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Dem Zwerg und dem Kender folgte ein Elfenlord, der dem Elfenmädchen so glich, daß niemand in der Menge seinem Nachbarn erklären mußte, daß es Bruder und Schwester waren. Neben dem Elfenlord ritt ein anderes Elfenmädchen mit seltsamen silbernen Haaren und tiefblauen Augen, das angesichts der Menge schüchtern und nervös wirkte. Dann kamen die Ritter von Solamnia, vielleicht fünfundsiebzig insgesamt, herrlich anzusehen in ihren glänzenden Rüstungen. Die Menge begann zu jubeln, Flaggen wurden geschwenkt. Einige der Ritter wechselten bittere Blicke, alle dachten das gleiche: Wären sie nur einen Monat zuvor in Kalaman eingezogen, hätte man ihnen einen ganz anderen Empfang bereitet. Aber jetzt waren sie Helden. Dreihundert Jahre des Hasses und der Bitterkeit und der ungerechten Anschuldigungen waren aus der Erinnerung der Bevölkerung wie ausgelöscht, als sie jene bejubelten, die sie vor der Drachenarmee gerettet hatten.

Hinter den Rittern marschierten mehrere tausend Fußsoldaten. Und dann füllte sich zur Freude der Menge der Himmel über der Stadt mit Drachen – nicht mit den schrecklichen roten und blauen Scharen, vor denen sich die Leute den ganzen Winter über gefürchtet hatten. Statt dessen blitzten silberne, bronzene und goldene Flügel in der Sonne auf, als die ehrfurchterregenden Kreaturen in ihren gutorganisierten Scharen am Himmel kreisten, eintauchten und sich drehten. Ritter saßen in den Drachensatteln, die Klingen der Drachenlanzen funkelten im Morgenlicht. Nach der Parade versammelten sich die Stadtbewohner, um die Ansprache ihres Fürsten zu Ehren der Helden zu hören. Laurana errötete, als sie hörte, daß sie allein für die Entdeckung der Drachenlanzen, die Rückkehr der guten Drachen und die ungeheuren Siege der Armee verantwortlich wäre. Stammelnd versuchte sie, dem zu widersprechen, und wies auf ihren Bruder und die Ritter. Aber die Jubelschreie der Menge übertönten sie. Hilflos sah Laurana zu Fürst Michael, Großmeister Gunther Uth Wistans Vertreter, der kurz vorher aus Sankrist eingetroffen war. Michael grinste nur.

»Laß sie ihren Helden haben«, sagte er ihr. »Oder Heldin, sollte ich lieber sagen. Sie verdienen es. Den ganzen langen Winter über haben sie in Angst gelebt und auf den Tag gewartet, an dem die Drachen am Himmel erscheinen würden. Jetzt haben sie eine wunderschöne Heldin, den Märchen der Kinder entstiegen, um sie zu retten.«

»Aber das stimmt nicht!« protestierte Laurana, die näher zu Michael trat. Ihre Arme waren mit Winterrosen geschmückt. Der Duft war unangenehm, aber sie nahm sie aus Angst nicht ab, jemanden zu beleidigen. »Ich bin nicht aus einem Kindermärchen erschienen. Ich habe Feuer, Finsternis und Blut überlebt. Mir das Kommando zu übertragen, war eine politische List von Fürst Gunther gewesen – das wissen wir beide. Und wenn mein Bruder und Silvara nicht ihr Leben riskiert hätten, um die guten Drachen zu überzeugen, würden wir in diesen Straßen eine Parade in Ketten hinter der Finsteren Herrin abhalten.«

»Pah! Es tut ihnen gut. Und uns auch«, fügte Michael hinzu, der Laurana aus den Augenwinkeln betrachtete, während er der Menge zuwinkte. »Vor wenigen Wochen hätten wir den Fürsten nicht einmal um altbackenes Brot anbetteln können. Jetzt ist er wegen des Goldenen Generals einverstanden, die Armee in der Stadt zu stationieren, uns mit Vorräten, Pferden und allem, was wir wollen, zu versorgen. Junge Männer kommen in Scharen, um Soldaten zu werden. Unsere Armee wird um tausend oder mehr Männer anwachsen, bevor wir nach Dargaard aufbrechen. Und du hast die Moral unserer eigenen Soldaten gehoben. Du hast damals die Ritter im Turm des Oberklerikers erlebt – sieh sie jetzt an.«

Ja, dachte Laurana bitter. Ich habe sie erlebt. Zersplittert durch Meinungsverschiedenheiten in den eigenen Reihen, in Unehre gefallen, streitend und Intrigen schmiedend. Erst der Tod eines guten, ehrenhaften Mannes brachte sie wieder zur Vernunft. Laurana schloß die Augen. Der Lärm, der Duft der Rosen – der sie immer an Sturm erinnerte -, die Erschöpfung von der Schlacht, die Hitze der Mittagssonne, alles stürzte auf sie ein wie eine erdrückende Woge. Ihr wurde schwindlig, und sie fürchtete, ohnmächtig zu werden. Der Gedanke amüsierte sie leicht. Wie würde das aussehen – der Goldene General kippt wie eine verwelkte Blume um…

Dann spürte sie einen starken Arm.

»Ruhig Blut, Laurana!« sagte Gilthanas, der sie festhielt. Silvara stand neben ihr und nahm die Rosen von ihren Armen. Seufzend öffnete Laurana ihre Augen und lächelte schwach dem Fürsten zu, der gerade seine zweite Ansprache unter einem Beifallssturm beendete.

Ich sitze in der Falle, wurde Laurana klar. Sie würde hier den restlichen Nachmittag sitzen und die Ansprachen ertragen müssen, die ihre Heldentaten priesen. Sie wünschte sich nichts mehr, als an einem dunklen, kühlen Ort zu liegen und zu schlafen. Und es waren alles Lügen, alles nur Heuchelei. Wenn sie nun die Wahrheit erfahren würden. Was wäre, wenn sie aufstehen und ihnen erzählen würde, daß sie während der Schlachten so viel Angst hatte, daß sie sich an Einzelheiten nur in ihren Alpträumen erinnern würde? Wenn sie ihnen sagte, daß sie für die Ritter nichts anderes war als eine Spielkarte? Daß sie nur hier war, weil sie aus ihrem Elternhaus weggelaufen war – ein verwöhntes kleines Mädchen, daß einem Halb-Elfen nachgerannt war, der sie nicht einmal liebte? Was würden sie dann sagen?

»Und jetzt«, die Stimme des Fürsten von Kalaman übertönte den Lärm der Menge, »ist es mir eine Ehre, euch die Frau vorzustellen, die die entscheidende Wende des Krieges herbeigeführt hat, die Frau, die die Drachenarmee in die Ebenen geschickt hat, sie um ihr Leben rennen ließ, die Frau, die die bösen Drachen vom Himmel vertrieben hat, die Frau, deren Armee den verruchten Bakaris, Kommandant der Armee des Drachenfürsten, gefangengenommen hat, die Frau, deren Name schon jetzt mit dem des legendären Huma verbunden ist, des mutigsten Kriegers auf Krynn. In einer Woche wird sie nach Burg Dargaard reiten, um die Kapitulation der Drachenfürstin, bekannt als die Finstere Herrin, zu fordern…«

Die Stimme des Fürsten erstarb im Jubel. Er hielt inne, dann griff er hinter sich und zerrte Laurana fast nach vorn.

»Lauralanthalasa aus dem Königlichen Haus der Qualinesti!«

Der Beifall war ohrenbetäubend. Er hallte von den hohen Steingebäuden wider. Laurana sah auf das Meer geöffneter Münder und die heftig wedelnden Flaggen. Sie wollen nichts von meiner Furcht wissen, begriff Laurana müde. Sie haben selbst genug Furcht. Sie wollen nichts über Finsternis und Tod wissen. Sie wollen Kindermärchen über Liebe und Wiedergeburt und Silberdrachen.

Wollen wir das nicht alle?

Mit einem Seufzer wandte sich Laurana zu Silvara. Sie nahm die Rosen zurück, hielt sie hoch in die Luft und winkte der jubelnden Menge zu. Dann begann sie ihre Ansprache. Tolpan Barfuß verbrachte eine herrliche Zeit. Es war einfach gewesen, Flints wachsamem Blick zu entgehen und von der Plattform zu schlüpfen, wo er mit den anderen Würdenträgern stand. Er verschmolz mit der Menge und war nun frei, diese interessante Stadt aufs neue zu erforschen. Vor langer Zeit war er mit seinen Eltern in Kalaman gewesen, und er hegte liebevolle Erinnerungen an den Basar, den Hafen, wo die weißgeflügelten Schiffe vor Anker lagen, und an Hunderte andere wundervolle Dinge. Mit Muße wanderte er durch die fröhliche Menge, seine scharfen Augen sahen alles, seine Hände stopften geschäftig Dinge in seine Beutel. Wirklich, dachte Tolpan, die Leute von Kalaman sind äußerst sorglos! Geldbörsen hatten die unheimliche Angewohnheit, aus den Gürteln der Leute in Tolpans Hände zu fallen. Die Straßen hätten mit Juwelen gepflastert sein können, so wie er Ringe und andere faszinierende Schmuckstücke entdeckte.

Dann wurde der Kender in das Reich des Entzückens befördert, als er zufällig auf die Bude eines Kartographen stieß. Und wie das Schicksal es wollte, war der Kartograph weggegangen, um die Parade zu beobachten. Die Bude war verriegelt, an einem Haken hing ein großes Schild.