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Aber noch während er dieses Gebet stumm aufsagte, von dem er hoffte, es würde sein letztes auf Krynn sein, fiel ein Schatten, dunkler als die Sturmwolken, über sie. Tanis hörte Flußwind aufschreien und Goldmond kreischen, aber ihre Stimmen gingen im Toben des Wassers unter, als das Schiff im Zentrum des Mahlstroms zu sinken begann. Benommen sah Tanis nach oben und erblickte die feurigroten Augen eines blauen Drachen, der durch die schwarzen, wirbelnden Wolken leuchtete. Auf seinem Rücken saß Kitiara.

Nicht willens, die Beute aufzugeben, die sie zu einem glorreichen Sieg führen würde, hatten Kit und Skie sich durch den Sturm gekämpft, und jetzt flog der Drache mit ausgestreckten Klauen direkt auf Berem zu. Es war, als wären die Füße des Mannes auf dem Deck angenagelt. In traumähnlicher Hilflosigkeit starrte er auf den herabstürzenden Drachen.

Tanis riß sich hoch und warf sich auf Berem, als das blutrote Wasser um ihn wirbelte. Er traf ihn in den Magen und schlug ihn nach hinten, gerade als eine Welle über sie brach. Tanis hielt sich an etwas fest; er wußte nicht, was es war, und klammerte sich an das Deck, als es sich unter ihm neigte. Dann richtete sich das Schiff wieder auf. Als er hochsah, war Berem verschwunden. Über sich hörte er den Drachen vor Wut aufkreischen.

Und dann schrie Kitiara und zeigte auf Tanis. Skies feuriger Blick richtete sich auf ihn. Tanis hob seinen Arm, als könnte er den Drachen abwehren, und sah in die zornigen Augen des Tieres, das im peitschenden Wind wild kämpfte.

So ist das Leben, dachte der Halb-Elf, als er die Klauen des Drachen über sich sah. So ist das Leben! Zu leben, um aus diesem Entsetzen weggetragen zu werden! Einen Moment lang spürte Tanis, wie er in der Luft schwebte. Er wußte nur noch, daß er den Kopf schüttelte und irgend etwas schrie. Der Drache und das Wasser trafen ihn zur gleichen Zeit. Er sah nur noch Blut…

Tika kroch zu Caramon, ihre Angst vor dem Tod war mit der Sorge um ihn vergessen. Aber Caramon war sich ihrer Gegenwart nicht bewußt. Er starrte in die Dunkelheit, Tränen liefen über sein Gesicht, seine Hände waren zu Fäusten geballt, immer wieder wiederholte er in einer stummen Litanei zwei Worte.

Mit einer quälerischen, traumähnlichen Langsamkeit balancierte das Schiff am Rande des wirbelnden Wassers, als ob selbst das Holz des Schiffes vor Angst zögerte. Maquesta stand ihrem zerbrechlichen Schiff in seinem letzten verzweifelten Versuch zu überleben bei, indem sie ihm ihre eigene innere Stärke verlieh, versuchte, die Naturgesetze einzig und allein durch Willenskraft zu ändern. Aber es war sinnlos. Mit einem letzten herzzerreißenden Beben glitt die Perechon über den Rand der wirbelnden, tosenden Dunkelheit.

Holz krachte. Mäste stürzten herab. Männer wurden schreiend von dem sich neigenden Deck geschleudert, als die blutrote Dunkelheit die Perechon in ihren klaffenden Rachen zog. Nachdem alles verschwunden war, klangen noch zwei Worte wie ein Dankgebet nach.

»Mein Bruder…«

5

Der Chronist und der Magier

Astinus von Palanthas saß in seinem Arbeitszimmer. Seine Hand führte den Federkiel ruhig und gleichmäßig. Die ausgeprägte, klare Schrift war selbst aus der Entfernung deutlich zu lesen. Astinus füllte schnell einen Pergamentbogen und machte selten eine Pause zum Nachdenken. Wenn man ihn beobachtete, hatte man den Eindruck, daß die Gedanken aus seinem Kopf direkt in die Feder und auf das Papier flossen, so schnell schrieb er. Der Fluß wurde nur unterbrochen, wenn er den Federkiel in Tinte tauchte, aber auch das war für Astinus eine automatische Bewegung geworden.

Die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete sich knarrend. Astinus sah nicht auf, obwohl sich die Tür nicht häufig öffnete, wenn er mit seiner Arbeit beschäftigt war. Der Chronist konnte solche Störungen an seinen Fingern abzählen. Einmal war es während der Umwälzung geschehen. Das hatte ihn in der Tat beim Schreiben gestört, rief er sich ins Gedächtnis, als er sich mit Abscheu an die verschüttete Tinte erinnerte, die eine Seite ruiniert hatte.

Die Tür öffnete sich, und ein Schatten fiel auf seinen Schreibtisch. Aber es blieb still. Nur der Körper, der zu dem Schatten gehörte, holte Luft, als ob er etwas sagen wollte. Es ist Bertram, bemerkte Astinus, so wie er alles bemerkte, und legte diese Information zur späteren Verwendung in einer der vielen Schubladen seines Gedächtnisses ab.

Der Federkiel fuhr stetig über das Papier. Als Astinus das Ende der Seite erreicht hatte, nahm er sie und legte sie auf ähnliche Pergamentbögen, die sich am Rande seines Schreibtisches ordentlich stapelten. Später in der Nacht, wenn der Historiker seine Arbeit beendet haben und sich zur Ruhe begeben würde, würden die Ästheten ehrfürchtig das Arbeitszimmer betreten, so wie Kleriker ein Heiligtum betreten, und den Papierstapel aufheben. Sorgfältig würden sie ihn in die große Bibliothek bringen. Dort würden die mit der kühnen, gleichmäßigen Schrift gefüllten Pergamentbögen in die riesigen Einbände mit der Aufschrift Chroniken, Eine Geschichte über Krynn, von Astinus von Palanthas kategorisiert, einsortiert und abgelegt werden.

»Meister…«, sprach Bertram mit bebender Stimme. »Ich bedaure sehr, Euch zu stören, Meister«, fuhr Bertram zaghaft fort, »aber ein junger Mann liegt sterbend auf Eurer Türschwelle.«

»Kümmere dich um seinen Namen«, sagte Astinus, ohne hochzusehen oder mit dem Schreiben aufzuhören, »damit ich den Vorfall aufzeichnen kann. Und vergewissere dich, wie man ihn schreibt. Und finde heraus, woher der Mann kommt und wie alt er ist.«

»Ich weiß seinen Namen, Meister«, erwiderte Bertram. »Er heißt Raistlin. Er kommt aus der Stadt Solace im Land Abanasinia.«

Astinus hielt beim Schreiben inne. Er sah hoch.

»Raistlin… aus Solace?«

»Ja, Meister«, erwidert Bertram und verbeugte sich geehrt. Es war das erste Mal, daß Astinus ihn direkt ansah, obwohl Bertram seit mehr als einem Jahrzehnt dem Orden der Ästheten angehörte, die in der großen Bibliothek lebten. »Kennt Ihr ihn, Meister? Das war der Grund, warum ich mir die Freiheit herausnahm, Euch bei der Arbeit zu stören. Er bat darum, Euch zu sehen.«

»Raistlin…«

Ein Tintentropfen fiel aus Astinus’ Feder auf das Papier.

»Wo ist er?«

»Auf der Treppe, Meister, wo wir ihn gefunden haben. Wir dachten, daß vielleicht einer dieser neuen Heiler, die die Göttin Mishakal verehren, ihm helfen könnte…«

Der Geschichtsschreiber sah verärgert auf den Tintenklecks. Er nahm eine Prise feinen weißen Sandes und verteilte ihn vorsichtig über die Tinte, um sie zu trocknen. Dann senkte er seinen Blick und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

»Kein Heiler kann diesem jungen Mann helfen«, bemerkte der Chronist mit einer Stimme, die aus den Tiefen der Zeit zu kommen schien. »Aber bring ihn herein. Und besorg ihm ein Zimmer.«

»In die Bibliothek bringen?« wiederholte Bertram mit tiefem Erstaunen. »Meister, niemand wurde jemals hereingelassen, außer Leute unseres Ordens…«

»Ich werde zu ihm gehen, wenn ich am Tagesende Zeit habe«, fuhr Astinus fort, als hätte er die Worte des Ästheten nicht gehört. »Das heißt, wenn er noch lebt.«

Der Federkiel bewegte sich schnell über das Papier.