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Ariakus hatte seine einflußreiche Position von seinem Vater übernommen, der einen hohen Rang als Kleriker bei der Königin der Finsternis innegehabt hatte. Obwohl erst vierzig Jahre alt, hielt Ariakus diese Position schon seit fast zwanzig Jahren (sein Vater war durch die Hände des eigenen Sohns frühzeitig gestorben). Als Ariakus zwei Jahre alt gewesen war, hatte er mit ansehen müssen, wie sein Vater seine Mutter brutal umbrachte, die mit ihrem kleinen Sohn fliehen wollte, bevor das Kind genauso vom Bösen verdorben werden konnte wie sein Vater.

Zwar hatte Ariakus seinen Vater nach außen hin immer mit Respekt behandelt, aber niemals vergaß er den Mord an seiner Mutter. Er arbeitete hart und zeichnete sich in seinen Studien aus und war der ganze Stolz seines Vaters. Viele fragten sich, ob der Vater diesen Stolz auch empfunden hatte, als er die ersten Stöße der Messerklinge seines neunzehnjährigen Sohns in seinen Körper eindringen spürte, als Vergeltung für den Tod der Mutter – und mit einem Auge auf den Thron des Drachenfürsten.

Jedenfalls war diese Tat für die Königin der Finsternis keine große Tragödie, denn sie fand schon bald heraus, daß der junge Ariakus den Verlust ihres Lieblingsklerikers mehr als wettmachte. Der junge Mann hatte selbst keine klerikale Begabung, aber seine beachtlichen Fähigkeiten als Zauberkundiger ließen ihn die Schwarze Robe und die Empfehlungen der bösen Zauberer, die ihn unterrichteten, gewinnen. Er bestand zwar die furchtbaren Prüfungen in den Türmen der Erzmagier, aber für Magie hatte er nichts übrig. Er praktizierte sie selten und trug niemals die Schwarze Robe, die seinen Status als Zauberer böser Mächte kennzeichnete.

Ariakus’ wahre Leidenschaft war der Krieg. Er war es gewesen, der die Strategie erarbeitet hatte, mit der die Drachenfürsten und ihre Soldaten in der Lage gewesen waren, fast den gesamten Kontinent Ansalon zu unterjochen. Er war es gewesen, der sichergestellt hatte, daß sie kaum mit Widerstand zu rechnen hatten, denn es war seine glänzende Strategie gewesen, sich schnell zu bewegen, die zerstrittenen Rassen der Menschen, Elfen und Zwerge zu schlagen, bevor sie sich verbünden konnten, und sich ihr Land stückchenweise einzuverleiben. Ariakus’ Plan sah vor, bis zum Sommer endgültig über Ansalon zu herrschen. Andere Drachenfürsten auf den anderen Kontinenten Krynns betrachteten ihn mit unverhülltem Neid – und mit Angst. Denn ein Kontinent würde Ariakus nie zufriedenstellen. Seine Augen waren bereits auf den Westen, das Sirrion-Meer, gerichtet.

Aber jetzt – Unglück und Katastrophen.

Als Ariakus die Tür von Kitiaras Schlafzimmer erreichte, fand er sie verschlossen vor. Kühl sprach er ein Wort in der Sprache der Magie, und die schwere Holztür sprang auf. Ariakus schritt durch den Schauer von Funken und blauen Flammen, die die Tür verschlangen, mit der Hand an seinem Schwert.

Kit lag im Bett. Beim Anblick von Ariakus setzte sie sich auf, mit einer Hand hielt sie ihren Morgenmantel zusammen. Trotz seiner rasenden Wut bewunderte Ariakus die Frau, auf die er sich von all seinen Befehlshabern am meisten verließ. Obwohl er sie in ihrer dienstfreien Zeit überrascht hatte, obwohl sie wissen mußte, daß sie ihr Leben verwirkt hatte, indem sie zugelassen hatte, besiegt zu werden, betrachtete sie ihn kühl und gelassen. Nicht eine Spur von Furcht lag in ihren braunen Augen, nicht ein Wort kam über ihre Lippen.

Das machte Ariakus nur noch zorniger, da es ihn an seine tiefe Enttäuschung durch sie erinnerte. Ohne ein Wort zu sagen, riß er den Drachenhelm vom Kopf und schleuderte ihn durch das Zimmer, wo er gegen eine mit Schnitzereien verzierte Holzkommode fiel und wie Glas zersprang.

Als Kitiara Ariakus’ Gesicht sah, verlor sie für einen Augenblick die Beherrschung und schrak in ihrem Bett zurück, ihre Hand griff nervös nach den Bändern ihres Morgenmantels. Es gab wenige, die in Ariakus’ Gesicht sehen konnten, ohne jeden Mut zu verlieren. Es war ein Gesicht bar jeglicher menschlicher Empfindung. Selbst sein Zorn zeigte sich nur in einem Muskelzucken seiner Kiefer. Langes schwarzes Haar floß um sein bleiches Gesicht. Ein Eintagebart schimmerte blau auf seiner glattrasierten Haut. Seine Augen waren schwarz und kalt wie ein zugefrorener See.

Ariakus erreichte das Bett mit einem Sprung. Er riß die Vorhänge um das Bett herunter und griff in Kitiaras kurzes, lockiges Haar. Er zog sie an den Haaren aus dem Bett und schleuderte sie auf den Steinboden.

Kitiara fiel hart, ein Schmerzensschrei entfuhr ihr. Aber sie erholte sich schnell und wirbelte bereits wie eine Katze hoch, als Ariakus’ Stimme ihr Einhalt gebot.

»Auf die Knie, Kitiara«, befahl er. Langsam und bedächtig zog er sein langes, glänzendes Schwert aus der Scheide. »Auf die Knie und senke deinen Kopf, so wie die Verurteilten, die das Schafott bestiegen haben. Denn ich bin dein Scharfrichter, Kitiara. So bezahlen meine Befehlshaber für ihr Versagen!«

Kitiara kniete, aber sie sah weiter zu ihm auf. Als er den Haß in ihren braunen Augen aufflammen sah, war Ariakus einen Moment lang dankbar, das Schwert in seiner Hand zu halten. Wieder mußte er sie bewundern. Selbst im Angesicht des Todes lag keine Furcht in ihren Augen. Nur Trotz.

Er hob die Klinge, aber der Schlag wurde nie ausgeführt. Knochenkalte Finger legten sich um das Gelenk seiner Schwerthand.

»Ich denke, du solltest dir die Erklärung der Fürstin anhören«, ertönte eine hohle Stimme.

Lord Ariakus war ein starker Mann. Er konnte einen Speer mit solch einer Wucht werfen, daß er den Körper eines Pferdes durchdrang. Er konnte den Hals eines Mannes mit einer Drehung seiner Hand brechen. Aber von diesem eisigen Griff konnte er sich nicht befreien, der langsam sein Handgelenk zerquetschte. Schließlich ließ Ariakus unter unerträglichen Schmerzen das Schwert fallen. Klappernd fiel es auf den Boden. Kitiara erhob sich etwas benommen. Mit einer Geste befahl sie ihrem geisterhaften Häscher, Ariakus freizulassen. Der Fürst wirbelte herum, hob eine Hand, um die Magie zu beschwören, die diese Kreatur in Schlacke verwandeln würde.

Dann hielt er inne. Mit stockendem Atem taumelte Ariakus zurück, der Zauberspruch, der ihm auf den Lippen lag, verschwand aus seinem Gedächtnis.

Vor ihm stand eine größere Gestalt als er selbst, in einer uralten Rüstung, die noch aus der Zeit vor der Umwälzung stammen mußte. Die Rüstung war die eines Ritters aus Solamnia. Das Wappen des Ordens der Rose war auf der Vorderseite abgebildet, verblaßt und kaum noch sichtbar. Die gepanzerte Gestalt trug keinen Helm, keine Waffen. Dennoch trat Ariakus noch einen Schritt zurück. Denn die Gestalt, die er anstarrte, war nicht die eines lebenden Mannes.

Das Gesicht der Gestalt war durchsichtig. Ariakus konnte durch das Gesicht auf die dahinterliegende Wand sehen. Ein blasses Licht flackerte in den Augenhöhlen. Das Wesen schien geradeaus zu sehen, als ob es auch durch Ariakus hindurchsehen würde.

»Ein toter Ritter!« flüsterte er ehrfürchtig.

Der Fürst rieb sein schmerzendes Handgelenk, das betäubt war von der Kälte jenes, der in einem Reich lebt, das weit entfernt von der Wärme lebenden Fleisches ist. Verängstigter, als er je zugeben würde, beugte sich Ariakus, um sein Schwert aufzuheben, murmelte einen Zauber, um die Nachwirkungen dieser tödlichen Berührung abzuwehren. Als er sich wieder erhob, warf er Kitiara einen bitteren Blick zu.