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»K…kein F…feuer auf K…k…krynn wird u…uns w…wieder wärmen!« schnappte Flint böse und stapfte herum, um seinen Kreislauf anzuregen.

»N…nur n…noch ei…ein p…paar M…meter…« Tolpan ging mutig weiter, obwohl seine Knie heftig zitterten. Aber er ging allein. Als er sich umdrehte, sah er, daß Flint gelähmt zu sein schien, nicht in der Lage, sich zu bewegen. Sein Kopf war gebeugt, sein Bart bebte.

Ich sollte zurückgehen, dachte Tolpan, aber er konnte nicht. Die Neugierde, die der Hauptgrund für die sinkende Zahl der Kender war, zog ihn vorwärts.

Tolpan erreichte den Rand des Wäldchens, und hier ließ sein Herz ihn fast im Stich. Kender sind normalerweise immun gegen Angst, darum konnte auch nur ein Kender überhaupt so weit kommen. Aber jetzt fand sich Tolpan selbst als Opfer des größten, vernunftlosen Entsetzens wieder, das er je erlebt hatten. Und was immer die Ursache war, sie befand sich in diesem Eichenwäldchen.

Es sind ganz gewöhnliche Bäume, redete sich Tolpan bebend ein. Ich habe mit Gespenstern im Düsterwald geredet. Ich habe drei oder vier Drachen gegenübergestanden. Ich habe eine Kugel der Drachen zerstört. Nur ein ganz gewöhnlicher Wald. Ich war Gefangener im Schloß eines Zauberers. Ich sah einen Dämon aus der Hölle. Nur ein ganz gewöhnlicher Wald. Langsam, immer weiter auf sich einredend, schritt Tolpan Zentimeter für Zentimeter auf die Eichen zu. Er ging nicht weit, nicht einmal an der äußeren Baumreihe vorbei, denn jetzt konnte er in das Herz des Waldes sehen.

Tolpan schluckte, drehte sich um und rannte.

Beim Anblick des zurücklaufenden Kenders wußte Flint, daß alles vorbei war. Irgend etwas Schreckliches barst aus dem Wald hervor. Der Zwerg wirbelte so schnell herum, daß er über seine Füße stolperte und auf das Pflaster fiel. Tolpan rannte auf ihn zu, packte ihn am Gürtel und zog ihn hoch. Dann stoben die beiden wie von Sinnen durch die Straße. Der Zwerg rannte um sein Leben. Er glaubte gigantische Fußtritte zu hören, die hinter ihm aufschlugen. Er wagte nicht, sich umzudrehen. Visionen eines geifernden Monstrums trieben ihn weiter, bis sein Herz aus seinem Körper zu springen schien. Endlich erreichten sie das Ende der Straße.

Es war warm. Die Sonne schien.

Sie konnten die Stimmen von lebendigen Leuten in den Straßen hören. Flint hielt erschöpft inne und holte keuchend Luft. Ängstlich blickte er sich um, überrascht, zu sehen, daß die Straße immer noch leer war.

»Was war es?« brachte er mühselig hervor.

Das Gesicht des Kenders war leichenblaß. »E…ein T…Turm«, schluckte Tolpan prustend.

Flint riß seine Augen auf. »Ein Turm?« wiederholte der Zwerg. »Ich bin den ganzen Weg gerannt, hätte mich fast umgebracht, und ich bin vor einem Turm weggerannt! Ich glaube nicht«, Flints buschige Augenbrauen schoben sich beunruhigt zusammen, »daß dieser Turm dich gejagt hat.«

»N…nein«, gab Tolpan zu. »Er…er stand einfach da. Aber es war das Entsetzlichste, was ich je in meinem Leben gesehen habe«, bekannte der Kender feierlich mit einem Schaudern.

»Das war wohl der Turm der Erzmagier«, sagte der Herrscher von Palanthas zu Laurana an jenem Abend, als sie im Kartenraum des wunderschönen Palastes saßen, der auf einem Hügel mit Blick auf die Stadt errichtet worden war. »Kein Wunder, daß dein kleiner Freund so verängstigt war. Es überrascht mich, daß er es bis zum Eichenwald von Shoikan geschafft hat.«

»Er ist ein Kender«, erwiderte Laurana lächelnd.

»Ah ja. Das erklärt alles. Das habe ich nicht in Betracht gezogen. Man sollte Kender anheuern für die Arbeiten in den Häusern in der Nähe des Turms. Wir müssen unverschämt hohe Gehälter zahlen, damit Männer einmal im Jahr in diese Gebäude gehen, um sie instandzusetzen. Aber andererseits«, der Herrscher wirkte deprimiert, »ich glaube nicht, daß die Leute hier erfreut wären, eine größere Anzahl von Kendern in ihrer Stadt zu sehen.«

Amothud, Herrscher von Palanthas, wanderte über den polierten Marmorboden des Kartenraums. Laurana schritt neben ihm und versuchte, nicht auf den Saum des langen, fließenden Gewandes zu treten, das die Palanthianer ihr gegeben hatten. Sie waren reizend gewesen und hatten es ihr als Geschenk angeboten. Aber sie wußte, eigentlich waren sie schockiert, eine Prinzessin von Qualinesti in einer blutverschmierten, schlachtzerbeulten Rüstung herumlaufen zu sehen. Laurana blieb nichts anderes übrig, als es anzunehmen; sie konnte es sich nicht leisten, die Palanthianer zu beleidigen, auf deren Hilfe sie rechnete. Aber sie fühlte sich nackt, zerbrechlich und hilflos ohne Schwert und Rüstung.

Und sie wußte, daß die Generäle der palanthianischen Armee, die vorläufigen Befehlshaber der Solamnischen Ritter und die anderen Edelleute – Berater des Stadtsenats – diejenigen waren, die sie sich zerbrechlich und hilflos fühlen ließen. Jeder von ihnen erinnerte sie mit jedem Blick daran, daß sie nur eine Frau war, die Soldat spielte. Zugegeben, sie hatte es gut gemacht. Sie hatte ihren kleinen Krieg geführt, und sie hatte gewonnen. Jetzt – zurück in die Küche…

»Was ist der Turm der Erzmagier?« fragte Laurana unvermittelt. Sie hatte nach einer Woche der Verhandlungen mit dem Herrscher von Palanthas gelernt, daß er zwar ein intelligenter Mann war, daß er aber dazu neigte, seine Gedanken in unergründliche Bereiche gleiten zu lassen, und ständiger Führung bedurfte, um beim Thema zu bleiben.

»Ach ja. Nun, du kannst ihn von diesem Fenster aus sehen, wenn du wirklich möchtest…«, sagte der Herrscher widerstrebend.

»Ich würde ihn gern sehen«, erwiderte Laurana kühl. Mit einem Schulterzucken führte Herrscher Amothud Laurana zu einem Fenster, das ihr bereits aufgefallen war, da es mit dicken Vorhängen verdeckt war. Die Vorhänge der anderen Fenster waren aufgezogen und enthüllten einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt, gleichgültig, in welche Richtung man schaute.

»Ja, das ist der Grund, warum ich die Vorhänge geschlossen halte«, antwortete der Herrscher mit einem Seufzen auf Lauranas Frage. »Eine Schande. Hier hatte man einst die wundervollste Aussicht auf die Stadt, wie aus den alten Aufzeichnungen ersichtlich ist. Aber das war, bevor der Turm verflucht wurde…«

Der Herrscher zog die Vorhänge mit zitternden Händen beiseite, sein Gesicht war von Trauer verdüstert. Laurana, überrascht von diesem Gefühlsausbruch, sah neugierig hinaus. Die Sonne versank hinter den schneebedeckten Bergen und zeichnete purpurrote Streifen in den Himmel. Die lebhaften Farben schimmerten auf den weißen Gebäuden von Palanthas, als der seltene durchsichtige Marmor, aus denen sie gebaut waren, das sterbende Licht einfing. Laurana hatte sich niemals vorstellen können, daß in der Welt der Menschen solche Schönheit existieren könnte. Es machte ihrer geliebten Heimat Qualinesti wahrhaft Konkurrenz.

Dann wurden ihre Augen von einer Dunkelheit inmitten dieser schimmernden, perlmuttfarbenen Herrlichkeit angezogen. Ein einzelnstehender Turm erhob sich in den Himmel. Aus schwarzem Marmor gebaut, hob er sich entschieden vom weißen Marmor der übrigen Stadt ab. Minarette mußten einst seine Zierde gewesen sein, heute waren sie nur noch eine Ruine. Dunkle Fenster starrten wie leere Augenhöhlen blind in die Welt. Ein Zaun umgab den Turm. Auch der Zaun war schwarz, und am Tor des Zaunes sah Laurana etwas flattern. Einen Moment lang dachte sie, es wäre ein riesiger gefangener Vogel, denn er wirkte so lebendig. Sie wollte gerade die Aufmerksamkeit des Herrschers darauf lenken, als dieser mit einem Schauder die Vorhänge zuzog.

»Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich kann es nicht ertragen. Entsetzlich. Und zu denken, daß wir seit Jahrhunderten damit leben…«

»Ich finde es gar nicht so entsetzlich«, sagte Laurana aufrichtig, ihr geistiges Auge erinnerte sich an den Anblick des Turms und die umgebende Stadt. »Der Turm… scheint irgendwie richtig zu sein. Eure Stadt ist sehr schön, aber manchmal ist es solch eine kalte, vollendete Schönheit, daß ich es gar nicht weiter bemerke.« Als sie aus den anderen Fenstern sah, war Laurana wieder von der Aussicht verzaubert, so wie beim ersten Mal, als sie Palanthas betreten hatte. »Aber nachdem ich das gesehen habe – dieser Makel in Eurer Stadt läßt die Schönheit stärker hervortreten… falls Ihr versteht…«