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Baba hatte auf dem Balkon, der auf den Garten hinausging, eine Bühne aufbauen und überall im Garten Lautsprecher aufstellen lassen. Ahmad Zahir spielte auf dieser Bühne über den Massen von Tanzenden auf einem Akkordeon und sang dazu.

Ich musste jeden der Gäste persönlich begrüßen — darauf achtete Baba sehr genau. Niemand sollte sich am nächsten Tag den Mund darüber zerreißen, dass er einen Sohn ohne Manieren großgezogen habe. Ich küsste Hunderte von Wangen, umarmte fremde Menschen, bedankte mich für ihre Geschenke. Mein Gesicht tat schon weh von den Strapazen meines gekünstelten Lächelns.

Ich stand mit Baba im Garten in der Nähe der Bar, als jemand sagte: »Herzlichen Glückwunsch, Amir.« Es war Assef in Begleitung seiner Eltern. Assefs Vater, Mahmood, war ein kleiner schlaksiger Mann mit dunkler Haut und einem schmalen Gesicht. Seine Mutter, Tanja, war eine zierliche, nervöse Frau, die andauernd zu lächeln und zu blinzeln schien. Assef stand grinsend zwischen den beiden, die er um einiges überragte, und hatte die Arme um ihre Schultern gelegt. Er führte sie in unsere Richtung, ganz so, als hätte er sie mitgebracht. Als wäre er der Vater und sie wären seine Kinder. Ein Schwindelgefühl überkam mich. Baba dankte ihnen für ihr Kommen.

»Ich habe dir dein Geschenk selbst ausgesucht«, erklärte Assef. In Tanjas Gesicht zuckte es, und ihre Augen huschten unruhig zwischen Assef und mir hin und her. Sie setzte ein wenig überzeugendes Lächeln auf und blinzelte. Ich fragte mich, ob Baba es bemerkt hatte.

»Spielst du immer noch Fußball, Assef jan?«, erkundigte sich Baba. Er hatte sich immer gewünscht, dass ich mich mit Assef anfreundete.

Assef lächelte. Es war unheimlich zu sehen, wie nett er dadurch wirkte. »Aber natürlich, Kaka jan.«

»Rechtsaußen, wenn ich mich richtig erinnere, oder?«

»Dieses Jahr spiele ich Mittelstürmer«, erwiderte Assef. »Da macht man mehr Tore. Nächste Woche spielen wir gegen die Mannschaft von Mekro-Rayan. Wird bestimmt ein gutes Spiel. Die haben einige tolle Spieler.«

Baba nickte. »Ich habe in meiner Jugend auch lange als Mittelstürmer gespielt.«

»Ich wette, das könnten Sie noch immer, wenn Sie wollten«, entgegnete Assef und bedachte Baba mit einem gut gelaunten Zwinkern.

Baba erwiderte das Zwinkern. »Wie ich sehe, hat dir dein Vater, dieser weltberühmte Schmeichler, einige seiner Tricks verraten.« Er stieß Assefs Vater so fest den Ellbogen in die Seite, dass der kleine Kerl beinahe umgefallen wäre. Mahmoods Lachen war ungefähr so über zeugend wie Tanjas Lächeln, und ich fragte mich plötzlich, ob ihnen ihr Sohn möglicherweise auf irgendeine Weise Angst einjagte. Ich versuchte mich an einem aufgesetzten Lächeln, aber alles, was ich zustande brachte, war ein schwächliches Hochziehen der Mundwinkel — es drehte mir den Magen um, mit ansehen zu müssen, wie gut sich mein Vater mit Assef verstand.

Assef richtete den Blick auf mich. »Wali und Kamal sind auch hier. Sie würden sich deinen Geburtstag um nichts auf der Welt entgehen lassen«, sagte er, und schien erneut in lautes Lachen ausbrechen zu wollen. Ich nickte schweigend.

»Wir wollen morgen bei uns zu Hause Volleyball spielen«, sagte Assef »Vielleicht hast du ja Lust mitzumachen. Bring doch Hassan mit, wenn du willst.«

»Das klingt doch gut«, sagte Baba strahlend. »Was hältst du davon, Amir?«

»Ich mag Volleyball nicht besonders«, murmelte ich. Ich sah, wie das Funkeln in Babas Augen erlosch, und betretenes Schweigen trat ein.

»Tut mir Leid, Assef jan«, sagte Baba schulterzuckend. Dass er sich für mich entschuldigte, traf mich tief.

»Ach, das macht doch nichts«, antwortete Assef. »Aber die Einladung steht nach wie vor, Amir jan. Also, ich habe gehört, dass du gern liest, deshalb habe ich dir ein Buch mitgebracht. Eins meiner Lieblingsbücher.« Er reichte mir das eingewickelte Geschenk. »Alles Gute zum Geburtstag.«

Er trug ein Baumwollhemd und eine blaue Hose, eine rote Seidenkrawatte und glänzende schwarze Halbschuhe. Er roch nach Eau de Cologne, und sein blondes Haar war ordentlich zurückgekämmt. Oberflächlich betrachtet, verkörperte er den Sohn, von dem alle Eltern träumten: ein kräftiger, großer, anständig gekleideter Junge mit guten Manieren, Talent und einem attraktiven Aussehen — nicht zu vergessen die nötige Schlagfertigkeit, der es bedurfte, um mit einem Erwachsenen zu scherzen. Aber wenn ich ihn anblickte, verrieten ihn seine Augen. Wenn ich in sie hineinsah, bröckelte die Fassade und gab für einen Moment den Blick auf den Wahnsinn frei, der dahinter verborgen lag.

»Willst du es denn nicht annehmen, Amir?«, sagte Baba.

»Wie?«

»Dein Geschenk, das Assef jan dir mitgebracht hat«, sagte Baba gereizt. »Willst du es nicht annehmen?«

»Oh«, sagte ich. Ich nahm das Päckchen aus Assefs Händen entgegen und senkte den Blick. Wenn ich doch nur allein in meinem Zimmer hätte sein können, umgeben von meinen Büchern und weit weg von diesen Leuten!

»Nun?«, sagte Baba.

»Was denn?«

Baba sprach mit einer leisen Stimme, die er immerdann benutzte, wenn ich ihn in der Öffentlichkeit blamierte. »Willst du dich denn nicht bei Assef jan bedanken? Das war doch sehr aufmerksam von ihm.«

Wenn Baba doch nur aufhören würde, ihn so zu nennen. Wie oft hatte er mich bisher Amir jan genannt? »Danke«, sagte ich. Assefs Mutter blickte mich an, als wollte sie etwas sagen, tat es dann aber doch nicht, und mir wurde bewusst, dass keiner von Assefs Eltern bisher auch nur ein einziges Wort gesprochen hatte. Bevor ich Baba und mich noch weiter in Verlegenheit bringen konnte — aber eigentlich doch mehr, um Assef und seinem Grinsen zu entgehen —, wich ich zurück. »Danke fürs Kommen«, sagte ich.

Ich schlängelte mich durch die Gästemenge und schlüpfte durch das schmiedeeiserne Tor. Zwei Häuser die Straße hinunter gab es ein großes unbebautes Grundstück. Ich hatte gehört, wie Baba Rahim Khan erzählte, dass ein Richter das Land gekauft habe und ein Architekt an den Plänen für ein Haus arbeite. Aber im Augenblick war das Grundstück noch leer, abgesehen von Erde, Stei nen und Unkraut. Ich riss das Papier von Assefs Ge schenk auf und hielt den Titel ins Mondlicht. Es war ein Buch über Hitler. Ich warf es ins Gestrüpp.

Dann lehnte ich mich an die Mauer des Nachbarn und ließ mich an ihr zu Boden gleiten. Dort saß ich eine ganze Weile in der Dunkelheit, die Knie an die Brust gezogen, blickte zu den Sternen hinauf und wartete, dass die Nacht zu Ende ginge.

»Solltest du nicht deine Gäste unterhalten?«, sagte eine vertraute Stimme. Rahim Khan schritt an der Mauer entlang auf mich zu.

»Dafür brauchen sie mich doch nicht. Baba ist da, schon vergessen?«, erwiderte ich. Das Eis in Rahim Khans Drink klirrte, als er sich neben mich setzte. »Ich wusste ja gar nicht, dass du Alkohol trinkst.«

»Jetzt weißt du es«, erwiderte er. Stieß mir munter den Ellbogen in die Seite. »Aber nur zu den ganz wichtigen Gelegenheiten.«

Ich lächelte. »Danke.«

Er neigte das Glas in meine Richtung und nahm einen Schluck. Dann zündete er sich eine Zigarette an, eine von den pakistanischen ohne Filter, die Baba und er immer rauchten. »Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich einmal fast geheiratet hätte?«

»Wirklich?«, fragte ich und musste bei der Vorstellung eines verheirateten Rahim Khan unwillkürlich lächeln. Ich hatte ihn immer für Babas stilles Alter Ego gehalten, für meinen Mentor, meinen Freund, der niemals vergaß, mir ein Souvenir, ein saughat, mitzubringen, wenn er von einer Auslandsreise zurückkam. Aber ein Ehemann? Ein Vater?