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»Flint! Mach die Lanze frei! Flint…« Tolpan wußte später nicht mehr, was er noch alles gesagt hatte. Der Boden kam immer näher, als die geschwächten Drachen vom Himmel stürzten. Er konnte nicht denken. Weiße Blitze barsten in seinem Kopf, während er sich mit seiner ganzen Kraft an den Offizier hängte, der immer noch unter ihm kämpfte.

Dann ertönte ein metallisches Dröhnen.

Die Lanze war gelöst. Die Drachen waren befreit.

Khirsah breitete seine Flügel aus und zog sich aus dem drehenden Tiefflug hoch. Himmel und Erde waren wieder in ihrer richtigen Position. Tränen strömten über Tolpans Wangen. Ich hatte keine Angst, sagte er sich immer wieder schluchzend. Aber nichts sah so schön aus wie dieser blaue, blaue Himmel der wieder da war, wo er hingehörte!

»Ist mit dir alles in Ordnung?« schrie der Kender.

Der bronzene Drache nickte erschöpft.

»Ich habe einen Gefangenen«, rief Tolpan, dem diese Tatsache plötzlich klar wurde. Langsam ließ er den Mann los, der benommen und halberwürgt seinen Kopf schüttelte.

»Ich nehme an, du wirst jetzt nirgendwohin flüchten«, murmelte Tolpan. Er glitt vom Rücken des Mannes und kroch über die Mähne auf die Schultern des Drachen. Tolpan sah, wie der Offizier in den Himmel spähte und seine Fäuste vor bitterer Wut zusammenballte, als er seine Drachen beobachtete, die von Laurana und ihrer Streitmacht langsam aus dem Himmel getrieben wurden. Der Blick des Offiziers blieb besonders lange auf Laurana haften, und plötzlich wußte Tolpan, wo er ihn schon gesehen hatte.

Der Kender hielt den Atem an. »Du bringst uns lieber nach unten zur Erde, Feuerblitz!« schrie er mit zitternden Händen.

»Beeil dich!«

Der Drache drehte seinen Kopf, um nach seinen Reitern zu sehen, und Tolpan fiel auf, daß ein Auge völlig zugeschwollen war. Eine Seite des bronzenen Kopfes war versengt und voller Brandwunden, und Blut troff aus einer eingerissenen Nüster. Tolpan schaute sich vergeblich nach dem Blauen um.

Als er zum Offizier zurücksah, fühlte sich Tolpan plötzlich herrlich. Ihm fiel wieder ein, was er vollbracht hatte.

»He!« gellte er in Hochstimmung zu Flint. »Wir haben es geschafft! Wir haben einen Drachen bekämpft, und ich habe einen Gefangenen gemacht! Ganz allein!«

Flint nickte langsam. Tolpan drehte sich wieder um und beobachtete, wie der Boden immer näher kam, und der Kender dachte, er habe nie zuvor so… so wunderbar bodenmäßig ausgesehen!

Khirsah landete. Die Fußsoldaten scharten sich um sie, schrien und jubelten. Einer führte den Offizier ab. Tolpan war nicht traurig darüber, bemerkte jedoch, daß der Offizier ihm einen scharfen, durchdringenden Blick zuwarf, bevor er abgeführt wurde. Aber dann vergaß der Kender ihn, als er zu Flint hochsah.

Der Zwerg hing über dem Sattel, sein Gesicht war alt und sah müde aus, seine Lippen waren blau gefärbt.

»Was ist los?«

»Nichts.«

»Aber du hältst deine Brust fest. Bist du verwundet?«

»Nein, bin ich nicht.«

»Warum hältst du dann deine Brust fest?«

Flint knurrte. »Ich vermute, ich werde keinen Frieden finden, bevor ich dir nicht geantwortet habe. Nun gut, wenn du es unbedingt wissen mußt, es liegt an der verdammten Lanze! Und wer auch immer diese dämliche Weste entworfen hat, muß ein größerer Dummkopf als du gewesen sein! Der Schaft der Lanze hat die ganze Zeit direkt gegen mein Schlüsselbein gequetscht. Eine Woche lang werde ich bestimmt grün und blau sein. Und was deinen Gefangenen betrifft, dann ist es ein Wunder, daß ihr beide nicht gestorben seid, du Rattenhirn! Gefangen, pah! Eher ein Zufall, wenn du mich fragst. Und ich sage dir noch etwas! Solange ich lebe, werde ich nie wieder so ein riesiges Vieh besteigen!«

Flint schloß seine Lippen mit einem wütenden Aufschnappen und starrte den Kender so böse an, daß Tolpan sich umdrehte und sich schnell verzog. Der Kender wußte nur zu gut, wenn Flint in dieser Laune war, war es das beste, zu verschwinden und ihn allein zu lassen, damit er sich wieder abregen konnte. Nach dem Abendessen würde es ihm bessergehen.

Erst in der Nacht, als Tolpan sich neben Khirsah zusammengerollt hatte und behaglich an der riesigen bronzenen Flanke des Drachen ruhte, erinnerte er sich, daß Flint die linke Seite seiner Brust umklammert hatte.

Die Lanze war auf der rechten Seite des alten Zwerges gewesen.

10

Frühlingserwachen

Als der Morgen dämmerte und das rosafarbene und goldene Licht sich über das Land verbreitete, erwachten die Bewohner von Kalaman vom Klang der Glocken. Kinder sprangen aus den Betten und stürzten in die Schlafkammern ihrer Eltern, drängten Mütter und Väter aufzustehen, damit dieser besondere Tag begonnen werden konnte. Obwohl einige murrten und die Decken über ihre Köpfe zogen, stiegen die meisten Eltern lachend aus dem Bett, nicht weniger ungeduldig und gespannt als ihre Kinder.

Denn der heutige Tag war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte Kalamans. Heute fand nicht nur das alljährliche Frühlingsfest statt, sondern auch der Siegeseinzug der Armee der Ritter von Solamnia. Die Armee, angeführt von ihrem inzwischen legendären General, einer Elfe, hatte ihre Lager in den Ebenen außerhalb der befestigten Stadt aufgeschlagen und würde am Mittag triumphierend in die Stadt einziehen. Als die Sonne über die Mauern lugte, füllte sich der Himmel über Kalaman mit dem Rauch der Lagerfeuer, und bald erhob sich selbst der Müdeste bei den Gerüchen von brutzelndem Fleisch und warmem Gebäck, gebratenem Speck und wohlriechendem Kaffee aus seinem Bett. Sie wären sowieso früh genug aufgestanden, denn schon füllten sich die Straßen mit Kindern. Beim Frühlingsfest wurde nicht auf Disziplin geachtet. Nach einem langen Winter, eingesperrt in die Häuser, durften sich die Kinder einen Tag lang austoben. Bis zur Abenddämmerung würde es viele blaue Flecken, aufgeschlagene Knie und Magenschmerzen von zuviel Süßigkeiten geben. Aber alle würden diesen Tag als einen glorreichen in Erinnerung behalten.

Am Vormittag war das Fest bereits in vollem Gange.

Verkäufer boten ihre Waren in farbenfrohen Buden an. Der Einfältige verlor sein Geld beim Glücksspiel. Tanzbären tollten auf den Straßen, und Zauberkünstler riefen erstauntes Ächzen bei alt und jung hervor.

Um Punkt zwölf Uhr läuteten wieder die Glocken. Die Straßen leerten sich. Die Leute sammelten sich an ihren Rändern. Die Stadttore wurden aufgestoßen, und die Ritter von Solamnia rüsteten sich für ihren Einzug in Kalaman.

Ein erwartungsvolles Schweigen fiel über die Menge. Ungeduldig starrten sie nach vorn, schubsten sich, um einen guten Ausblick auf die Ritter zu haben, insbesondere auf die Elfe, von der sie schon so viele Geschichten gehört hatten. Sie ritt als erste, allein, auf einem schneeweißen Pferd. Der Menge, die eigentlich jubeln wollte, verschlug es den Atem angesichts der Schönheit und Erhabenheit dieser Frau. Laurana, in eine glänzende, mit Blattgold verzierte Silberrüstung gekleidet, lenkte ihren Schimmel durch die Tore und in die Straßen. Eine Abordnung von Kindern war sorgfältig vorbereitet worden, Blumen in Lauranas Weg zu streuen, aber die Kinder waren vom Anblick der wunderschönen Frau in der glitzernden Rüstung derart überwältigt, daß sie ihre Blumen krampfhaft festhielten und keine einzige streuten.

Hinter dem goldhaarigen Elfenmädchen ritten zwei, die nicht wenige in der Menge zum Staunen brachten – ein Kender und ein Zwerg, zusammen auf einem schäbigen Pony, dessen Rücken so breit wie eine Tonne war. Der Kender schien eine wundervolle Zeit zu haben und schrie und winkte der Menge zu. Aber der Zwerg, der hinter ihm saß, hatte sich um die Taille des Kenders in einem todesähnlichen Griff festgeklammert, und er nieste so heftig, als ob er sich selbst vom Rücken des Tieres wegniesen würde.