»Was siehst du im Süden?« fragte Tanis plötzlich.
Raistlin warf ihm einen kurzen Blick zu. »Was sollte ich schon sehen mit meinen Augen, Halb-Elf?« flüsterte der Magier bitter. »Ich sehe Tod, Tod und Zerstörung. Ich sehe Krieg.« Er zeigte nach oben. »Die Konstellationen haben sich nicht geändert. Die Königin der Finsternis ist nicht besiegt.«
»Wir haben vielleicht nicht den Krieg gewonnen«, begann Tanis, »aber auf alle Fälle haben wir eine große Schlacht…«
Raistlin hustete und schüttelte traurig den Kopf.
»Hast du keine Hoffnung?«
»Hoffnung ist die Leugnung der Wirklichkeit. Es ist, als ob einem Zugpferd eine Rübe verlockend vor das Maul gehalten wird, um es am Weiterlaufen zu halten, und das Pferd versucht vergeblich, die Rübe zu erreichen.«
»Meinst du, wir sollten einfach aufgeben?« fragte Tanis und warf verärgert das Stück Holz weg.
»Ich meine, wir sollten die Rübe entfernen und mit offenen Augen weitergehen«, antwortete Raistlin. Er hustete wieder und zog seinen Umhang enger um sich. »Wie willst du die Drachen bekämpfen, Tanis? Denn es werden noch mehr kommen! Mehr als du dir vorstellen kannst! Und wo ist jetzt Huma? Wo ist jetzt die Drachenlanze? Nein, Halb-Elf. Erzähl mir nichts von Hoffnung.«
Tanis antwortete nicht, und auch der Magier schwieg jetzt. Beide saßen schweigend da, einer starrte weiterhin in den Süden, der andere sah in die große Leere im glitzernden Sternenhimmel.
Tolpan wich in das weiche Gras hinter den Kiefern zurück. »Keine Hoffnung!« wiederholte der Kender düster, es tat ihm leid, dem Halb-Elf gefolgt zu sein. »Ich glaube es nicht«, sagte er, aber seine Augen gingen zu Tanis, der in die Sterne blickte. Aber Tanis glaubt es, wurde dem Kender klar, und der Gedanke erfüllte ihn mit Grauen.
Seit dem Tod des alten Magiers war eine unmerkliche Veränderung bei dem Kender eingetreten. Tolpan begann in Erwägung zu ziehen, daß dieses Abenteuer ernst war, daß es um etwas ging, für das Leute ihr Leben opferten. Er fragte sich, warum er dabei war, und dachte, daß er Fizban vielleicht bereits die Antwort gegeben hatte – die kleinen Dinge, die er tun sollte, waren irgendwie im großen Schema aller Dinge wichtig.
Aber bis jetzt war es dem Kender nie in den Sinn gekommen, daß alle Bemühungen umsonst sein konnten, daß sie weiter leiden und Freunde verlieren konnten, wie Fizban, und daß die Drachen am Ende doch gewinnen würden.
»Trotzdem«, sagte der Kender leise, »müssen wir weiter versuchen und hoffen. Das ist das Wichtigste – das Versuchen und das Hoffen. Vielleicht ist das überhaupt das Wichtigste.«
Etwas schwebte sanft vom Himmel herab und strich über die Nase des Kenders. Tolpan streckte seine Hand aus, um es aufzufangen.
Es war eine kleine weiße Hühnerfeder.