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Als Tika Tanis’ entsetzten Blick sah, trat sie näher zu Caramon und legte ihre Hand auf seinen Arm. Bei ihrer Berührung schien der Krieger aus seinen dunklen Gedanken zu erwachen. Er lächelte sie an. Aber in Caramons Lächeln lag etwas – eine Sanftheit, ein Kummer -, etwas, was niemals zuvor dagewesen war.

Tanis seufzte wieder. Noch mehr Probleme. Wenn die alten Götter zurückgekehrt waren, was versuchten sie ihnen anzutun? Sehen, wie schwer die Bürde werden könnte, bevor man unter ihr zusammenbrach? Fanden sie das lustig? Gefangen am Meeresgrund… Warum nicht einfach aufgeben? Warum nicht einfach hier unten bleiben? Die Drachen vergessen… Raistlin vergessen… Laurana vergessen… Kitiara…

»Tanis…« Goldmond schüttelte ihn sanft.

Jetzt standen alle um ihn herum. Sie warteten darauf, daß er ihnen sagen würde, was zu tun sei.

Er räusperte sich und begann zu sprechen. Seine Stimme war heiser, und er hustete. »Ihr braucht mich nicht so anzusehen!« sagte er schließlich barsch. »Ich habe keine Antworten. Wir sitzen offenbar in einer Falle. Es gibt keinen Weg nach oben.«

Sie sahen ihn immer noch an, das Vertrauen und der Glaube an ihn waren ungetrübt. Tanis funkelte sie wütend an. »Hört auf, mich so anzusehen, als ob ich euch noch führte! Ich habe euch verraten! Ist euch das immer noch nicht klar? Es ist meine Schuld. Alles ist meine Schuld! Sucht euch einen anderen…«

Er drehte sich um, um seine Tränen zu verbergen, die er nicht mehr zurückhalten konnte, und starrte über das dunkle Wasser, mühsam um seine Beherrschung kämpfend. Ihm fiel erst auf, daß Apoletta ihn beobachtet haben mußte, als sie sprach.

»Vielleicht kann ich euch doch helfen«, sagte die Meer-Elfe langsam.

»Apoletta, was sagst du da?« fragte Zebuiah furchtsam und eilte zum Rand des Wassers. »Überleg…«

»Ich habe es mir überlegt«, unterbrach ihn Apoletta. »Der Halb-Elf sagte, wir sollten es wichtig nehmen, was auf der Welt passiert. Er hat recht. Das, was unseren Silvanesti-Vettern widerfahren ist, könnte auch uns widerfahren. Sie haben sich von der Welt abgewendet und zugelassen, daß sich dunkle und böse Dinge in ihr Land schlichen. Wir wurden rechtzeitig gewarnt. Wir könnten das Böse noch bekämpfen. Euer Kommen hat uns vielleicht gerettet, Halb-Elf«, sagte sie aufrichtig. »Wir schulden euch etwas.«

»Helft uns zurück in unsere Welt«, sagte Tanis.

Apoletta nickte ernst. »Ich werde es tun. Wohin wollt ihr?«

Seufzend schüttelte Tanis den Kopf. Er konnte nicht denken.

»Ein Ort ist wohl genauso gut wie jeder andere«, sagte er müde.

»Palanthas«, sagte Caramon plötzlich. Seine tiefe Stimme hallte über das stille Wasser.

Die anderen warfen ihm unbehagliche Blicke zu, schwiegen aber.

»Nein«, sagte Apoletta, die wieder zum Rand schwamm. »Ich kann euch nicht nach Palanthas bringen. Unsere Grenzen erstrecken sich nur bis Kalaman. Darüber hinaus wagen wir uns nicht. Insbesondere, wenn das stimmt, was du uns sagst, denn hinter Kalaman liegt die uralte Heimat der Meer-Drachen.«

Tanis wischte über seine Augen, dann drehte er sich wieder zu seinen Freunden. »Nun? Weitere Vorschläge?«

Sie schwiegen nur und sahen ihn an. Dann trat Goldmond vor.

»Soll ich dir eine Geschichte erzählen, Halb-Elf?« fragte sie und legte ihre Hand sanft auf seinen Arm. »Eine Geschichte von einer Frau und einem Mann, verloren, allein und verängstigt. Sie trugen eine schwere Bürde, als sie in ein Wirtshaus eintraten. Die Frau sang ein Lied, der blaue Kristallstab führte ein Wunder vor, der Mob griff sie an. Ein Mann erhob sich. Ein Mann übernahm die Verantwortung. Ein Mann – ein Fremder sagte: ›Wir gehen durch die Küche.‹« Sie lächelte. »Erinnerst du dich, Tanis?«

»Ich erinnere mich«, flüsterte er.

»Wir warten, Tanis«, sagte sie einfach.

Wieder verdunkelten Tränen seine Sicht. Er blinzelte schnell, dann blickte er sich um. Flußwinds strenges Gesicht war entspannt. Mit einem leichten Lächeln legte er seine Hand auf Tanis’ Arm. Caramon zögerte einen Moment, dann trat er nach vorn und umarmte Tanis mit seinen starken Armen.

»Bring uns nach Kalaman«, sagte Tanis zu Apoletta, als er wieder atmen konnte. »Dahin wollten wir doch sowieso.«

Die Gefährten schliefen am Rand des Wassers, ruhten sich, so gut es ging, vor ihrer Reise aus, von der Apoletta sagte, daß sie lang und anstrengend sein würde.

»Wie werden wir reisen? Mit einem Schiff?« fragte Tanis, während Zebuiah seine rote Robe ablegte und ins Wasser sprang.

Apoletta sah zu ihrem Gatten, der zu ihr schwamm. »Ihr werdet schwimmen«, sagte sie. »Habt ihr euch nicht gewundert, wie wir euch hierhergebracht haben? Unsere magischen Künste und die meines Gatten werden euch die Fähigkeit geben, genauso mühelos im Wasser zu atmen, wie ihr Luft einatmet.«

»Wollt ihr uns in Fische verwandeln?« fragte Caramon entsetzt.

»Man könnte es auch so sehen«, erwiderte Apoletta. »Wir werden euch holen, wenn die Ebbe einsetzt.«

Tika umklammerte Caramons Hand. Er hielt sie fest, und Tanis, der sah, wie sie einen Blick wechselten, spürte seine Last plötzlich leichter werden. Welche Qualen auch immer in Caramons Seele wüteten, er hatte einen starken Anker gefunden, der ihn abhielt, vom dunklen Gewässer weggespült zu werden.

»Wir werden niemals diesen wunderschönen Ort vergessen«, sagte Tika leise.

Apoletta lächelte nur.

17

Dunkle Ereignisse

»Papa! Papa!«

»Was ist denn, Klein-Roger?« Der Fischer, an die aufgeregten Rufe seines jungen Sohnes gewohnt, der gerade alt genug war, um die Wunder der Welt zu entdecken, hob seinen Kopf nicht von der Arbeit. In der Erwartung, etwas über einen gestrandeten Seestern oder einen verlorengegangenen Schuh zu hören, arbeitete er weiter an seinem Netz, als der kleine Junge zu ihm stürzte.

»Papa«, sagte das Kind und grabschte ungeduldig nach dem Knie seines Vaters, »eine schöne Dame.«

»Häh?« fragte der Fischer geistesabwesend.

»Eine schöne Dame. Ertrunken«, wiederholte der kleine Junge ernst und zeigte mit einem Finger in eine bestimmte Richtung. Der Fischer hielt in seiner Arbeit inne und starrte seinen Sohn an. Das war etwas Neues.

»Eine schöne Dame? Ertrunken?«

Das Kind nickte und zeigte wieder zum Strand.

Der Fischer blinzelte gegen die grelle Mittagssonne und spähte zum Strand. Dann sah er wieder zu seinem Sohn, seine Augenbrauen zogen sich zusammen.

»Ist das wieder eine Geschichte von Klein-Roger?« fragte er.

»Wenn das so ist, wirst du dein Abendessen im Stehen einnehmen.«

Das Kind schüttelte mit großen Augen den Kopf. »Nein«, sagte es und kratzte, in Erinnerungen verloren, sein Hinterteil.

»Ich verspreche es.«

Der Fischer runzelte die Stirn, dann sah er zum Meer. In der letzten Nacht hatte es einen Sturm gegeben, aber er hatte nichts gehört, kein Schiff, das gegen die Klippen getrieben worden wäre. Vielleicht waren gestern Leute aus der Stadt mit ihren dummen Vergnügungsbooten draußen gewesen und gestrandet. Oder, noch schlimmer, jemand war umgebracht worden. Es wäre nicht die erste Leiche, die mit einem Messer im Herzen an Land gespült worden wäre.

Er winkte seinem ältesten Sohn zu, der Wasser aus dem Beiboot schöpfte, legte seine Arbeit beiseite und erhob sich. Er wollte gerade den kleinen Jungen zu seiner Mutter schicken, als ihm einfiel, daß er das Kind als Führer brauchte.

»Bring uns zu der schönen Dame«, befahl der Fischer und warf seinem anderen Sohn einen bedeutungsvollen Blick zu. Klein-Roger zog ungeduldig seinen Vater nach vorn, dann rannte er zum Strand zurück, während sein Vater und sein älterer Bruder langsamer folgten, ängstlich, was sie vorfinden würden.

Sie waren nur einige Meter gegangen, als sich dem Fischer ein Anblick bot, der ihn zum Laufen brachte, sein älterer Sohn stapfte hinterher.

»Schiffbruch. Kein Zweifel!« keuchte der Fischer.

»Verdammte Landratten! Keinen Verstand, mit diesen Nussschalen hinauszufahren.«