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Tolpan warf Flint einen alarmierten Blick zu. Der Zwerg errötete und versuchte eilig, seinen Fehler wiedergutzumachen.

»Nun, Laurana«, sagte er schroff, »nimm dir meine Worte nicht zu Herzen. Wenn du diesen Entschluß getroffen hast, werde ich dich unterstützen. Ich bin nur ein alter, brummiger Großvater, das ist alles. Ich mache mir Sorgen um dich, auch wenn du ein General bist. Und du solltest mich mitnehmen wie es im Brief steht…«

»Und mich auch!« schrie Tolpan entrüstet.

Flint funkelte ihn wütend an, aber Laurana bemerkte es nicht. Ihre Miene wurde weicher. »Ich danke dir, Flint. Dir auch, Tolpan«, sagte sie müde. »Es tut mir leid, daß ich euch angefahren habe. Aber ich glaube wirklich, ich sollte allein gehen.«

»Nein«, entgegnete Flint starrköpfig. »Ich sorge mich um Tanis genauso wie du. Wenn es wirklich stimmt, daß er im…«, der Zwerg schluckte und wischte mit einer Hand über seine Augen. Dann würgte er den Klumpen in seiner Kehle hinunter.

»Ich will bei ihm sein.«

»Ich auch«, murmelte Tolpan gedämpft.

»Nun gut.« Laurana lächelte traurig. »Ich kann es verstehen. Und ich bin sicher, auch er will euch dabeihaben.«

Sie klang so sicher, so überzeugt, daß sie Tanis sehen würde. Der Zwerg erkannte es in ihren Augen. Er machte einen letzten Versuch. »Laurana, was ist, wenn es eine Falle ist? Ein Hinterhalt…«

Lauranas Miene gefror wieder. Ihre Augen verengten sich wütend, und Flint schwieg. Er blickte zu Tolpan. Der Kender schüttelte den Kopf.

Der alte Zwerg seufzte.

11

Die Strafe für Versagen

»Hier ist es, Herr«, sagte der Drache, ein riesiges rotes Ungeheuer mit glänzenden schwarzen Augen und einer Flügelspanne, die wie die Schatten der Nacht war. »Burg Dargaard. Warte, im Mondschein kannst du es deutlich erkennen… wenn sich die Wolken teilen.«

»Ich sehe es«, erwiderte eine tiefe Stimme. Der Drache, der den messerscharfen Zorn in der Stimme des Mannes hörte, begann eilig mit dem Abstieg, überprüfte kreisend die schwankende Luftströmung in den Bergen. Nervös beäugte der Drache die Burg, die von den Felsen des zerklüfteten Gebirges umgeben war, und hielt nach einem Platz Ausschau, wo er sanft und problemlos landen konnte. Es wäre nicht gut, Lord Ariakus durchzuschütteln.

Am nördlichsten Ende der Dargaard-Berge lag ihr Ziel – Burg Dargaard, so düster und unheilvoll wie ihre Legenden. Einst, als die Welt jung gewesen war, hatte Burg Dargaard die Gebirgsgipfel geschmückt, ihre rosenfarbenen Mauern hatten sich in anmutiger, mitreißender Schönheit von den Felsen in der Ebenmäßigkeit einer Rose abgehoben. Aber jetzt, dachte Ariakus grimmig, war die Rose verwelkt. Der Drachenfürst war keineswegs ein poetischer Mann. Aber die feuergeschwärzte, zerfallene Burg auf dem Fels sah einer verblühten Rose an einem sterbenden Strauch so ähnlich, daß ihn das Bild heftig traf. Schwarze Gitter, die sich von einem zerstörten Turm zum nächsten zerstörten Turm erstreckten, wirkten längst nicht mehr wie die Blumenblätter der Rose, sondern, sinnierte Ariakus, wie das Netz einer Spinne, deren Gift die Burg getötet hatte. Der große rote Drache kreiste ein letztes Mal. Die südliche Mauer, die früher einmal den Hof befestigt hatte, war während der Umwälzung einige hundert Meter tief zum Fuß des Felsens gestürzt und hatte so eine Art Durchgang zu den Toren der Burg hinterlassen. Erleichtert aufatmend, sah der rote Drache unter sich glatten Pflasterstein, der nur hier und dort Risse aufwies, geeignet für eine reibungslose Landung. Selbst Drachen – die nur wenige Dinge auf Krynn fürchteten – empfanden es als gesünder, Lord Ariakus’ Mißfallen zu vermeiden.

Unten im Hof setzte plötzlich rege Tätigkeit ein, wie bei einem Ameisenhaufen, der durch das Nahen einer Wespe aufgescheucht wird. Drakonier schrien und zeigten nach oben. Der Hauptmann der Nachtwache eilte auf die Zinnen und blickte über die Mauer. Die Drakonier hatten recht. Eine Schar roter Drachen landete im Hof, einer von ihnen trug einen Offizier, nach der Rüstung zu urteilen. Der Hauptmann beobachtete mit Unbehagen, wie der Mann aus dem Drachensattel sprang, noch bevor sein Reittier hielt. Der Drache schlug heftig mit seinen Flügeln in dem Versuch, nicht den Offizier zu treffen, und ließ Staub hinter ihm aufwirbeln, als er zielstrebig über den Hof zur Tür schritt. Seine schwarzen Stiefel klirrten wie Totengeläut über die Pflastersteine.

Bei diesem Gedanken keuchte der Hauptmann auf, denn er hatte den Offizier erkannt. Er drehte sich um und wäre in seiner Eile beinahe über einen Drakonier gestolpert. Er verfluchte den Soldaten und rannte durch die Burg auf der Suche nach dem eingesetzten Befehlshaber, Garibanus.

Lord Ariakus’ gepanzerte Faust schlug so heftig gegen die Holztür, daß die Splitter flogen. Drakonier krochen herbei, um sie zu öffnen, und wichen kriecherisch zurück, als der Drachenfürst hineinstolzierte, begleitet von einem kalten Windzug, der die Kerzen auslöschte und die Flammen der Fackeln zum Flakkern brachte.

Beim Eintreten warf Ariakus durch seine glänzende Maske schnell einen Blick in den langen, kreisförmig angelegten Korridor, über den sich eine kuppelförmige Decke wölbte. Zwei riesige geschwungene Treppen erhoben sich zu beiden Seiten des Eingangs und führten zu einem Balkon auf der zweiten Ebene. Als sich Ariakus umschaute, die kriecherischen Drakonier übersehend, sah er Garibanus aus einer Tür in der Nähe der Treppe hervortreten, der hastig seine Hose zuknöpfte und ein Hemd über seinen Kopf zog. Der Hauptmann der Nachtwache stand zitternd neben Garibanus und wies nach unten auf den Drachenfürsten.

Ariakus wußte sofort, welche Gesellschaft der eingesetzte Befehlshaber genossen hatte. Offenbar ersetzte er den fehlenden Bakaris in mehr als einer Hinsicht!

»Da also ist sie!« dachte Lord Ariakus zufrieden. Er schritt durch den Korridor und die Treppe hoch, indem er zwei Stufen auf einmal nahm. Drakonier sprangen wie Ratten aus seinem Weg. Der Hauptmann der Nachtwache verschwand. Ariakus war etwa auf der Hälfte der Treppe, als Garibanus sich soweit gesammelt hatte, um ihn empfangen zu können.

»L…Lord Ariakus«, stammelte er, stopfte sein Hemd in die Hose und eilte die Stufen hinab. »Das ist eine – äh – unerwartete Ehre.«

»Nicht unerwartet, glaube ich«, gab Ariakus sanft zurück, seine Stimme klang seltsam metallisch unter dem Drachenhelm.

»Nun, vielleicht nicht«, sagte Garibanus mit einem nervösen Lachen.

Ariakus stieg weiter die Treppe hoch, seine Augen waren auf eine Tür gerichtet. Garibanus, der das Ziel des Fürsten erkannte, stellte sich zwischen Ariakus und die Tür.

»Mein Fürst«, begann er entschuldigend, »Kitiara ist gerade aufgestanden. Sie…«

Ohne ein Wort, sogar ohne im Schritt innezuhalten, schlug Lord Ariakus mit seiner behandschuhten Rechten zu. Der Schlag traf Garibanus am Brustkorb. Es zischte wie bei der Entleerung einer Lunge, Knochen splitterten, dann spritzte es auf, als der junge Mann durch die Wucht des Schlages gegen die Wand gegenüber der Treppe geschleudert wurde. Der schlaffe Körper glitt auf den Boden, aber Ariakus bemerkte es nicht. Ohne sich umzudrehen, schritt er weiter, seine Augen auf die Tür neben der Treppe gerichtet.

Lord Ariakus, Oberbefehlshaber der Drachenarmeen, der der Dunklen Königin direkt Bericht erstattete, war ein hervorragender Soldat, ein militärisches Genie. Ariakus hatte die Herrschaft über den Kontinent Ansalon fast in seiner Reichweite gehabt. Er ließ sich bereits »Herrscher« nennen. Seine Königin war wahrhaftig von ihm angetan, ihre Belohnungen waren vielzählig und großzügig.

Aber jetzt sah er seinen wunderbaren Traum wie Rauch durch seine Finger gleiten. Er hatte Berichte erhalten über seine Soldaten, die panisch über die solamnischen Ebenen flohen, aus Palanthas zurückwichen, sich von Burg Vingaard zurückzogen, Pläne über die Belagerung von Kalaman fallenließen. Die Elfen hatten sich mit den menschlichen Streitkräften im nördlichen und südlichen Ergod verbündet. Die Bergzwerge waren aus ihrem unterirdischen Reich Thorbadin aufgetaucht und hatten sich mit ihren uralten Feinden, den Hügelzwergen, und einer Gruppe menschlicher Flüchtlinge in der Absicht verbündet, die Drachenarmeen aus Abanasinia zu vertreiben. Silvanesti war befreit worden. Ein Drachenfürst war in Eismauer getötet worden. Und wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte, wurde Pax Tarkas von einer Gruppe Gossenzwerge gehalten! Während er die Stufen hinaufstieg und über diese Berichte nachdachte, steigerte sich Ariakus selbst in rasenden Zorn. Wenige hatten Lord Ariakus’ Mißfallen überlebt. Keiner jedoch überlebte seine Wutanfälle.