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»Der Weg ins Innere von Pax Tarkas führt durch eine Geheimtür«, wiederholte Gilthanas. Bevor ihn jemand aufhalten konnte, griff er nach unten und zog den Stein hervor. Die Tür erbebte und begann sich lautlos zu öffnen.

»Das wirst du bedauern!« Raistlin schluckte.

Die Tür glitt auf und gab den Blick frei in einen großen Raum, der mit gelben, ziegelsteinförmigen Gegenständen gefüllt war, über denen eine dicke Staubschicht lag.

»Eine Schatzkammer!« rief Eben. »Wir haben den Schatz von Kith-Kanan gefunden!«

»Alles Gold«, sagte Sturm kühl. »In diesen Tagen wertlos, da nur noch Eisen zählt…« Seine Stimme brach ab, seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.

»Was ist das?« fragte Caramon und zog sein Schwert.

»Ich weiß nicht!« antwortete Sturm keuchend.

»Ich weiß es!« Raistlin atmete schwer, als das Ding vor seinen Augen Form annahm. »Es ist der Geist einer verruchten Elfe! Ich habe euch gewarnt!«

»Mach etwas!« sagte Eben, der zurückstolperte.

»Steckt eure Waffen weg, Dummköpfe!« befahl Raistlin. »Ihr könnt sie nicht bekämpfen! Ihre Berührung bedeutet Tod, und wenn sie jammert, sind wir verloren, solange wir uns in diesem Gemäuer befinden. Schon ihre klagende Stimme tötet. Lauft, lauft alle! Schnell! Durch die Südtür!«

Noch als sie zurückwichen, nahm die Dunkelheit in der Schatzkammer Form an, wuchs zu den eisigschönen, verzerrten Umrissen einer Frau zusammen – einer bösartigen Elfe aus vergangenen Zeiten, die für unsagbare Verbrechen hingerichtet worden war. Dann harten mächtige Elfenmagier ihren Geist gekettet und ihn gezwungen, den Schatz des Königs zu bewachen. Beim Anblick dieser Lebewesen streckte sie ihre Hände aus, nach der Wärme von Fleisch verlangend, und öffnete ihren Mund, um ihr Leid und ihren Haß auf alles Leben herauszuschreien.

Die Gefährten wandten sich um und flohen, stolperten in ihrer Eile übereinander. Caramon fiel über seinen Bruder und riß den Stab aus Raistlins Hand. Der Stab polterte zu Boden, sein Licht glühte noch, denn nur die Flammen eines Drachen konnten den magischen Kristall zerstören. Aber nun flackerte das Licht über den Boden und tauchte den restlichen Raum in Dunkelheit.

Als er seine Beute entkommen sah, flatterte der Geist in den Kettenraum, seine greifende Hand berührte Eben an der Wange. Der schrie bei der eiskalt brennenden Berührung auf und brach zusammen. Sturm fing ihn auf und zog ihn durch die Tür, während Raistlin seinen Stab ergriff und mit Caramon nach draußen sprang.

»Sind alle da?« fragte Tanis, der zögerte, die Tür zu schließen. Dann hörte er ein leises, klagendes Geräusch, so erschreckend, daß sein Herz einen Moment lang aussetzte. Furcht ergriff ihn. Er konnte nicht atmen. Das Wehleiden hörte auf. Der Geist holte Atem, um wieder zu jammern.

»Keine Zeit!« keuchte Raistlin. »Schließ die Tür, Bruder!«

Caramon warf sich gegen die Bronzetür. Sie schlug krachend zu.

»Das wird sie nicht aufhalten!« schrie Eben panisch.

»Nein«, erwiderte Raistlin leise. »Ihre Magie ist mächtig, mächtiger als meine. Ich kann einen Zauber auf die Tür werfen, aber es wird mich zu sehr schwächen. Ich schlage vor, ihr lauft, solange ihr könnt. Falls es nicht klappt, kann ich sie vielleicht aufhalten.«

»Flußwind, führ die anderen weiter«, befahl Tanis. »Sturm und ich bleiben hier bei Raistlin und Caramon.«

Die anderen krochen in den dunklen Korridor und sahen mit fasziniertem Entsetzen zurück. Raistlin ignorierte sie und überreichte seinem Bruder den Stab. Der Kristall hörte bei der fremden Berührung zu leuchten auf.

Der Magier legte beide Hände auf die Tür, preßte die Handflächen flach gegen sie. Er schloß seine Augen, versuchte, sich nur auf die Magie zu konzentrieren. »Kalisan budrunin…« Seine Konzentration wurde durch eine schreckliche Kälte gestört.

Die verruchte Elfe! Sie hatte seinen Zauber erkannt und versuchte, ihn zu brechen! Bilder von seiner Schlacht mit einer anderen bösartigen Elfe in den Türmen der Erzmagier erstanden vor seinen Augen. Er versuchte, die schlimme Erinnerung des Kampfes, der seinen Körper und beinahe seinen Geist zerstört hatte, auszulöschen, aber er verlor die Kontrolle. Er hatte die Zauberworte vergessen! Die Tür bebte. Die Elfe kam durch die Tür!

Dann, irgendwo im Innern des Magiers, entstand eine Stärke, die er schon zweimal zuvor erlebt hatte – in den Türmen und am Altar des schwarzen Drachen in Xak Tsaroth. Die vertraute Stimme, die er im Geist klar verstand, aber nicht identifizieren konnte, sprach zu ihm die Zauberworte. Raistlin schrie sie mit kräftiger, klarer Stimme, die nicht seine eigene war, heraus: »Kalisan, budrunin karaemarath!«

Von der anderen Seite der Tür erscholl ein Wimmern der Enttäuschung, des Scheiterns. Die Tür hielt stand. Der Magier brach zusammen.

Caramon reichte Eben den Stab, als er seinen Bruder aufhob und den anderen folgte, die sich im Dunkeln vorwärtstasteten. Eine weitere Geheimtür ließ sich mühelos von Flint öffnen. Sie führte zu einer Reihe kleiner Tunnel, die mit Schutt gefüllt waren. Zitternd vor Angst setzten die Gefährten erschöpft ihren Weg fort. Schließlich traten sie in einen riesigen, weiten Raum ein, der vom Boden bis zur Decke mit Holzkisten gefüllt war. Flußwind zündete eine Fackel an der Wand an. Die Kisten waren zugenagelt. Einige waren mit der Aufschrift SOLACE, andere mit TORWEG versehen.

»Wir sind da. Wir sind im Innern der Festung«, sagte Gilthanas triumphierend.

»Den wahren Göttern sei Dank!« seufzte Tanis und sank zu Boden, die anderen ließen sich neben ihn fallen. Da bemerkten sie, daß Fizban und Tolpan fehlten.

11

Verloren. Der Plan. Verrat

Tolpan konnte sich später nicht mehr genau an jene letzten panischen Momente im Kettenraum erinnern. Er wußte nur noch, daß er gefragt hatte: »Eine verrückte Elfe? Wo?« und sich auf die Zehenspitzen gestellt und versucht hatte, etwas zu erkennen, als plötzlich der leuchtende Stab auf den Boden fiel. Er hörte Tanis schreien und dann ein klagendes Geräusch, das den Kender jedes Gefühl dafür verlieren ließ, wo er war und was er machte. Dann griffen kräftige Hände um seine Hüften und hoben ihn in die Luft.

»Kletter hoch!« rief ihm eine Stimme zu.

Tolpan streckte seine Hände aus, fühlte das kalte Metall der Kette und begann zu klettern. Er hörte eine Tür zuschlagen und dann wieder das eisige Klagen der bösen Elfe. Diesmal klang es nicht tödlich, sondern eher wie ein Aufschrei der Wut. Tolpan hoffte, daß seine Freunde hatten fliehen können.

»Ich frage mich, wie ich sie wiederfinden soll«, sprach er leise zu sich und fühlte sich einen Moment lang entmutigt. Dann hörte er Fizban murmeln und wurde wieder munter. Er war nicht allein.

Dichte, schwarze Dunkelheit hüllte den Kender ein. Er kletterte allein mit Hilfe seines Tastsinnes und wurde sehr müde, als kalte Luft seine rechte Wange berührte. Er spürte, daß sie den Mechanismus erreicht hatten. Wenn er doch nur sehen könnte! Dann fiel ihm ein, daß er mit einem Magier zusammen war.

»Wir könnten Licht gebrauchen!« rief Tolpan.

»Ein Kampf? Wo?« Fizban ließ fast die Kette los.

»Kein Kampf! Licht!« sagte Tolpan und hielt sich an einem Kettenglied fest. »Ich glaube, wir sind jetzt fast oben und sollten uns wirklich einmal umschauen.«

»Ja, natürlich. Laß mich sehen, Licht…« Tolpan hörte den Magier in seinen Beuteln wühlen. Anscheinend hatte er gefunden, was er suchte, denn er stieß einen kleinen Triumphschrei aus, sprach ein paar Worte, und eine kleine blaugelbe Wölkchenflamme erschien, die dicht am Hut des Magiers schwebte.

Das glühende Wölkchen zischte hoch, tanzte um Tolpan, wie um den Kender zu beschauen, dann kehrte es zum stolzen Magier zurück. Tolpan war entzückt. Er hatte jede Menge Fragen über dieses wunderbare Wölkchen, aber seine Arme wurden lahm, und auch der alte Magier war am Ende seiner Kräfte. Er wußte, sie sollten lieber einen Weg finden, um von der Kette wegzukommen.