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»Pssst!« befahl eine Stimme. »Du befindest dich nicht in Gefahr, wenn du den Mund hältst und das tust, was man dir sagt.«

Bakaris setzte sich erstaunt auf. Er hatte die Stimme erkannt. Warum auch nicht? Jede Nacht hatte sie in seinen Rachegedanken gesprochen. Die Elfenfrau! Und der Kommandant konnte zwei andere Gestalten, kleine Gestalten, im Schatten erkennen. Höchstwahrscheinlich der Zwerg und der Kender. Sie waren immer um die Elfenfrau herum.

Die Zellentür öffnete sich. Die Elfenfrau glitt herein. In ihrer Hand hielt sie einen Umhang.

»Beeil dich«, befahl sie kühl. »Zieh das an.«

»Erst wenn ich weiß, was los ist«, erwiderte Bakaris argwöhnisch, obwohl er innerlich jubelte.

»Wir tauschen dich aus… gegen einen anderen Gefangenen«, antwortete Laurana.

Bakaris runzelte die Stirn. Er durfte nicht allzu neugierig erscheinen.

»Ich glaube dir nicht«, sagte er und legte sich wieder auf sein Bett. »Es ist eine Falle…«

»Es interessiert mich nicht, was du glaubst!« schnappte Laurana ungeduldig. »Du kommst mit, und wenn ich dich ohnmächtig schlagen muß! Es spielt keine Rolle, ob du bei Bewußtsein bist oder nicht, solange ich in der Lage bin, dich Kiti… der Person, die dich will, vorzuzeigen!«

Kitiara! So war das also. Was hatte sie vor? Welches Spiel spielte sie? Bakaris zögerte. Er vertraute Kit genauso wenig wie sie ihm. Sie war fähig, ihn zu benutzen, um ihre eigenen Ziele voranzutreiben, was sie zweifellos gerade wieder tat. Aber vielleicht konnte er sie, als Gegenleistung, auch benutzen. Wenn er nur das Spiel durchschauen würde! Aber als er in Lauranas Gesicht sah, wußte Bakaris, daß sie willens war, ihre Drohung wahrzumachen. Er würde den rechten Moment abwarten müssen.

»Ich habe offenbar keine andere Wahl«, sagte er. Der Mond schien durch ein vergittertes Fenster in die schmutzige Zelle auf Bakaris’ Gesicht. Er war seit Wochen im Gefängnis. Er wußte nicht, wie lange, er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Als er nach dem Umhang griff, sah er in Lauranas kalte grüne Augen, die aufmerksam und vor Ekel leicht verengt auf ihn gerichtet waren.

Unsicher kratzte sich Bakaris mit seiner gesunden Hand am Bart.

»Entschuldigt, meine Dame«, sagte er sarkastisch, »aber die Diener in Eurem Haus haben nicht daran gedacht, mir ein Rasiermesser zu bringen. Ich weiß, daß euch Elfen der Anblick von Gesichtshaaren ekelt!«

Zu seiner Überraschung bemerkte Bakaris, daß seine Worte Gefühlsregungen auslösten. Laurana wurde leichenblaß, ihre Lippen kreideweiß. Nur mit äußerster Kraftanstrengung verlor sie nicht die Beherrschung. »Geh!« sagte sie mit erstickter Stimme.

Der Zwerg betrat mit seiner Streitaxt in der Hand die Zelle.

»Du hast den General gehört«, knurrte Flint. »Mach endlich! Wieso du elendes Aas es überhaupt wert bist, gegen Tanis…«

»Flint!« sagte Laurana kurz.

Plötzlich verstand Bakaris! Kitiaras Plan begann in seinen Gedanken Formen anzunehmen.

»Tanis also! Er ist derjenige, gegen den ich ausgetauscht werde.« Er beobachtete eingehend Lauranas Gesicht. Es zeigte keine Reaktion. Er hätte genausogut über einen Fremden sprechen können statt über einen Mann, von dem er durch Kitiara wußte, daß diese Frau ihn liebte. Er versuchte es noch einmal, um seine Theorie zu überprüfen. »Ich würde ihn jedoch nicht als Gefangenen bezeichnen, höchstens als einen Gefangenen der Liebe. Kit muß ihn leid sein. Na gut. Armer Mann. Ich werde ihn vermissen. Er und ich hatten einiges gemeinsam…«

Jetzt zeigte sich eine Reaktion. Er sah, wie sich ihre zarten Kiefer verkrampften, wie ihre Schultern unter dem Umhang zitterten. Wortlos drehte sich Laurana um und schritt aus der Zelle. Er hatte also recht. Es hatte etwas mit dem bärtigen Halb-Elfen zu tun. Aber was? Tanis hatte Kit in Treibgut verlassen. Hatte sie ihn wiedergefunden? War er zu ihr zurückgekehrt? Bakaris verstummte und zog den Umhang enger um sich. Es spielte keine Rolle, jedenfalls nicht für ihn. Er würde diese neue Information für seine Rache verwenden können. Sich Lauranas angespanntes, blasses Gesicht im Mondlicht vergegenwärtigend, dankte Bakaris der Dunklen Königin für ihr Wohlwollen, während der Zwerg ihn aus der Zellentür schubste. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Nur eine blasse lilafarbene Linie am östlichen Horizont zeigte an, daß der neue Tag in ungefähr einer Stunde dämmern würde. Es war noch dunkel und still in der Stadt Kalaman – die Stadt schlief friedlich nach dem Tag und der Nacht der Festlichkeiten. Selbst die Wachen gähnten auf ihren Posten, und gelegentlich war lautes Schnarchen zu hören. Für die vier Gestalten war es ein einfaches, lautlos durch die Straßen zu huschen, bis sie eine kleine, verschlossene Tür in der Stadtmauer erreichten.

»Diese Tür führte früher zu einigen Stufen, die nach oben zur Mauer gingen, über diese Mauer kommt man dann zur anderen Seite«, flüsterte Tolpan, der in seinen Beuteln hantierte, bis er sein Werkzeug gefunden hatte.

»Woher weißt du das?« murrte Flint, der sich nervös umschaute.

»Ich war früher oft in Kalaman, als ich noch klein war«, antwortete Tolpan. Er fand ein Stück Draht und ließ es in das Schloß gleiten. »Mit meinen Eltern. Wir haben immer diese Tür benutzt.«

»Warum habt ihr nicht das Haupttor benutzt, oder wäre das zu einfach gewesen?« knurrte Flint.

»Beeil dich!« befahl Laurana ungeduldig.

»Wir hätten das Haupttor benutzt«, erklärte Tolpan, der weiter mit Draht arbeitete. »Ach ja.« Er entfernte den Draht, steckte ihn sorgfältig wieder in seinen Beutel zurück, dann schob er leise die alte Tür auf. »Wo war ich? O ja. Wir hätten das Haupttor benutzt, aber Kendern war das Betreten der Stadt nicht erlaubt.«

»Und deine Eltern sind trotzdem gegangen!« schnaufte Flint, während er Tolpan durch die Tür zu einer schmalen Steintreppe folgte. Der Zwerg hörte dem Kender nur halb zu. Er hielt ein wachsames Auge auf Bakaris, der sich nach Flints Ansicht zu willig benahm. Laurana hatte sich völlig in sich zurückgezogen. Ihre einzigen Worte waren kurze Aufforderungen, sich zu beeilen.

»Nun, natürlich«, sagte Tolpan, der fröhlich drauflos plapperte. »Sie hatten es immer als einen Irrtum betrachtet. Ich meine, warum sollten wir mit Goblins gleichgestellt werden? Jemand mußte uns einfach zufällig auf die gleiche Liste gesetzt haben. Aber meine Eltern empfanden es nicht als höflich, darüber zu streiten. Und darum sind wir eben durch die Nebentür ein und aus gegangen. Einfacher für jeden hier in der Gegend. Da sind wir. Öffne die Tür – sie ist gewöhnlich nicht verschlossen. Huch, paß auf. Da ist eine Wache. Warte, bis sie vorbei ist.«

Sie drückten sich gegen die Mauer, bis die Wache müde vorbeigestolpert war. Dann überquerten sie leise die Mauer, traten durch eine weitere Tür, liefen eine andere Treppe hinunter und befanden sich dann außerhalb der Stadtmauern.

Es war niemand da. Bebend hüllte Flint sich tiefer in seinen Umhang. Befürchtungen stiegen in ihm hoch. Was war, wenn Kitiara die Wahrheit gesagt hatte? Was war, wenn Tanis bei ihr war? Was war, wenn er im Sterben lag?

Wütend zwang Flint sich, nicht daran zu denken. Er hoffte fast, daß es eine Falle sein würde! Plötzlich wurden seine düsteren Gedanken von einer barschen Stimme unterbrochen, die so dicht in ihrer Nähe sprach, daß er entsetzt zurückschrak.

»Bist du es, Bakaris?«

»Ja. Gut, dich wiederzusehen, Gakhan.«

Benommen drehte Flint sich um. Eine dunkle Gestalt war aus dem Schatten der Mauer getreten. Sie war völlig vermummt. Er erinnerte sich an Tolpans Beschreibung des Drakoniers.

»Tragen sie noch andere Waffen mit sich?« fragte Gakhan, seine Augen auf Flints Streitaxt gerichtet.

»Nein«, antwortete Laurana scharf.

»Durchsuch sie«, befahl Gakhan Bakaris.

»Du hast mein Ehrenwort«, sagte Laurana wütend. »Ich bin eine Prinzessin der Qualinesti…«

Bakaris trat einen Schritt zu ihr. »Elfen haben ihren eigenen Ehrenkodex«, höhnte er. »Oder so ähnlich hast du es in der Nacht gesagt, als du mich mit deinem verdammten Pfeil angeschossen hast.«