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Sie hatte sie natürlich schon gesehen, als der Mann sie hierhergebracht hatte, aber in ihrer Sorge hatte sie nichts wahrgenommen. Jetzt bemerkte sie, daß sie sich in einer Kammer eines zerstörten Gebäudes befanden. Die Luft war warm und stickig. Pflanzen wuchsen üppig bei der feuchten Luft.

Es gab auch Möbel, so alt und ruiniert wie das Zimmer, die willkürlich aufgestellt waren. Caramon lag auf einem dreibeinigen Bett – die vierte Bettecke wurde von einem Stapel alter, moosbedeckter Bücher gestützt. Dünne Wasserbäche tröpfelten wie kleine, glitzernde Schlangen von einer Steinwand herab, die vor Feuchtigkeit glänzte. Tatsächlich glänzte alles vor Feuchtigkeit und spiegelte das blasse, unheimlich grüne Licht wider, das von dem Moos an der Wand herunterfunkelte.

Das Moos war überall, in jeder Farbe und jeder Art. Dunkelgrün, goldgelb, korallenrot – es kletterte die Wände hoch und wand sich über die kuppelförmige Decke.

»Was mache ich hier?« murmelte sie. »Und was ist hier?«

»Hier ist… Nun, vermutlich kannst du hier sagen«, antwortete Zebuiah freundlich. »Die Meer-Elfen haben euch vor dem Ertrinken gerettet, und ich habe euch hierhergebracht.«

»Meer-Elfen? Ich habe nie von Meer-Elfen gehört«, sagte Tika und sah sich neugierig um, als ob eine im Schrank versteckt sein könnte. »Und ich erinnere mich nicht, daß Elfen mich gerettet haben. Ich kann mich nur noch an so etwas wie riesige, sanfte Fische erinnern…«

»Oh, du brauchst dich nicht nach Meer-Elfen umzusehen. Du wirst sie nicht sehen. Sie fürchten und mißtrauen KreeaQUEKH – Luftatmern, in ihrer Sprache. Und jene Fische waren die Meer-Elfen. Nur in dieser Gestalt zeigen sie sich den KreeaQUEKH. Ihr nennt sie Delphine.«

Caramon bewegte sich und stöhnte im Schlaf. Tika legte ihre Hand auf seine Stirn, strich sein feuchtes Haar aus dem Gesicht, beruhigte ihn.

»Warum haben sie dann unser Leben gerettet?« fragte sie.

»Kennst du Elfen?« fragte Zebuiah.

»Ja«, antwortete Tika weich, an Laurana denkend.

»Dann weißt du auch, daß für alle Elfen das Leben heilig ist.«

»Ich verstehe.« Tika nickte. »Und wie die Elfen auf dem Land sagen sie sich von der Welt los, statt ihr zu helfen.«

»Sie tun, was sie können, um zu helfen«, wies Zebuiah sie streng zurecht. »Urteile nicht über etwas, das du nicht verstehst, junge Frau.«

»Es tut mir leid«, sagte Tika und errötete. Sie wechselte das Thema. »Aber du bist ein Mensch. Warum…«

»Warum ich hier bin? Ich habe weder Zeit noch Lust, dir meine Geschichte zu erzählen, denn offensichtlich würdest du mich nicht verstehen. Auch die anderen nicht.«

Tika hielt den Atem an. »Es gibt noch andere? Hast du noch andere von unserem Schiff gesehen… unsere Freunde?«

Zebuiah zuckte mit den Schultern. »Es sind immer andere hier unten. Es gibt unendlich viele Ruinen hier, und in vielen sind kleine Luftlöcher. Diejenigen, die wir retten, bringen wir in die am nächsten gelegenen Gebäude. Was deine Freunde betrifft, dazu kann ich nichts sagen. Wenn sie mit euch auf dem Schiff waren, sind sie wahrscheinlich gestorben. Die Meer-Elfen haben für die Toten die entsprechenden Rituale durchgeführt und ihre Seelen auf den Weg geschickt.« Zebuiah erhob sich.

»Es freut mich, daß dein junger Freund überlebt hat. Es gibt hier genug zum Essen. Die meisten Pflanzen sind eßbar. Wenn du möchtest, kannst du in den Ruinen Spazierengehen. Ich habe sie mit einem Zauber belegt, damit du nicht in das Meer gerätst und ertrinkst. Bring hier alles in Ordnung. Du wirst noch mehr Möbel…«

»Aber warte!« schrie Tika. »Wir können hier nicht bleiben! Es gibt doch sicher einen Weg nach oben?«

»Alle fragen mich danach«, sagte Zebuiah mit einer Spur von Ungeduld. »Und offen gesagt, denke ich auch so. Es muß einen Weg nach oben geben. Manche scheinen ihn zufällig zu finden. Dann gibt es noch solche, die einfach entscheiden, daß sie hierbleiben wollen – so wie ich. Ich habe mehrere alte Freunde, die seit Jahren hier leben. Aber, überleg es dir. Sieh dich um. Aber achte darauf, in den Teilen der Ruinen zu bleiben, die wir hergerichtet haben.« Er wandte sich zur Tür.

»Warte! Geh nicht!« Tika sprang auf und lief hinter dem rotgekleideten Magier her. »Du könntest meine Freunde sehen. Du könntest ihnen sagen…«

»Oh, das bezweifle ich«, erwiderte Zebuiah. »Um die Wahrheit zu sagen – und keine Beleidigung, junge Frau -, ich habe genug von deiner Unterhaltung. Je länger ich hier lebe, um so mehr verärgern mich solche KreeaQUEKH wie du. Immer in Eile. Niemals zufrieden mit einem Ort. Du und dein junger Freund, ihr wäret viel glücklicher hier unten auf dieser Welt als oben in der anderen. Aber nein, ihr bringt euch selbst um bei dem Versuch, einen Weg zurück zu finden. Und was erwartet euch oben? Verrat!« Er warf einen kurzen Blick auf Caramon.

»Oben ist Krieg!« schrie Tika leidenschaftlich. »Die Leute leiden. Kümmert dich das nicht?«

»Die Leute oben leiden immer«, antwortete Zebuiah. »Es gibt nichts, was ich dagegen unternehmen könnte. Nein, es kümmert mich nicht. Wohin bringt es dich? Wohin hat es ihn gebracht?«

Er drehte sich um und schlug die klapprige Tür beim Hinausgehen hinter sich zu.

Tika starrte dem Mann unsicher nach, fragte sich, ob sie ihm nicht nachlaufen und ihn festhalten sollte. Er war offenbar ihre einzige Verbindung zu der Welt dort oben. Wo auch immer hier unten war…

»Tika…«

»Caramon!« Zebuiah vergessend, lief Tika zu dem Krieger, der gerade versuchte, sich aufzurichten.

»Wo im Namen der Hölle sind wir?« fragte er und sah sich mit weit aufgerissenen Augen um. »Was ist passiert? Das Schiff…«

»Ich… ich weiß es nicht genau«, stammelte Tika. »Fühlst du dich kräftig genug, um zu sitzen? Vielleicht solltest du lieber liegen…«

»Mir geht es gut«, schnappte Caramon. Als sie vor seiner Grobheit zusammenzuckte, streckte er seine Arme aus und zog sie an sich. »Es tut mir leid, Tika. Verzeih mir. Es ist nur… ich…« Er schüttelte den Kopf.

»Ich verstehe«, sagte Tika leise. Sie legte ihren Kopf an seine Brust und erzählte ihm von Zebuiah und den Meer-Elfen. Caramon hörte zu, blinzelte verwirrt, während er langsam die Neuigkeiten verdaute. Mit finsterem Blick sah er zur Tür.

»Ich wünschte, ich wäre wach gewesen«, murmelte er. »Dieser Zebuiah kennt mit großer Wahrscheinlichkeit den Weg nach oben. Ich hätte ihn schon dazu gebracht, ihn uns zu zeigen.«

»Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte Tika zweifelnd. »Er ist ein Zauberkundiger wie…« Sie brach eilig ab. Als sie den Schmerz in Caramons Gesicht sah, schmiegte sie sich enger an ihn und streichelte sein Gesicht.

»Weißt du, Caramon«, sagte sie leise, »irgendwie hat er recht. Wir könnten hier unten glücklich sein. Ist dir klar, daß wir zum ersten Mal allein sind? Ich meine, richtig allein, nur du und ich? Und es ist irgendwie so ruhig und friedlich und schön. Das schimmernde Licht von dem Moos ist so weich und heimelig, nicht so grob und stechend wie das Sonnenlicht. Und hör das Wasser murmeln, es singt für uns. Dann diese uralten Möbel, dieses lustige Bett…«

Tika verstummte. Sie spürte Caramons Arme um ihren Körper. Seine Lippen fuhren über ihr Haar. Ihre Liebe zu ihm wallte in ihr auf, ließ ihr Herz vor Schmerz und Verlangen fast stillstehen. Schnell schlang sie ihre Arme um ihn, hielt ihn fest, spürte sein Herz gegen ihr Herz schlagen.

»O Caramon!« flüsterte sie atemlos. »Laß uns glücklich sein! Bitte! Ich… ich weiß, daß wir irgendwann gehen müssen. Wir müssen die anderen finden und zu der Welt nach oben zurückkehren. Aber jetzt, laß uns allein sein – nur du und ich!«

»Tika!« Caramon umklammerte sie, drückte sie an sich, als ob er ihre Körper zu einem verschmelzen wollte, zu einem einzigen Lebewesen. »Tika, ich liebe dich! Ich… ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich erst mit dir Zusammensein kann, wenn ich mich völlig dir hingeben kann. Ich kann es nicht noch nicht.«