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Der dünne Arm der Magierin war geradewegs auf Viktors Brust gerichtet. Und der stand da, zwinkerte unbeholfen mit den Augenlidern, war nicht fähig sich zu rühren, sich wenigstens auf den Boden zu werfen, zu ducken ...

Aus den Fingern des Mädchens floss eine Flamme.

Eine grimmige, surrende, versengende Flamme; eine rötliche Welle traf Viktor an der Brust, aber sie warf ihn nicht um und verbrannte ihn auch nicht. Durch das wahnsinnige Tanzen der rötlichen Zungen tauchte das Gesicht der Magierin auf. Ihre Augen blickten ihn an ... Mit Hass? Voller Furcht? Oder ... mit Begeisterung? Mit Ehrfurcht vor der Kraft? Ihre Lippen bewegten sich lautlos, Viktor konnte die Worte nicht verstehen. Das Feuer drängte sich in ihn, kroch in sein Innerstes und richtete sich dort ein, wie ein Tier in einer Höhle, das bereit ist, jeden Augenblick ins Freie zu springen.

Die Kraft seufzte weich. Jetzt war sie ganz. Vier Elemente verschmolzen im Gleichgewicht miteinander, und Viktor fühlte, dass sein Körper unvorstellbar leicht wurde, alle Erschöpfung und Schmerz vergingen und seine Sicht sich klärte; ihm schien, dass sich an seinem Rücken Flügel entfalteten, die bereit waren, ihn in den Himmel zu tragen,

Aber plötzlich wurde der Flammenstrom unterbrochen. Loj Iwer warf die junge Magierin zu Boden. Mit einem einzigen Hieb ihrer Krallen verpasste sie dem Mädchen vier tiefe Wunden auf der Brust, aus denen Blut quoll. Mit unweiblicher Stärke schleuderte Loj den zusammensackenden Körper beiseite.

Viktors verzweifeltes »Nein!« kam viel zu spät.

Und Tel glitt schon am Meeresufer entlang; mit gebieterischer Stimme forderte sie ihn auf: »Komm! Mir nach!«, und zwang Viktor, das unglückliche Opfer zurückzulassen. Er wandte sich der Brandung zu, die heftig, aber gleichmäßig dahinrollte, unbehelligt von dem am Ufer tobenden Sturm. Und mitten in den kochenden Wellen öffnete Tel die Tür.

Ritor hätte niemals gedacht, dass der Drachentöter über solche Kräfte verfügte. Es war zum Verzweifeln. Keine Formel hatte es vermocht, den unerwartet starken Schutzwall des Mannes zu durchdringen. Oder wenigstens jene beiden zu erreichen, die sich an seiner Seite befanden.

Im Städtchen herrschte völliges Chaos. Der Drachentöter schlug mit tödlicher Gewalt zu, mitleidlos, schonungslos. Ritor spürte den versengenden Hass dort vor ihm, den Hass, der zur Kraft geworden war. Grimmige Wirbelstürme entwurzelten jahrhundertealte Platanen und Zypressen. Eine Serie von Schlägen zerstörte Ritors Wall, und die Kraft von beinahe fünfzig Magiern wurde vollständig davon absorbiert, diesen blindwütigen Einfall aufzuhalten.

Der wild gewordene Wind fegte Dächer von den Häusern, Ziegel formten wundersame rote Fächer in der Luft. Dachstühle

Der Drachentöter kannte die Grenzen seiner Kraft selbst nicht.

Ritor hörte die schrecklichen Schreie derer, die lebendig begraben waren, das Weinen der Kinder, ihr Flehen um Hilfe - und er konnte nichts tun. Was ist los, Andrzej, was zögerst du noch, beißt du dir wieder einmal selbst die Zähne an deinen verworrenen Zauberformeln aus? Pfeif auf deine Weisheit, und gebiete deinem außer Kontrolle geratenen Element Einhalt!

»Meister!«

Asmund war bereits verletzt, über seine Wange lief Blut.

»Ich halte ihn noch, Lehrer!«

»Wo sind Solli, Sandra und Boletus?«

»Sie kommen schon!«

Den Magiern gelang es, eine Barrikade gegen die auf sie zustürmenden Formeln des Drachentöters zu errichten.

»Zum letzten Mal, Freunde ...«

Sie mussten nichts wiederholen. Ihre Kräfte vereinigten sich.

Und dieses Mal erwischten sie ihn beinahe. Ritor fühlte den Schrecken des Feindes, spürte dessen Schmerz und Verzweiflung ... und genau darum gelang es ihm noch, »In Deckung!« zu rufen, als Schmerz und Angst des Drachentöters sich in Hass und damit in die tödlichste aller Waffen verwandelten und sich gegen die Urheber des Angriffs richteten.

Der Gegenschlag war verheerend. Die unsichtbare Streitaxt des Drachentöters zerstörte beiläufig ein Haus in der Nähe, ehe sie auf die fünf Magier niederstürzte, ihnen die Luft aus der Brust presste und diese in eine Mischung aus Wasser und Sand verwandelte. Pflastersteinhagel prasselte auf Ritor und seine Gefährten herunter; der Zauberer sah, wie Solli blutüberströmt zu Boden fiel; wie Sandra mit verzweifelter Anstrengung einen Steinblock von Asmunds Rücken wälzte; wie sie selbst stürzte, unfähig, die schneidende Wasserpeitsche zu parieren; und wie Asmund röchelnd und Blut spuckend zusammenbrach und sich dabei an die Brust fasste.

Ritor benötigte nur wenige Sekunden, um zu begreifen, dass der Kampf verloren war. Der Drachentöter hatte sie abgeschüttelt. Er war schon am Ufer und empfing die Kraft des Feuers.

Solli war tot, tot war auch der hakennasige Eduljus; und Sandra befand sich im Schmerzschock, die ganze linke Seite war eine riesige Wunde, ihr Blut vermischte sich mit klebrigem Dreck; Asmund krümmte sich zu Ritors Füßen, fast alle seine Rippen waren gebrochen, aber vermutlich würde er am Leben bleiben. Er stöhnte nur, unfähig zu sprechen, aber Sandra flüsterte etwas vor sich hin. Ritor neigte sich zu ihr, ließ mit einer leichten Bewegung etwas Kraft in sie fließen. Ganz wenig nur, denn es war nicht der Moment, sich selbst zu schwächen, indem man Freunde rettete ...

»Me siento mal ... duele el corazón ...«

Offenbar fand die Zauberin im Schock zu ihrer Muttersprache zurück. Ritor legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter und sagte: »Halt durch! Kan wird dir helfen. Halt durch, alte Meereshexe ... Piratin ...«

Sandras Augen blickten für einen Augenblick klar. »Was für eine Piratin ... mir wird doch schon bei schwachem

Und da begann Ritor zu lachen. Mit schrecklicher Grabesstimme. Der Stimme eines Mannes, der keine Ruhe findet. Er würde die Jagd nicht aufgeben. Auch wenn ihm klar war, dass die Sache so gut wie verloren war. Der Drachentöter war schon auf der Insel ... Er selbst würde bedeutend länger brauchen, um dorthin zu kommen.

»Kümmert euch um sie!«, bellte er Kan an, der an seiner Seite auftauchte. Endlich war sein Bruder mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. »Schnell!«

Er musste Kan nicht zweimal bitten.

»Ich benötige Magier, Ritor! Sie sind sehr schwer verletzt!«

»Hol dir, wen du brauchst. Ich muss weiter!«

»Das ist Wahnsinn, Bruder!«

Ritor versetzte Kan mit aller Kraft eine Ohrfeige. Eine ganz normale, nicht magische Ohrfeige. »Sandra und Asmund müssen am Leben bleiben! Wenn sie sterben, vernichte ich dich!«

Kan schwankte und blickte seinen Bruder entsetzt an. Aus seiner gebrochenen Nase schoss Blut.

»Schnell, hierher! Kommt gefälligst hierher! Kümmert euch um die Verletzten!«, schrie Ritor mit durchdringender Stimme. Mehrere Magier, sowohl der Luft als auch des Feuers, rührten sich.

Ritor gestattete sich eine weitere Sekunde der Verzögerung. »Verzeih, Kan. Ich muss weiter.«

»Ich bin dir nicht böse, Bruder«, erwiderte der Giftmischer leise. »Den Jungen kann ich retten ... aber Sandra ... das weiß ich nicht, ich werde tun, was in meiner Macht steht ...«

»Leb wohl, Kan.«

»Leb wohl, Ritor ...«

Natürlich war am Ufer weit und breit keine Spur von einer Tür zu sehen. Es gab eine Bruchstelle, das Flimmern dunkelroten Feuers in einem von goldenem Leuchten erfüllten Schlund. Ein Brunnen verdrängte Erde und Wasser und führte in die Tiefe; Tel stand bereits auf dem Brunnenrand wie auf einer Schwelle und duckte sich zum Sprung.

Die blutrünstig lächelnde Loj rannte zu ihr, mit dem weichen Schritt einer jagenden Raubkatze. Im Lauf leckte sie sich die blutigen Finger der rechten Hand, und Viktor konnte nur mit Mühe begreifen, dass sie mit diesen fünf Fingern, die so zärtlich sein konnten, soeben einen menschlichen Körper aufgeschlitzt hatte, so dass ihre blutigen Krallen am Rücken des Opfers wieder heraustraten. Sein Schrei war viel zu spät gekommen. Loj hatte ihn eben verteidigt, so gut sie es vermochte.