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»Es ist zerknittert«, sagte Amothud entschuldigend. »Man kann den Greifen, die uns die Elfenlords netterweise geliehen haben« – er verbeugte sich vor Laurana, die die Verbeugung erwiderte und den Drang unterdrückte, den Brief aus seiner Hand zu reißen – »nicht beibringen, diese Schriftrollen zu transportieren, ohne sie zu zerknüllen. Aha, jetzt komme ich klar. Fürst Gunther grüßt Amothud, Herrscher von Palanthas. Charmanter Mann, der Fürst Gunther.« Der Herrscher sah auf.

»Er war erst im letzten Jahr hier, während des Frühlingsfestes, das, nebenbei bemerkt, heuer in drei Wochen stattfindet, meine Liebe. Vielleicht beehrt Ihr unsere Festlichkeiten…«

»Darüber wäre ich sehr erfreut, Herrscher, falls in drei Wochen überhaupt noch jemand lebt«, sagte Laurana, während sie unter dem Tisch ihre Fäuste ballte, um die Beherrschung nicht zu verlieren.

Amothud blinzelte, dann lächelte er nachsichtig. »Gewiß. Die Drachenarmeen. Nun, ich werde weiterlesen. Ich bin wahrhaft betrübt, über den Verlust so vieler aus unserer Ritterschaft zu hören. Laßt uns Trost in dem Wissen finden, daß sie siegreich gestorben sind im Kampf gegen das große Böse, das unser Land verdunkelt. Ich empfinde eine noch größere persönliche Trauer über den Verlust dreier unserer besten Anführer: Derek Kronenhüter, Ritter der Rose, Alfred Merkenin, Ritter des Schwertes, und Sturm Feuerklinge, Ritter der Krone.« Der Herrscher wandte sich an Laurana. »Feuerklinge. Er war Euer enger Freund, nicht wahr, meine Liebe?«

»Ja, mein Herrscher«, murmelte Laurana. Sie neigte ihren Kopf und ließ ihr goldenes Haar nach vorn fallen, um den Schmerz in ihren Augen zu verbergen. Es war noch nicht lange her, daß sie Sturm in der Kammer von Paladin unter den Ruinen des Turms des Oberklerikers beerdigt hatte. Der Verlust schmerzte noch sehr.

»Lest weiter, Herr«, ließ sich Astinus kühl vernehmen. »Ich kann es mir nicht erlauben, so lange meinen Studien fernzubleiben.«

»Gewiß, Astinus.« Der Herrscher errötete. Eilig fuhr er mit dem Lesen fort. »Diese Tragödie läßt die Ritter in ungewöhnlichen Umständen zurück. Erstens besteht die Ritterschaft nun überwiegend aus Rittern der Krone, dem niedrigsten Ritterorden. Das bedeutet, daß zwar alle ihre Prüfungen bestanden und ihre Schilde erkämpft haben, aber trotzdem jung und unerfahren sind. Für die meisten war das die erste Schlacht gewesen. Zweitens läßt uns diese Tragödie auch ohne angemessene Befehlshaber zurück, da nach dem Maßstab jeweils ein Vertreter der drei Ritterorden das Kommando führen muß

Laurana vernahm das schwache Klirren von Rüstungen und das Rasseln von Schwertern, als sich die Ritter unruhig bewegten. Es waren vorläufige Führer, bis die Frage der Befehlsgewalt geklärt war. Sie schloß die Augen und seufzte. Bitte, Gunther, dachte sie, hoffentlich hast du eine kluge Entscheidung getroffen. So viele sind aufgrund politischer Machenschaften gestorben.

»Darum ernenne ich Lauralanthalasa aus dem königlichen Haus der Qualinesti zum Führer über die Ritter…« Der Herrscher hielt einen Moment inne, als ob er glaubte, nicht richtig gelesen zu haben. Laurana riß ihre Augen weit auf und starrte Amothud schockiert und ungläubig an.

Amothud blickte auf die Schriftrolle, um die Stelle noch einmal zu lesen. Aber auf ein ungeduldiges Murmeln von Astinus hin fuhr er fort: »…die zur Zeit die in dieser Hinsicht erfahrenste Person ist und die einzige, die die Drachenlanzen anwenden kann. Um der Glaubwürdigkeit dieses Schreibens willen füge ich mein Siegel bei. Fürst Gunther Uth Wistan, Großmeister der Ritter von Solamnia… und so weiter und so weiter.« Der Herrscher sah auf. »Meine Glückwünsche, meine Liebe – oder vielleicht sollte ich ›General‹ sagen.«

Laurana saß ganz still da. Einen Moment lang war sie so wütend, daß sie am liebsten aus dem Saal gerannt wäre. Erinnerungen kamen ihr – Fürst Alfreds geköpfter Körper, der arme Derek, der im Wahnsinn gestorben war, Sturms leblose Augen, in die Friede eingekehrt war, die aufgereihten Leichname der Ritter, die am Turm gestorben waren… Und jetzt sollte sie die Befehlsgewalt haben. Ein Elfenmädchen aus der königlichen Familie, nach Elfenmaßstab nicht einmal volljährig. Ein verwöhntes kleines Mädchen, das weggelaufen war, um ihrer Jugendliebe Tanis, dem Halb-Elfen nachzulaufen. Dieses verwöhnte kleine Mädchen war erwachsen geworden. Furcht, Schmerz, schwerer Verlust und großes Leid hatten sie älter als ihr Vater werden lassen.

Sie wandte sich um und sah Sir Markham und Sir Patrick Blicke wechseln. Von allen Rittern der Krone hatten diese beiden am längsten gedient. Sie kannte beide als mutige Soldaten und ehrenhafte Männer. Sie hatten mutig um den Turm des Oberklerikers gekämpft. Warum hatte Gunther nicht einen von ihnen ausgewählt?

Sir Patrick erhob sich mit dunklem Gesicht. »Ich kann das nicht akzeptieren«, sagte er mit leiser Stimme. »Lady Laurana ist gewiß eine mutige Kämpferin, aber sie hat niemals Männer ins Feld geführt und kommandiert.«

»Hast du es denn, junger Ritter?« fragte Astinus gelassen. Patrick errötete. »Nein, aber das ist etwas anderes. Sie ist eine Frau…«

»Ach wirklich, Patrick?« lachte Sir Markham. Er war ein sorgloser, unkomplizierter junger Mann – ein bemerkenswerter Gegensatz zu dem strengen und ernsten Patrick. »Haare auf der Brust machen einen noch nicht zum General. Reg dich ab! Das ist Politik! Gunther hat einen klugen Schritt getan.«

Laurana errötete, sie wußte, daß er recht hatte. Sie war eine sichere Wahl. Gunther würde Zeit haben, seine Ritterschaft wieder aufzubauen und sich selbst als Führer zu etablieren.

»Aber so etwas hat es noch nie gegeben!« fuhr Patrick fort und vermied dabei Lauranas Augen. »Ich bin sicher, daß es gemäß dem Maßstab Frauen nicht erlaubt ist, in der Ritterschaft…«

»Du irrst dich«, bemerkte Astinus kategorisch. »Und das gab es schon einmal. Während des Dritten Drachenkrieges wurde eine junge Frau nach dem Tod ihres Vaters und ihrer Brüder in die Ritterschaft aufgenommen. Sie wurde zum Ritter des Schwertes geschlagen und starb ehrenhaft in der Schlacht, betrauert von ihren Kameraden.«

Niemand sprach. Amothud wirkte äußerst verlegen, er wäre bei Sir Markhams Bemerkung über die haarige Brust am liebsten unter dem Tisch verschwunden. Astinus starrte Sir Patrick kühl an. Sir Markham spielte mit seinem Weinglas, warf Laurana lächelnd einen Blick zu. Nach einem kurzen inneren Kampf, der sich deutlich in seinem Gesicht abspielte, setzte sich Sir Patrick mit finsterem Gesicht.

Sir Markham hob sein Glas. »Auf unseren Befehlshaber!«

Laurana reagierte nicht. Sie hatte das Kommando. Kommando worüber? fragte sie sich bitter. Die ruinierten Überreste der Ritter von Solamnia, die nach Palanthas geschickt worden waren; von den Hunderten hatten nicht mehr als fünfzig überlebt. Sie hatten einen Sieg errungen – aber zu welch schrecklichem Preis? Eine Kugel der Drachen war zerstört, der Turm des Oberklerikers lag in Schutt und Asche…

»Ja, Laurana«, sagte Astinus, »sie haben es Euch überlassen, die Scherben aufzuheben.«

Sie sah verwirrt auf, verängstigt über diesen seltsamen Mann, der ihre Gedanken aussprach.

»Ich wollte das nicht so«, murmelte sie wie betäubt.

»Ich glaube nicht, daß einer von uns in diesem Raum um einen Krieg gebetet hat«, bemerkte Astinus sarkastisch. »Aber der Krieg ist eingetreten, und jetzt müßt Ihr das tun, was Ihr tun könnt, um ihn zu gewinnen.« Er erhob sich. Der Herrscher von Palanthas, die Generäle und Ritter standen respektvoll auf. Laurana blieb sitzen, ihre Augen auf ihre Hände gerichtet. Sie spürte, wie Astinus sie anstarrte, und sie weigerte sich dickköpfig, ihn anzusehen.

»Mußt du schon gehen, Astinus?« fragte Amothud traurig.