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»Ich weiß, Tanthalas«, sagte Laurana bittend. Ihre Stimme zitterte und bebte. »Du hast mir gesagt, es wird eine Zeit kommen, da man sein Leben riskieren muß für etwas, woran man glaubt. Die Zeit ist gekommen.«

»Du hättest getötet werden können…«, fing Gilthanas an.

»Aber ich wurde nicht getötet!« rief Laurana herausfordernd. »Ich wurde zur Kriegerin ausgebildet – wie alle Frauen, in Erinnerung an eine Zeit, als wir neben unseren Männern um unsere Heimat kämpften.«

»Es war keine ernsthafte Ausbildung…«, hob Tanis ärgerlich an.

»Ich bin euch gefolgt, oder nicht?« fragte Laurana und warf Sturm einen Blick zu. »Geschickt?« fragte sie den Ritter.

»Ja«, gab er zu.

»Trotzdem, das heißt nicht…«

Raistlin unterbrach ihn. »Wir vergeuden nur Zeit«, flüsterte der Magier. »Ich jedenfalls will nicht länger als nötig in dieser feuchten, modrigen Höhle verbringen.« Er konnte kaum atmen. »Das Mädchen hat seine Entscheidung gefällt. Wir können keinen entbehren, der sie zurückbringt. Noch können wir ihr vertrauen, daß sie allein zurückgeht. Sie könnte gefangengenommen werden und unsere Pläne verraten. Wir müssen sie mitnehmen.«

Tanis starrte den Magier zornig an, er haßte ihn für seine kalte, gefühllose Logik und dafür, daß er recht hatte. Der Halb-Elf stand auf und zerrte Laurana hoch. Er war nahe dabei, sie zu hassen, ohne den Grund zu verstehen; er wußte nur, daß sie eine schwierige Aufgabe nur noch schwerer machte.

»Du wirst auf dich gestellt sein«, sagte er ihr leise, während sich die anderen erhoben und ihre Sachen zusammensuchten. »Ich kann nicht herumhängen und auf dich aufpassen. Noch kann es Gilthanas. Du benimmst dich wie ein verwöhntes Balg. Ich sagte dir schon einmal – du solltest endlich erwachsen werden. Nun, wenn du es nicht willst, wirst du vielleicht sterben und uns andere womöglich in den Tod mitreißen.«

»Es tut mir leid, Tanthalas«, sagte Laurana und wich seinem zornigen Blick aus. »Aber ich konnte dich nicht verlieren, nicht noch einmal. Ich liebe dich.« Ihre Lippen wurden schmal, und sie sagte leise: »Du wirst noch stolz auf mich sein.«

Tanis drehte sich um und ging weg. Als er Caramons grinsendes Gesicht sah und Tika kichern hörte, wurde er rot. Er ignorierte sie und gesellte sich zu Sturm und Gilthanas. »Anscheinend müssen wir den rechten Gang nehmen, egal welche Empfindungen Raistlin dabei hat.« Er hängte sich sein neues Schwert um und bemerkte Raistlins Blick, der auf der Waffe ruhte.

»Was ist denn jetzt wieder?« fragte er gereizt.

»Das Schwert ist verzaubert«, sagte Raistlin hustend. »Wie bist du da dran gekommen?«

Tanis schreckte hoch. Er starrte auf die Klinge. Seine Hand zuckte zurück, als ob die Waffe sich in eine Schlange verwandelt hätte. Er runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. »Es war in der Nähe des Elfenkönigs. Ich suchte etwas, um es auf die Schnecke zu werfen, als ich das Schwert plötzlich in meiner Hand hielt. Es wurde aus der Scheide genommen und…« Tanis stockte, schluckte.

»Ja?« drängte Raistlin, seine Augen glitzerten interessiert.

»Er gab es mir«, sagte Tanis leise. »Ich erinnere mich; seine Hand berührte meine. Er hat es aus der Scheide gezogen.«

»Wer?« fragte Gilthanas. »Keiner von uns war in der Nähe.«

»Kith-Kanan.«

10

Die Königsgarde. Der Kettenraum

Vielleicht war es nur Einbildung, aber die Dunkelheit schien zuzunehmen, je tiefer sie in den Tunnel vordrangen, und die Luft wurde kälter. Auch ohne Erklärung des Zwerges wußten alle, daß in einer Höhle die Temperatur normalerweise gleich blieb. Sie stießen auf eine Abzweigung im Tunnel, aber keiner wollte links abbiegen, da dieser Weg sie vielleicht in die Halle der Urahnen zurückführen würde.

»Durch den Elf wären wir beinahe von der Schnecke getötet worden«, sagte Eben anklagend. »Ich frage mich, was er hier noch für uns auf Lager hat.«

Niemand antwortete. Inzwischen spürten alle zunehmend das Böse, vor dem Raistlin sie gewarnt hatte. Sie verlangsamten ihren Schritt, einzig und allein durch den Gruppenwillen kamen sie weiter. Lauranas Muskeln zogen sich vor Furcht zusammen, und sie stützte sich an der Wand ab. Sie sehnte sich danach, daß Tanis sie tröstete und beschützte, so wie früher, als sie sich im Spiel Feinde vorgestellt hatten, aber er führte mit ihrem Bruder die Gruppe an. Jeder mußte mit seiner Angst selbst fertigwerden. In diesem Moment entschied sich Laurana, daß sie eher sterben würde, als um Hilfe zu bitten, und es wurde ihr wirklich ernst, daß sie Tanis auf sich stolz machen wollte. Sie schob sich von der Tunnelwand fort, biß die Zähne zusammen und ging weiter.

Plötzlich endete der Tunnel. Neben dem Loch lagen Geröll und Schutt. Der intensive Eindruck von Bösartigkeit dahinter berührte die Gefährten wie unsichtbare Finger. Die Gefährten hielten inne, keiner von ihnen – nicht einmal der kaltblütige Kender – wagte durch das Loch zu klettern.

»Ich habe zwar keine Angst«, vertraute Tolpan flüsternd Flint an. »Es ist nur so, daß ich lieber woanders wäre.«

Das Schweigen wurde bedrückend. Jeder konnte sein Herz schlagen und das Atmen der anderen hören. Das Licht flackerte in der zitternden Hand des Magiers.

»Nun, wir können hier nicht ewig stehen«, sagte Eben heiser. »Der Elf soll vorgehen. Er hat uns schließlich hierher gebracht!«

»Ich gehe«, antwortete Gilthanas. »Aber ich brauche Licht.«

»Keiner außer mir darf den Stab berühren«, zischte Raistlin. Er hielt inne, dann fügte er widerstrebend hinzu. »Ich komme mit dir.«

»Raist…«, begann Caramon, aber sein Bruder starrte ihn kühl an. »Ich komme auch mit«, murmelte der Krieger.

»Nein«, sagte Tanis. »Du bleibst hier und beschützt die anderen. Gilthanas, Raistlin und ich gehen.«

Gilthanas trat durch das Loch, der Magier und Tanis folgten ihm. Das Licht enthüllte eine enge Kammer, die weiter hinten wieder in der Dunkelheit verschwand. An den beiden Längsseiten befanden sich Reihen von großen Steintüren, die von Eisenscharnieren an den Wänden gehalten wurden. Raistlin hielt den Stab höher und beleuchtete die düstere Kammer. Allen war bewußt, daß sich hier das Böse zentrierte.

»An den Türen sind Ornamente«, murmelte Tanis. Das Licht des Stabes ließ die Steingravuren deutlich hervortreten.

Gilthanas starrte sie an. »Das königliche Wappen!« sagte er mit erstickter Stimme.

»Was bedeutet das?« fragte Tanis.

»Wir sind in der Gruft der Königsgarde«, wisperte Gilthanas. »Sie sind an Schwüre gebunden, ihre Pflichten selbst nach dem Tod weiter auszuüben und den König zu bewachen – so heißt es in den Legenden.«

»Und so werden Legenden lebendig!« keuchte Raistlin und packte Tanis am Arm. Tanis hörte, wie sich riesige Steinblöcke verschoben, wie verrostete Eisenscharniere knirschten. Er wandte sich um und sah alle Steintüren aufschwingen! Die Kammer füllte sich mit einer Kälte, daß Tanis’ Finger steif wurden. Hinter den Steintüren bewegte sich etwas.

»Die Königsgarde! Es waren ihre Spuren!« flüsterte Raistlin hektisch. »Menschlich und nichtmenschlich. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit!« sagte er und hielt Tanis noch fester. »Anders als die Geister im Düsterwald haben diese hier nur einen Gedanken – alles zu vernichten, was die Ruhe des Königs stört!«

»Wir müssen es versuchen!« sagte Tanis und befreite sich aus der festen Umklammerung des Magiers. Er taumelte zum Eingang zurück, fand ihn aber von zwei Gestalten blockiert.

»Geht zurück!« keuchte Tanis. »Lauft! Wer – Fizban? Nein, du verrückter alter Mann! Wir müssen rennen! Die tote Garde…«

»Beruhige dich«, murmelte der alte Mann. »Junges Volk. Panikmacher.« Er drehte sich um und half jemandem beim Eintreten. Es war Goldmond.

»Es ist alles in Ordnung, Tanis«, sagte sie. »Sieh her.« Sie zog ihren Umhang beiseite: Ihr Amulett leuchtete blau. »Fizban meint, sie würden uns vorbeilassen, wenn sie das Amulett sehen. Und als er das sagte, begann es zu strahlen!«