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»Das ist lächerlich!« sagte Tanis schnell. »Woher hätte er denn wissen sollen, daß wir kommen?«

»Wir haben unsere Reise von Xak Tsaroth nach Solace nicht direkt geheimgehalten«, entgegnete Sturm kühl. »Wir sahen überall auf dem Weg Drakonier, und jenen, die aus Xak Tsaroth entkommen konnten, mußte klar gewesen sein, daß wir wegen der Scheiben dort waren. Verminaard weiß wahrscheinlich besser, wie wir aussehen, als er seine Mutter kennt.«

»Nein! Das glaube ich nicht!« sagte Tanis wütend und blickte Sturm und Caramon haßerfüllt an. »Ihr irrt euch beide! Ich würde mein Leben darauf setzen. Ich bin mit Gilthanas aufgewachsen, ich kenne ihn! Ja, es bestand eine Feindschaft, aber wir haben darüber geredet, und die Sache ist erledigt. Ich glaube, er wird an dem Tag ein Verräter seines Volkes werden, wenn du oder Caramon zu Verrätern werdet. Und, nein, ich kenne nicht den Weg nach Pax Tarkas. Ich bin dort noch nie gewesen. Und noch eine Sache«, schrie Tanis jetzt völlig in Rage, »wenn ich Leuten in dieser Gruppe nicht traue, dann sind es dein Bruder und dieser alte Mann!« Er sah Caramon anschuldigend an.

Der große Mann wurde blaß und senkte seine Augen. Er begann sich umzudrehen. Tanis beruhigte sich wieder, plötzlich war ihm klar, was er gesagt hatte. »Es tut mir leid, Caramon.« Er legte seine Hand auf den Arm des Kriegers. »Ich meinte das nicht so. Raistlin hat mehr als einmal unser Leben auf dieser wahnsinnigen Reise gerettet. Es ist nur, daß ich nicht glauben kann, daß Gilthanas ein Verräter ist!«

»Wir wissen es, Tanis«, sagte Sturm ruhig. »Und wir vertrauen deinem Urteil. Aber – eine Nacht ist zu dunkel, um mit verschlossenen Augen herumzulaufen, wie es bei meinem Volk heißt.«

Tanis seufzte und nickte. Er legte die andere Hand auf Sturms Arm. Der Ritter drückte sie, und die drei Männer standen schweigend da. Dann verließen sie das Wäldchen und gingen zum Himmelssaal zurück. Sie konnten immer noch die Stimme der Sonnen mit seinen Kriegern reden hören.

»Was bedeutet Sla-Mori?« fragte Caramon.

»Geheimer Weg«, antwortete Tanis.

Tanis wachte erschrocken auf, seine Hand griff zum Dolch an seinem Gürtel. Eine dunkle Gestalt bückte sich zu ihm, löschte die Sterne über ihm aus. Er faßte schnell zu und zog die Person herunter und legte den Dolch an ihre Kehle.

»Tanthalas!« Beim Anblick der blitzenden Waffe wurde ein leiser Schrei ausgestoßen.

»Laurana!« keuchte Tanis.

Ihr Körper drückte sich an seinen. Er spürte sie zittern, und jetzt, da er völlig wach war, konnte er ihr langes Haar über ihre Schultern fließen sehen. Sie war nur in ein dünnes Nachtgewand gekleidet. Ihr Umhang war ihr in ihrem kurzen Kampf entglitten.

Laurana hatte impulsiv ihr Bett verlassen, nur einen Umhang gegen die Kälte übergezogen und war in die Nacht geschlüpft. Nun lag sie über Tanis’ Brust, zu verängstigt, um sich zu bewegen. Dies war eine Seite von Tanis, von der sie nie gewußt hatte. Ihr wurde plötzlich klar, daß sie nun tot wäre – mit aufgeschlitzter Kehle -, wenn sie ein Feind gewesen wäre.

»Laurana…«, wiederholte Tanis und steckte mit zitternder Hand den Dolch wieder in den Gürtel. Er schob sie fort und setzte sich, wütend auf sich, weil er sie erschreckt hatte, und wütend auf sie, weil sie etwas Tiefes in ihm geweckt hatte. Einen Moment lang, als sie auf ihn gelegen hatte, hatte er intensiv den Duft ihres Haares, die Wärme ihres schlanken Körpers, das Muskelspiel ihrer Oberschenkel, ihre weichen kleinen Brüste wahrgenommen. Laurana war ein Mädchen gewesen, als er gegangen war. Er war zu einer Frau zurückgekehrt – einer wunderschönen, begehrenswerten Frau.

»Was im Namen der Hölle machst du hier zu dieser nächtlichen Stunde?«

»Tanthalas«, sagte sie, schluckte, zog ihren Umhang dichter um sich. »Ich wollte dich bitten, deine Meinung zu ändern. Laß deine Freunde die Menschen in Pax Tarkas befreien. Du mußt mit uns kommen! Wirf dein Leben nicht fort. Mein Vater ist verzweifelt. Er glaubt nicht, daß der Plan funktioniert – ich weiß es genau. Aber er hat keine andere Wahl! Er trauert jetzt schon um Gilthanas, als wäre er tot. Ich werde meinen Bruder verlieren. Ich will dich nicht auch noch verlieren!« Sie schluchzte. Tanis sah sich flüchtig um. Vermutlich waren überall Elfenwachen aufgestellt. Wenn die Elfen ihn in dieser kompromittierenden Situation fanden…

»Laurana«, sagte er, faßte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Du bist kein Kind mehr. Du mußt endlich erwachsen werden. Ich lasse meine Freunde nicht allein auf dieser gefährlichen Reise. Mir ist das Risiko klar; ich bin nicht blind! Aber wenn wir die Menschen von Verminaard befreien und deinem Volk Zeit zur Flucht geben können, ist es eine Möglichkeit, die wir nutzen müssen! Es wird auch für dich eine Zeit kommen, Laurana, da du dein Leben für etwas riskieren mußt, von dem du überzeugt bist – etwas, das mehr als das Leben selbst ist. Verstehst du?«

Sie sah zu ihm auf durch ihre goldenen Haare. Sie hörte auf zu schluchzen und zu zittern. Sie sah ihn aufmerksam an.

»Verstehst du, Laurana?« wiederholte er.

»Ja, Tanthalas«, antwortete sie weich. »Ich verstehe.«

»Gut!« Er seufzte. »Dann geh jetzt wieder ins Bett. Schnell. Du hast mich in Gefahr gebracht. Wenn Gilthanas uns so sehen würde…«

Laurana erhob sich und entfernte sich schnell aus dem Wäldchen, huschte durch die Straßen und an den Häusern vorbei wie der Wind durch die Espen. Sich an den Wachen vorbeizuschleichen, um in das Haus ihres Vaters zu kommen, war einfach – sie und Gilthanas machten das seit ihrer Kindheit. Bevor sie in ihr Zimmer ging, stand sie einen Moment an der Tür ihrer Eltern und lauschte. Das Licht brannte noch. Sie konnte Pergamentpapier rascheln hören, dann etwas Beißendes riechen. Ihr Vater verbrannte Papiere. Sie hörte das sanfte Murmeln ihrer Mutter, die ihren Vater ins Bett rief. Laurana schloß im stummen Schmerz kurz die Augen, dann preßte sie ihre Lippen entschlossen zusammen und rannte durch den dunklen kühlen Flur zu ihrem Schlafgemach.

8

Zweifel. Hinterhalt. Ein neuer Freund

Die Elfen weckten die Gefährten vor der Morgendämmerung. Gewitterwolken verdunkelten den nördlichen Horizont und streckten sich wie greifende Finger nach Qualinost aus. Gilthanas erschien nach dem Frühstück, in eine blaue Tunika und ein Kettenhemd gekleidet.

»Hier ist Proviant«, sagte er und zeigte auf die Krieger, die in ihren Händen Pakete hielten. »Wir können euch auch mit Waffen oder Rüstungen versorgen, falls ihr etwas braucht.«

»Tika braucht eine Rüstung, einen Schild und ein Schwert«, sagte Caramon.

»Wir werden nachsehen, ob sich das machen läßt«, sagte Gilthanas, »obwohl ich nicht glaube, daß wir alles in ihrer Größe haben.«

»Wie geht es Theros Eisenfeld heute morgen?« fragte Goldmond.

»Es geht ihm gut, Klerikerin der Mishakal.« Gilthanas verbeugte sich respektvoll vor Goldmond. »Mein Volk wird ihn natürlich mitnehmen, wenn wir aufbrechen. Du solltest ihm Lebwohl sagen.«

Schon bald kam ein Elf mit einer Rüstung und einem leichten Kurzschwert für Tika zurück. Tikas Augen glänzten, als sie den Helm und den Schild sah. Beide waren auf Elfenart gearbeitet und mit Juwelen verziert.

Gilthanas nahm dem Elf Helm und Schild ab. »Ich muß mich noch bei dir bedanken, daß du mein Leben im Wirtshaus gerettet hast«, sagte er zu Tika. »Bitte nimm dies an. Es ist die Rüstung meiner Mutter, die sie bei Zeremonien trug, und sie stammt aus der Zeit der Sippenkriege. Eigentlich war sie meiner Schwester zugedacht, aber Laurana und ich glauben, daß du sie verdient hast.«

»Wie schön«, murmelte Tika und errötete. Sie nahm den Helm und sah dann verwirrt auf die restliche Rüstung. »Ich weiß nicht, wie man das anlegt«, gestand sie.

»Ich helfe dir«, bot Caramon eifrig an.

»Ich werde ihr helfen«, sagte Goldmond bestimmt. Sie hob die Rüstung auf und führte Tika in ein Wäldchen.