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»Was ist denn so komisch?«, fragte Soraya, die eine gefaltete Zeitung über den Kopf hielt.

»Man kann Afghanen aus Paghman herausholen, aber eine Handvoll Afghanen macht noch lange kein Paghman«, antwortete ich.

Wir traten unter das provisorische Zeltdach. Soraya und Khala Jamila steuerten auf eine schwergewichtige Frau zu, die in einer Pfanne Spinat-bolani briet. Nach nur kurzem Aufenthalt unter dem Zeltdach kehrte Suhrab, die Hände tief in die Taschen seines Mantels gestopft, in den Regenschauer zurück. Sein Haar, das inzwischen so braun und glatt geworden war wie das von Hassan, klebte ihm an der Kopfhaut. Vor einer Pfütze blieb er stehen und starrte in das kaffeebraune Wasser. Niemand schien auf ihn zu achten. Niemand rief ihn zurück. In letzter Zeit waren die neugierigen Fragen nach unserem adoptierten und so absonderlichen Jungen deutlich seltener geworden, was uns sehr erleichterte, zumal in afghanischen Kreisen Erkundigungen dieser Art ausgesprochen taktlos sein können. Es fragte keiner mehr, warum er denn nicht spreche und mit anderen Kindern spiele. Noch erfreulicher war, dass man aufhörte, ihm mit übertriebenem Mitleid zu begegnen, mit kopfschüttelndem Bedauern und Ausrufen wie »Oh gung bichara!« Oh, der arme kleine Stumme.

Ich begrüßte Kabir, und er stellte mich mehreren Männern vor, unter anderem einem pensionierten Lehrer, einem Ingenieur, einem ehemaligen Architekten und einem ehemaligen Arzt, der jetzt in Hayward Hotdogs verkaufte. Sie alle kannten meinen Vater noch aus Kabul und äußerten sich sehr respektvoll über ihn. Er hatte auf die eine oder andere Weise mit jedem von ihnen zu tun gehabt. Sie meinten, dass ich mich glücklich schätzen dürfe, einen so großen Mann zum Vater gehabt zu haben.

Wir unterhielten uns über Karzai, über die schwierige und undankbare Aufgabe, die er übernommen hatte. Auch von der neu gebildeten Loya Jirga war die Rede und von der bevorstehenden Rückkehr des Königs nach 28-jährigem Exil. Ich erinnerte mich an die Nacht im Jahre 1973, als Zahir Shah von seinem Cousin vom Thron gestürzt worden war; ich erinnerte mich an das Gewehrfeuer und den silbern leuchtenden Himmel — Ali hatte mich und Hassan in die Arme genommen und uns mit den Worten beruhigt, dass da draußen nur auf Enten geschossen werde.

Irgendjemand erzählte dann einen Hodscha-Nasreddin-Witz, und alle lachten. »Übrigens«, sagte Kabir, »dein Vater war auch ein sehr komischer Mann.«

»Ja, das war er«, bestätigte ich schmunzelnd und dachte daran, wie sich Baba kurz nach unserer Ankunft in Amerika abfällig über »US-Fliegen« ausgelassen hatte. Mit einer Fliegenklatsche in der Hand hatte er am Tisch gesessen und den hektischen, wirren Flugmanövern der kleinen Insekten zugesehen. »In diesem Land haben nicht einmal die Fliegen Zeit«, beklagte er sich, worüber ich herzhaft hatte lachen müssen. Noch bei der Erinnerung schmunzelte ich.

Gegen drei Uhr ließ der Regen nach. Der grau bewölkte Himmel lockerte ein wenig auf. Eine kühle Brise wehte durch den Park. Es kreuzten weitere Familien auf. Man begrüßte einander, umarmte, küsste sich, teilte mitgebrachte Speisen. Jemand sorgte für ein Holzkohlenfeuer, und bald duftete es herrlich nach Knoblauch und Fleischspießen. Es wurde auch musiziert und gesungen. Ich suchte Suhrab und sah ihn in seinem gelben Regenmantel an einen Mülleimer gelehnt, den Blick auf ein mit Maschendraht umzäuntes Baseballtrainingsfeld.

Ich unterhielt mich gerade mit dem ehemaligen Arzt, von dem ich erfuhr, dass er und Baba im achten Schuljahr Klassenkameraden gewesen waren, als mich Soraya am Ärmel zupfte. »Amir, sieh nur!«

Sie zeigte zum Himmel hinauf. Fünf, sechs Papierdrachen standen hoch oben in der Luft, leuchtend gelbe, rote und grüne Flecken vor grauen Wolken.

»Erkundige dich doch mal«, meinte Soraya, zeigte auf eine Bude in der Nähe, wo es offenbar Drachen zu kaufen gab.

Ich reichte Soraya meine Tasse Tee, entschuldigte mich bei meinem Gesprächspartner und ging auf den Verkaufsstand zu. Davor angekommen, deutete ich auf einen gelben seb-parcha. »Sawl-e-nau mubabrak«, sagte der Verkäufer und gab mir für meine 20 Dollar den verlangten Drachen samt hölzerner Spule Glas-tar. Ich bedankte mich und wünschte ihm ebenfalls ein glückliches neues Jahr. Zwischen Daumen und Zeigefinger prüfte ich die Schnur, wie wir es früher immer getan hatten, Hassan und ich. Der Verkäufer sah schmunzelnd zu, wie ich mir die Finger an den feinen Glassplittern aufritzte und blutig machte.

Ich eilte mit dem Drachen zu Suhrab, der immer noch an dem Mülleimer lehnte, die Arme auf der Brust verschränkt. Er blickte zum Himmel hinauf.

»Wie findest du den seh-parcha?«, fragte ich und hielt den Drachen, am Leistenkreuz gepackt, in die Höhe. Er bedachte mich nur mit einem flüchtigen Blick und schaute wieder in den Himmel. Regenwasser tropfte ihm aus den Haaren und rann über sein Gesicht.

»Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass man in Malaysia mit Drachen Fische fängt«, sagte ich. »Ich wette, das wusstest du noch nicht. Man befestigt eine Angelschnur am Drachen und lässt ihn überm Wasser schweben, so hoch, dass er keinen Schatten wirft und die Fische nicht verschreckt. Im alten China hat man sogar auf Schlachtfeldern Drachen steigen lassen, um den eigenen Truppen Zeichen zu geben. Das ist wahr. Ich binde dir keinen Bären auf.« Ich zeigte ihm meinen blutigen Daumen. »Die Schnur ist tipptopp.«

Aus dem Augenwinkel registrierte ich, dass Soraya uns vom Zelt aus beobachtete. Im Unterschied zu mir hatte sie es aufgegeben, Suhrab zu animieren. Die unbeantworteten Fragen, seine ausdruckslosen Blicke, das Schweigen — all das schmerzte sie zu sehr. Sie hielt sich selbst zurück und hoffte darauf, das Suhrab irgendwann einen Schritt auf sie zumachen würde.

Ich befeuchtete meinen Zeigefinger und hielt ihn in die Luft. »Ich weiß noch: Um die Windrichtung zu bestimmen, hat dein Vater immer mit seinen Sandalen Staub aufgewirbelt. Er hatte jede Menge Tricks auf Lager«, sagte ich. »Ich glaube, der Wind kommt von Westen.«

Suhrab wischte sich mit dem Daumen einen Regentropfen vom Ohrläppchen und verlagerte sein Gewicht von dem einen auf das andere Bein. Es war ihm kein Wort zu entlocken. Ich dachte an den Dialog zwischen Soraya und mir vor einigen Wochen, als sie mich gefragt hatte, wie seine Stimme klinge, und ich hatte antworten müssen, dass ich mich nicht mehr daran erinnerte.

»Habe ich dir schon erzählt, dass dein Vater der beste Drachenläufer im Wazir-Akbar-Khan-Viertel war? Wenn nicht sogar der beste von ganz Kabul?« Ich knotete das lose Ende der aufgewickelten Schnur an den Zügel des Drachen. »Die Nachbarskinder waren alle neidisch auf ihn. Wenn er einem Drachen folgte, brauchte er gar nicht zum Himmel aufzublicken. Die Leute sagten, dass er dem Schatten des Drachen nachjage. Was aber überhaupt nicht stimmte. Dein Vater jagte keine Schatten. Es wusste einfach, wohin und wie weit er laufen musste.«

Es waren inzwischen noch mehr Drachen aufgestiegen. Die Festgesellschaft versammelte sich in kleinen Gruppen. In der Hand eine Tasse Tee, beobachteten alle das Schauspiel am Himmel.

»Wie wär’s, wenn du mir dabei hilfst, diesen Drachen steigen zu lassen?«, fragte ich Suhrab.

Er warf einen Blick auf mich, dann auf den Drachen.

»Okay.« Ich zuckte mit den Achseln. »Dann muss ich ihn wohl tanhaii fliegen lassen.« Allein.

Die Spule in der linken Hand, wickelte ich einen Meter Schnur ab und ließ den gelben Drachen daran baumeln, dicht über dem nassen Gras. »Letzte Chance«, sagte ich, doch Suhrab hatte seinen Blick auf zwei Drachen geheftet, die hoch über den Bäumen einander attackierten.