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»Doch, du kannst!« sagte Tika heftig. Sie schob sich von ihm fort und sah ihm in die Augen. »Raistlin ist nicht mehr da, Caramon! Du kannst jetzt dein eigenes Leben führen!«

Caramon schüttelte sanft den Kopf. »Raistlin ist immer noch ein Teil von mir. Er wird es immer sein, so wie ich immer ein Teil von ihm sein werde. Kannst du das verstehen?«

Nein, sie konnte es nicht, aber sie nickte trotzdem, ließ ihren Kopf hängen.

Lächelnd holte Caramon Luft. Dann legte er seine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. Ihre Augen sind wunderschön, dachte er. Grün, mit braunen Pünktchen. Jetzt schimmerten sie von Tränen. Ihre Haut war gebräunt, und sie hatte mehr Sommersprossen als sonst, und sie waren ihr lästig. Tika würde sieben Jahre ihres Lebens für eine makellose Haut, wie Laurana sie hatte, geben. Aber Caramon liebte jede Sommersprosse, er liebte ihr krauses, lockiges rotes Haar.

Tika sah die Liebe in seinen Augen. Sie hielt den Atem an. Er zog sie näher zu sich. Sein Herz klopfte schneller, als er flüsterte: »Ich gebe dir alles, was ich von mir geben kann, Tika, wenn du dich damit zufrieden gibst. Ich wünschte um deinetwillen, es wäre mehr.«

»Ich liebe dich!« sagte sie nur und umarmte ihn.

Er wollte sichergehen, daß sie verstanden hatte. »Tika…«, begann er.

»Pst, Caramon…«

15

Apoletta

Nach einer langen Verfolgungsjagd durch die Straßen einer Stadt, deren zerfallende Schönheit für Tanis ein Greuel war, betraten sie einen der Paläste im Zentrum. Sie liefen durch einen ausgestorbenen Garten und einen Korridor, bogen um eine Ecke und blieben stehen. Der rotgekleidete Mann war nirgendwo zu sehen.

»Stufen!« sagte Flußwind plötzlich. Tanis sah, daß sie oben auf einer Marmortreppe standen, die steil abfiel. Darum also hatten sie den Mann aus den Augen verloren. Weiter unten konnten sie wieder die rote Robe flattern sehen.

»Bleibt im Schatten der Mauer«, warnte Flußwind, als er sie zu einer Treppenseite führte. Die Treppe bot so viel Platz, daß fünfzig Männer nebeneinander hätten hinuntergehen können. Verblaßte und rissige Wandgemälde waren immer noch so lebensecht erhalten, daß Tanis wieder den Eindruck bekam, daß die dargestellten Personen lebendiger waren als er. Vielleicht hatten einige genau an dieser Stelle gestanden, als das feurige Gebirge auf den Tempel des Königspriesters gestürzt war… Er setzte seinen Weg fort und versuchte, nicht daran zu denken. Nach etwa zwanzig Stufen kamen sie zu einem breiten Treppenabsatz, der mit lebensgroßen silbernen und goldenen Statuen geschmückt war. Von dort führten die Stufen weiter nach unten zu einem anderen Treppenabsatz, dann folgten noch mehr Stufen, und so ging es weiter, bis sie alle erschöpft waren und nach Luft rangen. Immer noch flatterte vor ihnen die rote Robe.

Plötzlich nahm Tanis eine Veränderung in der Luft wahr. Sie wurde feuchter, ein starker Geruch von Meer. Als er lauschte, hörte er das schwache Geräusch von Wasser, das gegen Stein plätscherte. Flußwind berührte seinen Arm und zog ihn in den Schatten zurück. Sie waren nahe am Ende der Stufen angelangt. Der rotgekleidete Mann stand auf der untersten Stufe und spähte in einen dunklen Teich, der sich vor ihm in eine riesige, düstere Höhle erstreckte.

Der rotgekleidete Mann kniete am Rand des Wassers nieder. Und dann bemerkte Tanis eine andere Gestalt im Wasser! Er konnte im Fackelschein Haare glänzen sehen – sie hatten einen blassen, grünlichen Schimmer. Zwei schlanke weiße Arme ruhten auf den Steinstufen, der Rest der Gestalt war unter Wasser. Der Kopf der Gestalt lag auf ihren Armen in einem Zustand völliger Entspanntheit. Der rotgekleidete Mann streckte eine Hand aus und berührte sanft die Gestalt im Wasser. Sie hob ihren Kopf.

»Ich habe gewartet«, sagte eine Frauenstimme anklagend. Tanis keuchte. Die Frau sprach in der Elfensprache! Jetzt konnte er ihr Gesicht sehen, die großen, strahlenden Augen, die spitz zulaufenden Ohren, die zarten Gesichtszüge…

Eine Meer-Elfe!

Bruchstücke von Geschichten aus seiner Kindheit fielen Tanis wieder ein, während er versuchte, der Unterhaltung zwischen dem rotgekleideten Mann und der Elfenfrau, die ihn liebevoll anlächelte, zu folgen.

»Es tut mir leid, Liebste«, entschuldigte sich der rotgekleidete Mann in der Elfensprache und setzte sich zu ihr. »Ich habe nach dem jungen Mann gesehen, dessentwegen du dir Sorgen gemacht hast. Es geht ihm jetzt gut. Aber er war nahe dran. Du hattest recht. Er wollte unbedingt sterben. Irgend etwas wegen seines Bruders, eines Magiers, der ihn verraten hat.«

»Caramon!« murmelte Tanis. Flußwind sah ihn fragend an. Der Barbar konnte der Elfenunterhaltung natürlich nicht folgen. Tanis schüttelte den Kopf, er wollte nicht verpassen, was der Mann sonst noch erzählte.

»QueaKI’ICHKeecx«, sagte die Frau verächtlich. Tanis war verwirrt, dieses Wort war sicher nicht elfisch!

»Ja!« Der Mann runzelte die Stirn. »Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß die beiden in Sicherheit sind, ging ich zu den anderen. Einer von ihnen – ein Bärtiger, ein Halb-Elf sprang mich an, als ob er mich verschlingen wollte! Den anderen, die wir gerettet haben, geht es gut.«

»Die Toten haben wir den Ritualen entsprechend aufgebahrt«, sagte die Frau, und Tanis konnte den uralten Kummer in ihrer Stimme hören, den Kummer der Elfen um den Verlust von Leben.

»Ich hätte sie gern gefragt, was sie im Blutmeer von Istar zu suchen hatten. Ich habe niemals davon gehört, daß ein Kapitän so dumm ist, sich in den Mahlstrom zu wagen. Das Mädchen hat mir erzählt, daß oben Krieg sei. Vielleicht blieb ihnen nichts anderes übrig.«

Die Elfenfrau spritzte spielerisch den rotgekleideten Mann naß.

»Dort oben ist immer Krieg. Du bist zu neugierig, mein Geliebter. Manchmal glaube ich, du könntest mich verlassen und in deine Welt zurückkehren. Besonders wenn du mit diesen KreeaQUEKH geredet hast.«

Tanis hörte eine Spur aufrichtiger Sorge in der Stimme der Frau, obwohl sie immer noch verspielt den Mann naßspritzte. Der rotgekleidete Mann lehnte sich vor und küßte ihr nasses grünliches Haar, das im Licht der flackernden Fackel, die über ihnen an der Wand hing, glänzte. »Nein, Apoletta. Laß sie ihre Kriege führen, und laß ihnen die Brüder, die ihre Brüder verraten. Laß sie ihre ungestümen Halb-Elfen und ihre dummen Kapitäne haben. Solange meine Magie mir dient, werde ich unter den Wellen bleiben…«

»Um auf ungestüme Halb-Elfen zu sprechen zu kommen«, unterbrach Tanis ihn in der Elfensprache, während er schnell die Stufen hinunterschritt. Flußwind, Goldmond und Berem folgten ihm, obwohl sie keine Ahnung hatten, worüber geredet wurde.

Der Mann wendete beunruhigt seinen Kopf. Die Elfenfrau verschwand so schnell im Wasser, daß sich Tanis einen Moment lang fragte, ob er sich ihre Existenz vielleicht nicht ausgedacht hätte. Nicht eine kleine Welle auf der dunklen Oberfläche verriet, wo sie gewesen war. Als Tanis die unterste Stufe erreicht hatte, konnte er die Hand des Zauberkundigen eben noch ergreifen, als dieser gerade der Meer-Elfe ins Wasser folgen wollte.

»Warte! Ich werde dich nicht verschlingen!« bat Tanis. »Es tut mir leid, wie ich mich verhalten habe. Ich weiß, es macht keinen guten Eindruck, dir so nachzuschleichen, wie wir es getan haben. Aber uns blieb nichts anderes übrig! Ich weiß, ich kann dich nicht aufhalten, wenn du einen Zauber wirfst. Ich weiß, daß du mich in Flammen aufgehen lassen könntest oder mich einschläfern oder mich in Spinnweben einhüllen oder hundert andere Dinge. Ich war mit Magiern zusammen. Aber würdest du uns bitte zuhören? Bitte hilf uns. Ich habe dich von zweien unserer Freunde reden hören – ein großer Mann und ein Mädchen. Du hast gesagt, daß der Mann fast gestorben wäre sein Bruder hätte ihn verraten. Wir wollen sie finden. Willst du uns nicht sagen, wo sie sind?«