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»Sie ist ein Mädchen«, sagte Goldmond sanft. »Verstehst du nicht?«

Caramon blickte verständnislos drein. Er wußte, daß Tika ein Mädchen war. Was meinte Goldmond? Dann blinzelte er im plötzlichen Verstehen und stöhnte auf. »Nein, sie ist keine…«

»Doch.« Goldmond seufzte. »Sie ist es. Sie war noch nie mit einem Mann zusammen. Sie erzählte es mir, als ich ihr mit der Rüstung half. Sie hat Angst, Caramon. Sie hat eine Menge Geschichten gehört. Bedräng sie nicht. Sie möchte verzweifelt gern deine Zuneigung, und sie würde alles dafür tun. Aber laß sie nicht etwas machen, was sie später vielleicht bereuen würde. Wenn du sie wirklich liebst, wird die Zeit es erweisen, und sie wird auch die Süße des Augenblicks vergrößern.«

»Ich nehme an, du weißt, wovon du sprichst, nicht?« fragte Caramon und sah sie an.

»Ja«, sagte sie leise, und ihre Augen wanderten zu Flußwind. »Wir warten schon sehr lange, und manchmal ist der Schmerz unerträglich. Aber die Gesetze meines Volkes sind streng. Vermutlich ist das jetzt egal«, sagte sie immer leiser werdend, mehr zu sich als zu Caramon, »da wir die letzten Überlebenden sind. Aber auf eine Art wird es dadurch noch wichtiger. Wenn wir unser Gelübde abgelegt haben, werden wir als Mann und Frau zusammenkommen, aber vorher nicht.«

»Ich verstehe. Danke, daß du mir das über Tika gesagt hast«, sagte Caramon. Er klopfte Goldmond linkisch auf die Schulter und ging zu seinem Posten zurück.

Die Nacht ging schnell und ohne ein Zeichen des Verfolgers vorbei. Als sich die Wachen abwechselten, diskutierte Tanis mit Gilthanas Ebens Geschichte, erhielt aber keine zufriedenstellende Auskunft. Ja, der Mann hatte die Wahrheit erzählt. Gilthanas war unterwegs gewesen, als die Drakonier angegriffen hatten. Er hatte versucht, die Druiden zur Hilfe zu bewegen. Er war zurückgekehrt, als er die Schlachtgeräusche gehört hatte, und war dann am Kopf getroffen worden. Er erzählte Tanis dies mit leiser, bitterer Stimme.

Die Gefährten erwachten, als das schwache Morgenlicht durch den Spalt kroch. Nach einem hastigen Mahl packten sie ihre Sachen zusammen und gingen in den Tunnel des Sla-Mori.

An der Gabelung untersuchten sie beide Richtungen. Flußwind kniete sich nieder, um die Spuren näher anzusehen, und erhob sich mit verwirrtem Gesichtsausdruck.

»Es sind die von Menschen«, sagte er, »und zugleich sind sie es nicht. Außerdem gibt es noch Tierspuren – wahrscheinlich von Ratten. Der Zwerg hatte recht. Ich erkenne weder Spuren von Drakoniern noch von Goblins. Was jedoch merkwürdig ist, die Tierspuren enden genau hier, wo sich der Weg gabelt. Sie führen nicht in den rechten Gang, die anderen, diese seltsamen Spuren wiederum nicht in den linken.«

»Nun, welchen Weg nehmen wir?« fragte Tanis.

»Ich meine, keinen von beiden!« erklärte Eben. »Der Eingang ist immer noch geöffnet. Laßt uns umkehren.«

»Umkehren ist längst keine Möglichkeit mehr«, erwiderte Tanis kalt. »Ich würde dich gehen lassen, aber…«

»Aber du traust mir nicht«, beendete Eben den Satz. »Ich gebe dir keine Schuld, Tanis Halb-Elf. In Ordnung, ich habe meine Hilfe zugesagt, und es war mein Ernst. Welchen Weg – links oder rechts?«

»Das Böse kommt von rechts«, flüsterte Raistlin.

»Gilthanas?« fragte Tanis. »Weißt du, wo wir überhaupt sind?«

»Nein, Tanthalas«, antwortete der Elf. »Nach den Legenden gibt es viele Eingänge von Sla-Mori nach Pax Tarkas – und alle sind geheim. Nur den Elfenpriestern war es erlaubt, hierher zu kommen, um die Toten zu ehren. Ein Weg ist genauso gut wie der andere.«

»Oder genauso schlecht«, flüsterte Tolpan Tika zu. Sie schluckte und trat näher zu Caramon.

»Wir gehen nach links«, entschied Tanis, »da Raistlin bei dem rechten Weg unangenehme Empfindungen hat.«

Die Gefährten folgten dem staubigen Tunnel einige hundert Meter mit Hilfe von Raistlins leuchtendem Stab des Magus, bis sie auf eine uralte Steinmauer stießen, die ein riesiges Loch aufwies. Raistlins schwaches Licht beleuchtete nur undeutlich die entfernten Mauern einer großen Halle dahinter.

Die Krieger traten mit dem Magier, der seinen Stab hochhielt, durch das Loch. Die riesige Halle mußte einst prachtvoll gewesen sein, aber nun war sie derart vom Verfall heimgesucht, daß ihre einstige Pracht erbärmlich und grausig wirkte. Zwei Reihen zu je sieben Säulen verliefen durch den Saal. Einige Säulen lagen zerstört auf dem Boden. Teilweise war die Wand eingestürzt, Beweis für die zerstörerische Kraft der Umwälzung. Am anderen Ende des Saales entdeckten sie bronzene Doppeltüren.

Raistlin ging voran, und die übrigen folgten mit gezogenen Schwertern. Plötzlich gab Caramon im vorderen Teil des Saales einen gedämpften Schrei von sich. Der Magier eilte mit seinem Licht zu der Stelle, auf die Caramon mit zitternder Hand zeigte.

Vor ihnen stand ein massiver granitener Thron mit Gravuren. Zwei riesige Marmorstatuen flankierten den Thron; ihre blinden Augen starrten in die Dunkelheit. Doch der von ihnen bewachte Thron war nicht leer. Auf ihm saß ein Skelett, die beinernen Reste eines Mannes, man konnte nicht sagen, von welcher Rasse. Die Figur war in königliche Roben gekleidet, die trotz des Verfalls immer noch einen Eindruck ihres großen Wertes vermittelten. Ein Umhang bedeckte die Schultern. Eine Krone glänzte auf dem fleischlosen Schädel. Die Knochenhände hielten ein Schwert, das in einer Scheide steckte.

Gilthanas fiel auf die Knie. »Kith-Kanan«, sagte er flüsternd. »Wir befinden uns in der Halle der Urahnen, seiner Grabstätte. Niemand hat dies gesehen, seitdem die Elfenkleriker mit der Umwälzung verschwunden sind.«

Tanis starrte den Thron an, bis er langsam von Gefühlen überwältigt wurde, die er nicht verstand, und niederkniete. »Fealan thalos. Im murguanethi. Sai Kith-Kananoth Murtari Larion«, murmelte er in Huldigung des größten der Elfenkönige.

»Was für ein wunderschönes Schwert«, sagte Tolpan, seine schrille Stimme brach die ehrfürchtige Stille. Tanis sah ihn streng an. »Ich will es ja nicht mitnehmen!« protestierte der Kender mit verletztem Blick. »Ich habe es nur erwähnt, als… einen interessanten Gegenstand.«

Tanis erhob sich. »Berühr es ja nicht«, befahl er dem Kender streng, dann machte er sich daran, den restlichen Saal zu überprüfen.

Als Tolpan näher getreten war, um sich das Schwert genauer anzusehen, war Raistlin mit ihm gekommen. Der Magier begann zu murmeln: »Tsaran korilath ith hakon«, und bewegte seine magere Hand in einem vorgeschriebenen Muster schnell über das Schwert. Die Waffe flimmerte in einem schwachen Rot auf. Raistlin lächelte und sagte leise: »Es ist verzaubert.«

Tolpan keuchte: »Ein guter oder ein böser Zauber?«

»Das kann ich nicht erkennen«, wisperte der Magier. »Aber da es schon so lange unbenutzt hier liegt, würde ich es nicht wagen, das Schwert zu berühren!«

Dann wandte er sich um und ließ Tolpan allein, der sich fragte, ob er ungehorsam sein und das Risiko, in irgendein schleimiges Ungeheuer verwandelt zu werden, auf sich nehmen sollte.

Während der Kender mit der Versuchung kämpfte, untersuchten die anderen die Wände nach Geheimtüren. Flint half ihnen mit Erfahrungsberichten über von Zwergen gebaute Geheimtüren. Gilthanas ging auf die zwei riesigen Bronzetüren zu. Auf einer befand sich eine Reliefkarte von Pax Tarkas, die er zusammen mit Raistlin studierte.

Caramon warf einen letzten Blick auf das Skelett des seit Urzeiten toten Königs und gesellte sich dann zu Sturm und Flint, die immer noch nach Geheimtüren suchten. Schließlich rief Flint: »Tolpan, du unnützer Kender, das ist doch dein Spezialgebiet. Zumindest prahlst du immer, wie du die Tür gefunden hast, die über hundert Jahre lang in Vergessenheit geraten war und zu dem großen Juwel von irgend jemand führte.«

»Es war auch so ein Ort wie dieser hier«, sagte Tolpan, der sein Interesse am Schwert vergaß. Er wollte gerade zu ihnen flitzen, als er plötzlich innehielt.