Выбрать главу

»Ich kann nicht glauben, daß Kitiara eine Drachenfürstin ist. Sie war immer… immer…«, Tolpan suchte nach Worten, »nun, lustig!«

»Lustig?« fragte Flint mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Vielleicht. Aber auch kalt und selbstsüchtig. O ja, sie war auch charmant, wenn sie wollte.« Flints Stimme wurde leiser. Laurana hätte etwas hören können. »Tanis hat das nie gesehen. Er glaubte immer, unter Kitiaras Oberfläche stecke mehr. Er meinte, nur er allein würde das kennen, ihr zartes Herz, das sie mit einer harten Schale nur zu verbergen suchte. Hah! Sie hat soviel Herz wie diese Steine hier.«

»Was gibt es Neues, Laurana?« fragte Tolpan fröhlich, als das Elfenmädchen sie erreichte.

Laurana lächelte ihre alten Freunde an, aber, wie Flint gesagt hatte, es war nicht mehr das unschuldige, fröhliche Lächeln des Elfenmädchens, das unter den Espen in Qualinesti gewandelt war. Jetzt war ihr Lächeln wie die düstere Sonne in einem kalten Winterhimmel. Es gab Licht, aber keine Wärme, vielleicht weil ihre Augen keine Wärme ausstrahlten.

»Ich bin Befehlshaber der Armee«, sagte sie einfach.

»Herzliche…«, begann Tolpan, aber seine Stimme erstarb beim Anblick ihres Gesichts.

»Es gibt keinen Grund, mich zu beglückwünschen«, sagte Laurana bitter. »Was befehlige ich? Eine Handvoll Ritter, die in einer zerstörten Bastion meilenweit entfernt in den VingaardBergen festsitzen, und tausend Männer, die auf den Mauern dieser Stadt stehen.« Sie ballte ihre behandschuhten Hände, ihre Augen waren auf den östlichen Himmel gerichtet, der die ersten Anzeichen des Morgenlichts zeigte. »Wir sollten schon von hier weg sein! Während die Drachenarmee immer noch verstreut ist und versucht, sich neu zu gruppieren! Wir könnten sie mühelos besiegen. Aber nein, wir wagen uns nicht hinaus in die Ebenen nicht einmal mit den Drachenlanzen. Denn was nützen sie schon gegen Drachen im Flug? Wenn wir eine Kugel der Drachen hätten…«

Sie schwieg einen Moment lang, dann holte sie tief Luft. Ihr Gesicht verhärtete sich. »Nun, wir haben keine. Es hat keinen Sinn, darüber nachzudenken. So stehen wir also hier, auf den Zinnen von Palanthas, und warten auf den Tod.«

»Nun komm, Laurana«, wandte Flint ein, nachdem er sich geräuspert hatte, »vielleicht steht die Lage gar nicht so schlecht. Diese Stadt ist von guten, soliden Mauern umgeben. Tausend Männer können sie mühelos halten. Die Gnome mit ihren Katapulten bewachen den Hafen. Die Ritter bewachen den einzigen Paß durch die Vingaard-Berge, und wir haben Männer zur Verstärkung nachgeschickt. Und wir haben die Drachenlanzen – zumindest einige, und Gunther hat uns benachrichtigt, daß weitere unterwegs sind. Wir können Drachen im Flug nicht angreifen? Sie werden zweimal darüber nachdenken, die Mauern zu überfliegen…«

»Es reicht aber nicht, Flint!« seufzte Laurana. »Ja, sicher, wir können die Drachenarmee vielleicht eine Woche oder zwei abwehren, vielleicht sogar einen Monat. Aber was dann? Was geschieht mit uns, wenn sie das Land um uns kontrollieren? Alles, was wir gegen die Drachen tun können, ist, uns selbst an sicheren kleinen Zufluchtsorten zu verbarrikadieren. Aber dann wird diese Welt nichts anderes sein als winzige Inseln des Lichts, umgeben von riesigen Ozeanen der Dunkelheit. Und dann wird uns alle die Dunkelheit Schritt für Schritt verschlingen.«

»Wann hast du das letzte Mal geschlafen?« fragte Flint plötzlich streng.

»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Mein Wachsein und Schlafen scheinen ineinander überzugehen. Die Hälfte der Zeit gehe ich in einem Traum, und die andere Hälfte schlafe ich durch die Wirklichkeit.«

»Dann schlaf jetzt«, sagte der Zwerg mit einer Stimme, die Tolpan als seine Großvaterstimme bezeichnete. »Wir gehen auch schlafen. Unsere Wache ist fast zu Ende.«

»Ich kann nicht«, sagte Laurana, während sie sich die Augen rieb. Der Gedanke an Schlaf ließ ihr plötzlich bewußt werden, wie erschöpft sie eigentlich war. »Ich wollte euch sagen, daß wir Berichte erhalten haben, daß Drachen gesichtet wurden, die weiter westlich über die Stadt Kalaman geflogen sind.«

»Dann steuern sie also in unsere Richtung«, sagte Tolpan, der in seinem Kopf eine Landkarte entwarf.

»Von wem sind diese Berichte?« fragte der Zwerg argwöhnisch.

»Die Greife. Jetzt knurr nicht darüber.« Laurana lächelte leicht über den Anblick des angewiderten Zwergs. »Die Greife sind uns eine große Hilfe. Auch wenn die Elfen nicht mehr als ihre Greife gegen diesen Krieg beisteuern, dann haben sie trotzdem eine Menge getan.«

»Greife sind dumme Tiere«, stellte Flint klar. »Ich traue ihnen genauso wenig, wie ich Kendern traue. Außerdem«, fuhr der Zwerg fort und ignorierte Tolpans beleidigten Blick, »macht es keinen Sinn. Die Drachenfürsten schicken keine Drachen zum Angriff ohne Armeen im Gefolge…«

»Vielleicht sind die Armeen gar nicht so unorganisiert, wie wir gehört haben.« Laurana seufzte müde. »Oder vielleicht hat man die Drachen geschickt, damit sie ihre Wut auslassen, Chaos verursachen, die Stadt demoralisieren, das umgebende Land in Schutt und Asche legen. Ich weiß es nicht. Schaut mal, die Nachricht hat sich herumgesprochen!«

Flint blickte sich um. Jene Soldaten, die dienstfrei hatten, standen immer noch an ihren Plätzen und starrten nach Osten zu den Bergen. Sie unterhielten sich mit leisen Stimmen; andere gesellten sich zu ihnen, die gerade erwacht waren und die Neuigkeiten erfuhren.

»Das habe ich befürchtet.« Laurana seufzte. »Das wird eine Panik auslösen! Ich habe Amothud gebeten, die Nachricht geheimzuhalten, aber die Palanthianer sind nicht daran gewöhnt, etwas geheimzuhalten! Schaut, was habe ich euch gesagt?«

Als sie von der Mauer hinuntersahen, konnten die Freunde beobachten, wie sich die Straßen mit Leuten – halbangezogen, verschlafen, verängstigt – füllten. Laurana konnte sich vorstellen, wie sich die Gerüchte verbreiteten, als die Palanthianer von Haus zu Haus liefen.

Sie biß sich auf die Lippen, ihre grünen Augen flackerten vor Wut. »Jetzt muß ich Männer von den Mauern abziehen, damit sie diese Leute in ihre Häuser schaffen. Ich kann sie nicht auf den Straßen lassen, wenn die Drachen angreifen! Ihr Männer, folgt mir!« Sie machte einer in der Nähe stehenden Gruppe von Soldaten Zeichen und eilte davon. Flint und Tolpan sahen ihr nach, als sie die Treppen hinunter – und auf den Palast des Herrschers zulief. Bald sahen sie bewaffnete Patrouillen durch die Straßen ziehen, die versuchten, die Leute in ihre Häuser zu treiben und die aufkommende Panik zu unterdrücken.

»Das bringt es auch!« knurrte Flint, denn die Straßen füllten sich noch mehr.

Tolpan, der auf einem Steinblock stand und über die Mauer starrte, schüttelte den Kopf. »Es spielt keine Rolle mehr!« flüsterte er verzweifelt. »Flint, schau…«

Der Zwerg kletterte eilig zu seinem Freund hoch. Männer schrien und griffen nach Bogen und Speeren. Hier und dort konnte man die mit Widerhaken versehenen silbernen Spitzen einer Drachenlanze sehen, die im Fackellicht aufblitzte.

»Wie viele?« fragte Flint mit einem schrägen Seitenblick.

»Zehn«, antwortete Tolpan leise. »Zwei Scharen. Große Drachen. Vielleicht die roten, die wir in Tarsis gesehen haben. Ich kann ihre Farbe nicht erkennen, aber ich kann Reiter auf ihnen sehen. Vielleicht ein Drachenfürst. Vielleicht Kitiara… Donnerwetter«, sagte Tolpan, von einem plötzlichen Einfall überrascht. »Ich hoffe, daß ich dieses Mal mit ihr sprechen kann. Es muß interessant sein, ein Drachenfürst zu sein…«

Seine Worte gingen in dem Glockengeläut unter, das von allen Türmen in der Stadt erscholl. Die Leute in den Straßen sahen zu den Mauern hoch, wo die Soldaten zeigten und schrien. Tief unter sich konnte Tolpan Laurana erkennen, die aus dem Palast mit dem Herrscher und zweien seiner Generäle auftauchte. Der Kender sah an Lauranas hochgezogenen Schultern, daß sie zornig war. Sie deutete auf die Palastglocken, offenbar wollte sie, daß das Geläut aufhörte. Aber es war bereits zu spät. Die Bevölkerung von Palanthas drehte vor Entsetzen durch. Und die meisten der unerfahrenen Soldaten waren beinahe im selben Zustand wie die Zivilisten. Düstere Erinnerungen an Tarsis kamen Tolpan – zu Tode getrampelte Leute in den Straßen, in Flammen explodierende Gebäude.