankämpfen.«

»Sicherlich ist Qualinost leicht zu verteidigen«, sagte Sturm. »Auf dem Landweg gibt es keine direkte Straße. Wir überquerten Brücken über Schluchten, die keine Armee überwinden könnte, wenn man die Brücken vernichtete. Warum erhebst du dich nicht gegen sie?«

»Wenn es nur eine Armee wäre, könnten wir Qualinost wohl verteidigen«, antwortete die Stimme der Sonnen. »Aber was können wir gegen Drachen ausrichten?« Die Stimme der Sonnen spreizte hilflos seine Hände. »Nichts! Nach den Legenden konnte der mächtige Huma nur mit der Drachenlanze die Drachen besiegen. Nun gibt es niemanden – zumindest wissen wir nichts davon – , der sich an das Geheimnis dieser mächtigen Waffe erinnert.«

Fizban wollte etwas sagen, aber Raistlin stieß ihn an.

»Nein«, fuhr die Stimme der Sonnen fort, »wir müssen diese Stadt und diese Wälder aufgeben. Wir planen, in den Westen zu gehen, in das unerforschte Land, wo wir hoffen, für unser Volk eine neue Heimat zu finden – oder wir kehren vielleicht nach Silvanesti zurück, der ältesten Elfenheimat. Vor einer Woche machten unsere Pläne gute Fortschritte. Der Drachenfürst wird einen dreitägigen Gewaltmarsch brauchen, um seine Männer in Angriffsposition zu bringen, und Spione werden uns informieren, wenn die Armee in Solace aufbricht. Wir hätten genügend Zeit gehabt, in den Westen zu flüchten. Aber dann erfuhren wir von der dritten Drachenarmee in Pax Tarkas, kaum mehr als eine Tagesreise von hier. Wenn diese Armee nicht aufgehalten wird, sind wir verloren.«

»Und du weißt einen Weg, um diese Armee aufzuhalten?« fragte Tanis.

»Ja.« Die Stimme der Sonnen sah zu seinem jüngsten Sohn. »Wie ihr wißt, werden Männer aus Torweg und Solace und den Nachbarortschaften in der Festung von Pax Tarkas gefangengehalten; sie arbeiten als Sklaven für den Drachenfürsten. Verminaard ist klug. Aus Furcht vor einer Sklavenrevolte hält er die Frauen und Kinder dieser Männer als Geiseln. Wir sind überzeugt, daß sich die Männer gegen ihre Herren wenden und sie vernichten würden, wenn wir diese Geiseln befreiten. Es war Gilthanas’ Mission, die Geiseln zu befreien und die Revolte anzuführen. Er hätte die Menschen nach Süden in die Berge gebracht, die dritte Armee aufgehalten und uns so Zeit zur Flucht gegeben.«

»Und was wäre dann mit den Menschen geschehen?« fragte Flußwind barsch. »Es scheint mir, daß du sie der Drakoarmee in den Rachen wirfst, so wie ein Verzweifelter Wölfen Fleischstücke zuwirft.«

»Lord Verminaard wird sie nicht mehr lange leben lassen, befürchte ich. Das Eisenerz ist fast erschöpft. Er wird noch jedes kleine Stück zusammentragen, aber dann werden die Sklaven für ihn nutzlos sein. In den Bergen gibt es Täler, Höhlen, wo die Menschen leben und den Drachenarmeen widerstehen könnten. Sie könnten leicht die Gebirgspässe gegen sie halten, besonders jetzt, da der Winter einsetzt. Zugegeben, einige werden sterben, aber das ist der Preis, der bezahlt werden muß. Wenn du die Wahl hättest, Mann aus den Ebenen, würdest du lieber in der Sklaverei oder kämpfend sterben?«