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Tanis hatte anfangs angenommen, daß Berem das Schiff in den Mahlstrom gesteuert hätte, weil er diesen Ort kannte, daß er sie mit Absicht hierhergebracht hätte.

Aber jetzt war sich der Halb-Elf nicht mehr so sicher. Der verwirrte und verängstigte Blick Berems zeigte, daß er auch keine Ahnung hatte, wo sie waren. Die bloße Tatsache, daß er sogar mit ihnen sprach, war ein Indiz dafür, daß er die Wahrheit sagte. Er war verzweifelt. Er wollte hier heraus. Warum?

»Berem…«, begann Tanis, erhob sich und schritt im Zimmer auf und ab. Er spürte, daß Berems Blick ihm folgte. »Wenn du vor der Königin der Finsternis wegläufst, dann scheint das doch hier das ideale Versteck zu sein…«

»Nein!« schrie Berem.

Tanis wirbelte herum. »Warum nicht? Warum willst du unbedingt hier weg? Warum willst du dorthin zurück, wo sie dich finden wird?«

Berem krümmte sich auf seinem Stuhl. »Ich… ich weiß nichts über diesen Ort! Ich schwöre es! Ich… ich muß zurück… Es gibt einen Ort, wo ich hingehen muß… Ich suche etwas… Bevor ich es nicht finde, werde ich nicht zur Ruhe kommen.«

»Es finden! Was finden?« schrie Tanis. Er spürte Goldmonds Hand an seinem Arm, und er wußte, er tobte wie ein Wahnsinniger, aber es war so enttäuschend! Etwas zu haben, das der Königin der Finsternis die Macht über die Welt geben könnte, und nicht zu wissen, was es war!

»Ich kann es dir nicht sagen!« wimmerte Berem.

Tanis hielt den Atem an, schloß seine Augen und versuchte, sich zu beruhigen. In seinem Kopf hämmerte es. Er hatte das Gefühl, daß er in tausend Stücke zerbersten würde. Goldmond erhob sich. Sie legte beide Hände auf seine Schultern und flüsterte ihm besänftigende Worte zu, von denen er außer dem Namen Mishakal nichts verstand. Langsam verging das schreckliche Gefühl und ließ ihn leer und erschöpft zurück.

»In Ordnung, Berem.« Tanis seufzte. »Es ist alles in Ordnung. Es tut mir leid. Wir werden darüber nicht mehr reden. Erzähl mir von dir. Woher kommst du?«

Berem zögerte einen Moment lang, seine Augen verengten sich, und er verspannte sich. Tanis war über Berems merkwürdiges Verhalten erstaunt. »Ich komme aus Solace. Woher kommst du?« wiederholte er beiläufig.

Berem musterte ihn argwöhnisch. »Ihr… ihr habt sicherlich nie davon gehört. Ein… ein kleines Dorf außerhalb von… außerhalb von…«, er schluckte, dann räusperte er sich.

»Neraka.«

»Neraka?« Tanis sah fragend zu Flußwind.

Der Barbar schüttelte den Kopf. »Er hat recht. Ich habe noch nie davon gehört.«

»Ich auch nicht«, murmelte Tanis. »Zu schade, daß Tolpan und seine Karten nicht hier sind… Berem, warum…«

»Tanis!« schrie Goldmond.

Der Halb-Elf erhob sich bei dem Klang ihrer Stimme, seine Hand fuhr automatisch zu seinem nicht vorhandenen Schwert. Schwach erinnerte er sich, daß sein Gewicht ihn nach unten gezogen hatte. Er verfluchte sich, Flußwind nicht gebeten zu haben, an der Tür Wache zu halten. Jetzt konnte er nichts unternehmen, sondern nur den rotgekleideten Mann anstarren, der an der Türschwelle stand.

»Hallo«, sagte der Mann freundlich in der Umgangssprache. Die roten Gewänder brachten Raistlins Bild mit solcher Wucht zurück, daß dem Halb-Elfen alles vor den Augen verschwamm. Einen Moment lang dachte er, es wäre Raistlin. Dann sah er es deutlich. Dieser Magier war älter – viel älter, und sein Gesicht wirkte freundlich.

»Wo sind wir?« fragte Tanis barsch. »Wer bist du? Warum wurden wir hierhergebracht?«

»KreeaQUEKH«, sagte der Mann voller Abscheu, drehte sich um und ging fort.

»Verdammt!« Tanis sprang vor in der Absicht, den Mann zu ergreifen und zurückzuziehen. Aber er spürte einen festen Griff an seiner Schulter.

»Warte«, rief Flußwind. »Beruhige dich, Tanis. Er ist ein Zauberkundiger. Du könntest ihn nicht bekämpfen, selbst wenn du dein Schwert hättest. Wir folgen ihm, mal sehen, wohin er geht. Wenn er über diesen Ort einen Zauber geworfen hat, muß er ihn vielleicht aufheben, um selbst wieder herauszukommen.«

Tanis holte tief Luft. »Du hast natürlich recht. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich fühle mich so gespannt wie die Haut über einer Trommel. Wir folgen ihm. Goldmond, bleib mit Berem hier…«

»Nein!« schrie Berem. Er sprang auf und klammerte sich mit solcher Kraft an Tanis, daß er ihn beinahe umgeworfen hätte.

»Laß mich nicht hier zurück! Tu es nicht!«

»Wir lassen dich nicht zurück!« sagte Tanis, während er versuchte, sich aus Berems todesähnlich starrem Griff zu befreien. »Nun, in Ordnung. Vielleicht sollten wir lieber alle zusammenbleiben.«

Sie eilten in den schmalen Korridor und dann zu der trostlosen, verlassenen Eingangshalle.

»Da ist er!« zeigte Flußwind.

Im schwachen Licht konnten sie gerade noch ein Stückchen von dem roten Gewand um eine Ecke gleiten sehen.

Geräuschlos folgten sie. Der Korridor führte in einen anderen Korridor mit anderen Räumen, die von ihm abzweigten.

»Das war vorher nicht da!« rief Flußwind aus. »Sonst waren hier immer solide Wände.«

»Solide Illusionen«, murrte Tanis. Sie traten in den Korridor und sahen sich neugierig um. Räume mit den gleichen uralten, nicht zusammenpassenden Möbeln wie in ihrem Zimmer gingen zu beiden Seiten ab. Diese Räume waren auch leer, aber alle von dem gleichen seltsamen Licht beleuchtet. Vielleicht war es ein Wirtshaus. Wenn dem so war, dann waren sie offensichtlich die einzigen Kunden und würden vielleicht die einzigen für die nächsten hundert Jahre bleiben.

Sie setzten ihren Weg durch verfallene Korridore und riesige, säulengeschmückte Hallen fort. Es gab keine Zeit, die Umgebung zu untersuchen, nicht während sie dem rotgekleideten Mann folgten, der sich erstaunlich schnell fortbewegte. Zweimal dachten sie, ihn verloren zu haben, nur um dann wieder einen kurzen Blick auf die rote Robe zu erhaschen, die auf einer Wendeltreppe verschwand oder durch einen abzweigenden Gang flatterte.

An solch einer Verbindungsstelle hielten sie einen Moment inne, blickten in zwei abweichende Flure und fühlten sich verloren und enttäuscht.

»Wir teilen uns auf«, entschied Tanis nach einem Moment.

»Aber geht nicht zu weit. Wir treffen uns wieder hier. Wenn du ihn siehst, Flußwind, pfeif einmal. Ich mache das gleiche.«

Flußwind und Goldmond nickten und glitten in den einen Flur, während Tanis und Berem, der praktisch auf seinen Fersen trippelte, den anderen durchsuchten.

Sie fanden nichts. Der Gang führte zu einem großen Saal, der genauso unheimlich beleuchtet war wie alles andere an diesem seltsamen Ort. Sollte er hineingehen oder umkehren? Nachdem er einen Augenblick gezögert hatte, entschied Tanis, einen kurzen Blick in den Saal zu werfen. In dem Raum stand nur ein runder Tisch. Und auf dem Tisch, erkannte er beim Nähertreten, lag eine bemerkenswerte Karte!

Tanis beugte sich über die Karte in der Hoffnung, einen Hinweis zu finden, wo sie waren und was das für ein geheimnisvoller Ort war. Die Karte war eine verkleinerte Wiedergabe einer Stadt! Von einer Kuppel aus klarem Kristall geschützt, war sie so genau im Detail dargestellt, daß Tanis das merkwürdige Gefühl hatte, daß die Stadt unterhalb der Kristallkuppel realer war als diejenige, in der er sich offensichtlich aufhielt.

»Zu schade, daß Tolpan nicht hier ist«, dachte er wehmütig und malte sich die Freude des Kenders aus.

Die Gebäude waren im uralten Stil erbaut; zierliche Türme erhoben sich in den kristallklaren Himmel, Licht funkelte von den weißen Kuppeln. Bogengänge aus Stein spannten sich über die mit Bäumen gesäumten Prachtstraßen. Die Straßen waren wie ein großes Spinnennetz angelegt und führten letztendlich im Stadtkern zusammen.

Berem zerrte nervös an Tanis’ Ärmel, damit zum Ausdruck bringend, daß sie besser gehen sollten. Obwohl er sprechen konnte, war es offensichtlich, daß der Mann sich daran gewöhnt hatte oder es vielleicht vorzog zu schweigen.

»Ja, nur einen Moment«, sagte Tanis widerstrebend. Er hatte nichts von Flußwind gehört, und es bestand immerhin die Möglichkeit, daß diese Karte sie vielleicht aus diesem Ort führen konnte.