Выбрать главу

»Warte mal!« knurrte Caramon und faßte an seinen Gürtel.

»Was ist das… Meine Börse war hier noch vor einer Sekunde!«

Er wirbelte herum und erhaschte einen Blick auf eine kleine Gestalt, die mit einer verschlissenen Börse in der Hand in der Menge untertauchte. »He! Du! Die gehört mir!« brüllte Caramon. Die Leute grob auseinanderschiebend, sprang er dem kleinen Dieb nach. Er streckte seine riesige Hand aus, bekam eine Wollweste zu packen und hob die sich windende Gestalt hoch. »Jetzt gib sie mir zurück…« Der riesige Krieger keuchte.

»Tolpan!«

»Caramon!« schrie Tolpan.

Caramon ließ ihn vor Erstaunen fallen. Tolpan blickte wild um sich. »Tanis!« schrie er, als er den Halb-Elfen durch die Menge kommen sah. »O Tanis!« Tolpan lief mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Der Kender vergrub sein Gesicht in Tanis’

Gewand und brach in Tränen aus.

Die Bewohner von Kalaman standen auf den Mauern ihrer Stadt. Noch vor wenigen Tagen hatten sie dasselbe getan, nur war ihre Stimmung festlich gewesen, als die Ritter und die guten Drachen ihren triumphalen Einzug in die Stadt hielten. Jetzt waren sie gedämpft, grimmig vor Verzweiflung. Sie sahen über die Ebenen, als die Sonne den Zenit erreicht hatte. Es war gleich Mittag. Sie warteten schweigend.

Tanis stand neben Flint, seine Hand ruhte auf der Schulter des Zwerges. Der alte Zwerg war beim Anblick seines Freundes fast zusammengebrochen.

Es war ein trauriges Wiedersehen gewesen. Eilig und mit gebrochenen Stimmen hatten Flint und Tolpan abwechselnd ihren Freunden erzählt, was seit ihrer Trennung in Tarsis einige Monate vorher geschehen war. So erfuhren die Gefährten von der Entdeckung der Drachenlanzen, der Zerstörung der Kugel der Drachen und Sturms Tod.

Tanis senkte seinen Kopf, vom Kummer über die Neuigkeiten überwältigt. Einen Moment lang konnte er sich die Welt ohne seinen ehrenhaften Freund nicht vorstellen. Als Flint Tanis’

Kummer sah, begann er, über Sturms großartigen Sieg und den Frieden, den er im Tod gefunden hatte, zu berichten.

»Er ist jetzt in Solamnia ein Held«, sagte Flint. »Sie erzählen sich bereits Geschichten über ihn, so wie sie es bei Huma machen. Sein großes Opfer hat die Ritterschaft gerettet, so wird erzählt. Er hätte nichts anderes gewollt, Tanis.«

Der Halb-Elf nickte stumm. Dann versuchte er zu lächeln.

»Erzähl weiter«, sagte er. »Was hat Laurana getan, als sie in Palanthas ankam? Und ist sie immer noch da? Wenn dem so ist, wir dachten daran…«

Flint und Tolpan tauschten Blicke. Der Zwerg ließ seinen Kopf hängen. Der Kender sah weg, schniefte und schneuzte in ein Taschentuch.

»Was ist los?« fragte Tanis mit einer Stimme, die er nicht als seine wiedererkannte. »Sagt es mir.«

Langsam erzählte Flint die Geschichte. »Es tut mir leid, Tanis«, keuchte der Zwerg. »Ich habe sie im Stich gelassen…«

Der alte Zwerg begann so erbärmlich zu schluchzen, das Tanis’ Herz vor Leid schmerzte. Er drückte seinen Freund eng an sich.

»Es war nicht deine Schuld«, sagte er mit tränenerstickter Stimme. »Es ist meine, wenn sie überhaupt jemanden trifft. Für mich hat sie Tod und Schlimmeres riskiert.«

»Wenn du anfängst, die Schuld zu suchen, wirst du mit dem Verfluchen der Götter aufhören«, sagte Flußwind und legte seine Hand auf Tanis’ Schulter. »So heißt es bei meinem Volk.«

Tanis war nicht getröstet. »Um welche Zeit wird die… die Finstere Herrin kommen?«

»Mittags«, sagte Tolpan leise.

Jetzt war es fast soweit, und Tanis stand mit den anderen Stadtbewohnern auf der Mauer und wartete auf die Ankunft der Finsteren Herrin. Gilthanas stand etwas abseits von Tanis, ihn deutlich ignorierend. Der Halb-Elf konnte ihm keine Schuld geben. Gilthanas wußte, warum Laurana gegangen war, er wußte, welchen Köder Kitiara benutzt hatte, um seiner Schwester eine Falle zu stellen. Als er Tanis kühl gefragt hatte, ob er wirklich mit der Drachenfürsten Kitiara zusammengewesen war, konnte Tanis das nicht abstreiten.

»Dann mache ich dich für alles verantwortlich, was Laurana zustößt«, hatte Gilthanas gesagt, seine Stimme hatte vor Wut gebebt. »Und ich werde jede Nacht zu den Göttern beten, egal, welch grausames Schicksal sie treffen wird, daß du das gleiche haben wirst – nur hundertmal schlimmer!«

»Glaubst du nicht, daß ich solch ein Schicksal dankbar annehmen würde, wenn es sie zurückbrächte!« hatte Tanis gequält geschrien. Aber Gilthanas hatte sich nur abgewendet. Jetzt begannen die Leute zu murmeln und zu zeigen. Ein dunkler Schatten war am Himmel sichtbar – ein blauer Drache.

»Das ist ihr Drache«, sagte Tolpan feierlich. »Ich habe ihn am Turm des Oberklerikers gesehen.«

Der blaue Drache kreiste träge über der Stadt, dann landete er gemächlich in Schußweite von der Stadtmauer. Ein tödliches Schweigen senkte sich über die Stadt, als der Reiter des Drachen sich aus den Bügeln erhob. Die Finstere Herrin nahm ihren Helm ab und begann zu sprechen. Ihr Stimme schallte durch die klare Luft.

»Ihr wißt, daß wir die Elfenfrau, die ihr den Goldenen General nennt, gefangengenommen haben!« rief Kitiara. »Falls ihr einen Beweis haben wollt, so kann ich euch das hier zeigen.«

Sie hob ihre Hand. Tanis sah das Sonnenlicht auf einem wunderschön gearbeiteten silbernen Helm blitzen. »In meiner anderen Hand halte ich eine Locke ihres goldenen Haares, die ihr aber jetzt nicht sehen könnt. Ich werde beide Beweise hier liegenlassen, wenn ich verschwinde, damit ihr ein Erinnerungsstück von eurem General habt.«

Von den Leuten auf den Mauern kam wildes Gemurmel.

Kitiara hörte einen Moment lang zu sprechen auf und musterte sie kalt. Als Tanis sie beobachtete, grub er seine Nägel tief in sein Fleisch, um ruhig zu bleiben. Er hatte einen verrückten Plan entwickelt, er wollte von der Mauer springen und sie angreifen.

Goldmond, die seinen wahnsinnigen, verzweifelten Blick bemerkte, trat zu ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm. Sie spürte seinen Körper zittern, dann versteifte er sich bei ihrer Berührung. Dann hatte er sich wieder gefaßt. Als sie auf seine zusammengeballten Hände sah, war sie entsetzt zu sehen, daß Blut an seinen Handgelenken entlangtröpfelte.

»Das Elfenmädchen, Lauralanthalasa, wurde nach Neraka zur Königin der Finsternis gebracht. Sie wird dort bei der Königin als Geisel bleiben, bis die folgenden Bedingungen erfüllt sind. Erstens verlangt die Königin, daß ihr sofort ein Mensch namens Berem oder Ewigan ausgeliefert wird. Zweitens verlangt sie, daß die guten Drachen nach Sanction zurückkehren, wo sie sich freiwillig Lord Ariakus stellen. Schließlich wird der Elfenlord Gilthanas den Rittern von Solamnia und den Elfen, sowohl den Qualinesti als auch den Silvanesti, übermitteln, daß sie die Waffen niederzulegen haben. Der Zwerg Flint Feuerschmied wird dieselbe Forderung seinem Volk überbringen.«

»Das ist Wahnsinn!« schrie Gilthanas als Antwort, trat zum Mauerrand vor und starrte auf die Finstere Herrin. »Wir können uns mit diesen Forderungen nicht einverstanden erklären! Wir wissen nicht, wer dieser Berem ist oder wo er sich aufhält. Ich kann weder für mein Volk noch für die guten Drachen sprechen. Diese Forderungen sind völlig unvernünftig!«

»Die Königin ist alles andere als unvernünftig«, gab Kitiara freundlich zurück. »Ihre Dunkle Majestät haben vorausgesehen, daß für die Erfüllung dieser Forderungen Zeit nötig sein wird. Euch bleiben drei Wochen. Wenn ihr bis dahin nicht den Mann Berem gefunden habt, der sich unserer Meinung nach in der Gegend um Treibgut aufhält, und wenn ihr nicht die guten Drachen weggeschickt habt, werde ich zurückkommen, und dann werdet ihr mehr als nur eine Haarlocke von eurem General an den Toren von Kalaman vorfinden.«

Kitiara hielt inne.

»Ihr werdet ihren Kopf vorfinden.«

Damit warf sie den Helm vor ihrem Drachen auf den Boden. Auf ein Wort von ihr spreizte Skie seine Flügel und erhob sich in die Luft.

Lange Zeit sprach niemand ein Wort oder bewegte sich. Die Leute starrten auf den Helm, der vor der Mauer lag. Die roten Bänder, die am Helm flatterten, schienen die einzige Bewegung zu sein, die einzige Farbe. Dann schrien einige vor Entsetzen auf und zeigten nach vorn.