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Die Magier zerstörten selbst zwei Türme, damit der Mob nicht in sie eindringen und sich mit Dingen einlassen würde, die über seinem Verstehen lägen. Durch die Zerstörung der beiden Türme wurde das umgebende Land verwüstet und folglich der Königspriester eingeschüchtert – denn es gab noch Türme der Erzmagier in Istar und in Palanthas. Um den dritten Turm, der im Wald von Wayreth liegt, sorgten sich die wenigsten, denn er befand sich weit entfernt von aller Zivilisation.

Und so trat der Königspriester mit Ehrfurcht an die Magier heran. Wenn sie die zwei Türme stehen ließen, würde er sie in Frieden ziehen lassen, so daß sie mit ihren Büchern, Schriftrollen und sonstigen Hilfsmitteln zum Turm der Erzmagier nach Wayreth gehen konnten. Bekümmert nahmen die Magier das Angebot an.«

»Aber warum haben sie nicht gekämpft?« unterbrach ihn Laurana. »Ich habe Raistlin und… und Fizban gesehen, wenn sie wütend waren! Ich will mir gar nicht vorstellen, wie wahrhaft mächtig Zauberer sein müssen!«

»Ah, aber überdenkt das, Laurana. Euer junger Freund Raistlin – war bereits erschöpft, wenn er nur einige wenige, relativ geringfügige Zauber geworfen hatte. Und wenn ein Zauber einmal geworfen ist, verschwindet er für immer aus dem Gedächtnis, bis der Magier wieder in seinem Zauberbuch liest und ihn von neuem auswendig lernt. Und das gilt auch für die mächtigsten Magier. Auf diese Weise beschützen uns die Götter vor jenen, die sonst zu mächtig werden und selbst nach der Göttlichkeit streben würden. Zauberer müssen schlafen, sie müssen sich konzentrieren können, sie müssen ihre Zeit mit täglichem Studium verbringen. Wie hätten sie durchhalten können, vom Pöbel belagert? Und wie hätten sie ihr eigenes Volk vernichten können?

Nein, sie meinten, das Angebot des Königspriesters annehmen zu müssen. Selbst die Schwarzen Roben, die sich kaum um die Bevölkerung kümmern, sahen ein, daß sie besiegt waren und daß die Magie aus der Welt verschwinden könnte. Sie zogen sich aus dem Turm der Erzmagier in Istar zurück – und fast unmittelbar danach zog der Königspriester ein, um ihn besetzt zu halten. Dann verließen sie auch den Turm hier in Palanthas. Und die Geschichte dieses Turms ist schrecklich.«

Astinus, der die ganze Zeit mit ausdrucksloser Stimme erzählt hatte, wurde plötzlich ernst, sein Gesicht verdüsterte sich.

»Ich erinnere mich gut an jenen Tag«, sagte er mehr zu sich als zu den am Tisch Versammelten. »Sie brachten mir ihre Bücher und Schriftrollen, um sie in meiner Bibliothek aufzubewahren. Denn es gab so viele Bücher und Schriftrollen in dem Turm, daß sie nicht alles nach Wayreth mitnehmen konnten. Sie wußten, daß ich sie aufbewahren und hüten würde. Viele der Zauberbücher waren sehr alt und konnten nicht mehr gelesen werden, da sie mit Schutzzaubern versehen waren, Zauber, zu denen der Schlüssel… verlorengegangen ist. Der Schlüssel…«

Astinus brach ab und versank in Nachdenken. Dann schob er mit einem Seufzer die dunklen Gedanken beiseite und fuhr fort.

»Das Volk von Palanthas versammelte sich um den Turm, als der Höchste des Ordens – der Zauberer der Weißen Roben – die schlanken goldenen Türme des Turms mit einem silbernen Schlüssel verschloß. Der Herrscher von Palanthas sah ihm gierig zu. Alle wußten, daß der Herrscher beabsichtigte, in den Turm zu ziehen, wie es sein Mentor, Istars Königspriester, getan hatte. Seine Augen weilten hungrig auf dem Turm, denn Legenden über seine Wunder, sowohl gute als auch böse, hatten sich im ganzen Land verbreitet.«

»Von all den schönen Gebäuden in Palanthas«, murmelte Amothud, »soll der Turm der Erzmagier das schönste gewesen sein. Und jetzt…«

»Was geschah dann?« fragte Laurana, der es kühl wurde, als die Dunkelheit der Nacht durch den Raum kroch, und sie hoffte, daß jemand die Diener rufen würde, um die Kerzen anzuzünden.

»Der Zauberer wollte gerade den silbernen Schlüssel dem Herrscher überreichen«, erzählte Astinus mit tiefer, trauriger Stimme. »Plötzlich erschien einer der Schwarzen Roben in einem Fenster in den oberen Etagen. Als die Leute ihn voller Entsetzen anstarrten, schrie er: ›Die Tore werden geschlossen bleiben und die Hallen leer, bis der Tag kommt, an dem der Herr über Vergangenheit und Gegenwart mit Macht zurückkehrt.‹ Dann beugte sich der böse Magier heraus und warf sich auf die Tore. Und als die silbernen und goldenen Widerhaken seine schwarze Robe durchbohrten, warf er einen Fluch über den Turm. Sein Blut besudelte den Boden, die silbernen und goldenen Tore verfielen und wurden schwarz. Der weißrot schimmernde Turm verblaßte zu eisgrauem Stein, seine schwarzen Minarette verfielen. Der Herrscher und das Volk flohen vor Entsetzen, und bis zu diesem Tag wagt es niemand, sich dem Turm von Palanthas zu nähern. Nicht einmal Kender«, Astinus lächelte kurz auf, »der Fluch ist so mächtig, daß er alle Sterblichen fernhält…«

»Bis der Herr über Vergangenheit und Gegenwart zurückkehrt«, murmelte Laurana.

»Pah! Der Mann war verrückt.« Amothud schnaufte verächtlich. »Kein Mensch kann Herr über Vergangenheit und Gegenwart sein – höchstens du, Astinus.«

»Ich bin kein Herrscher!« sagte Astinus in solch einem hohlen, schallenden Ton, daß alle im Raum ihn anstarrten. »Ich erinnere mich an die Vergangenheit, ich zeichne die Gegenwart auf. Ich trachte nicht danach, sie zu beherrschen!«

»Verrückt, wie ich schon sagte.« Der Herrscher zuckte mit den Schultern. »Und jetzt sind wir gezwungen, einen Schandfleck wie den Turm zu ertragen, weil niemand vermag, dort in der Nähe zu leben oder nahe genug heranzugehen, um ihn niederzureißen.«

»Ich finde, ihn niederzureißen wäre eine Schande«, sagte Laurana leise, während sie durch das Fenster zum Turm blickte.

»Er gehört hierher…«

»Das tut er in der Tat, junge Frau«, erwiderte Astinus, der sie seltsam musterte.

Die Schatten der Nacht hatten sich während Astinus’

Erzählung vertieft. Bald war der Turm in Dunkelheit getaucht, während in der restlichen Stadt Lichter auffunkelten. Palanthas schien zu versuchen, die Sterne zu übertreffen, dachte Laurana, aber ein runder Fleck Dunkelheit wird immer in seinem Zentrum bleiben.

»Wie traurig und tragisch«, murmelte sie, da sie das Gefühl hatte, irgend etwas sagen zu müssen, weil Astinus sie direkt ansah. »Und dieses… dieses dunkle Ding, was ich flattern gesehen habe, das am Zaun hängt…« Sie hielt vor Entsetzen inne.

»Verrückt, verrückt«, wiederholte Amothud düster. »Ja, wir vermuten, das ist das, was von dem Körper übriggeblieben ist. Niemand war in der Lage gewesen, näher heranzutreten, um es herauszufinden.«

Laurana erschauderte. Sie legte ihre Hände an ihren schmerzenden Kopf, denn sie wußte, daß diese fürchterliche Geschichte sie noch nächtelang verfolgen würde, und sie wünschte, sie niemals gehört zu haben. Mit ihrem Schicksal verknüpft! Wütend versuchte sie, den Gedanken aus ihrem Gehirn zu verbannen. Es spielte keine Rolle. Sie hatte dafür keine Zeit. Ihr Schicksal sah ohne alptraumhafte Kindergeschichten schon düster genug aus.

Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, erhob sich Astinus plötzlich und rief nach mehr Licht. »Denn«, sagte er kühl, während er Laurana anstarrte, »die Vergangenheit ist verloren. Die Zukunft gehört uns. Und wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, bevor der neue Tag anbricht.«

7

Befehlshaber der Ritter von Solamnia

»Zuerst muß ich ein Schriftstück vorlesen, das ich vor wenigen Stunden von Fürst Gunther erhalten habe.« Der Herrscher von Palanthas zog eine Schriftrolle aus den Falten seines feingewebten wollenen Gewandes hervor, breitete sie auf dem Tisch aus und glättete sie sorgfältig mit seinen Händen. Er legte seinen Kopf zurück und starrte darauf, offensichtlich in dem Versuch, sich zu konzentrieren.

Laurana, sicher, daß dies die Antwort auf ihre Botschaft sein mußte, die sie zwei Tage zuvor an Fürst Gunther geschickt hatte, biß sich vor Ungeduld auf die Unterlippe.