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»Einen Hund.«

»Natürlich. Er wird sie wohl hüten ... aber Fleisch liebt auch er.« Der Fresssack lachte auf. »Nur ist der Hund den Schafen viel vertrauter als der Wolf. Es gibt weniger Blut, und sie fühlen sich in Sicherheit. Sollen die Schäflein nur immer an ihren Gräsern knabbern, damit sie Fett ansetzen. Und womit der Schäfer den Hund füttert, das geht das Schaf nichts an.«

»Menschen sind keine Schafe.«

»Denkst du?« Der Fresssack zuckte mit den Schultern. »Vielleicht siehst du mehr ... aber ich bezweifle es. Wenn ein durchdringender Schrei ertönt ...« Er holte tief Luft und plapperte mit dünner Stimme weiter: »Wie lange kann man so weitermachen? Immer das Gleiche, mit dem Schicksal kämpfen, sich selbst bis zum Letzten verteidigen? Es ist an der Zeit, friedlich zu leben, die Welt bewohnbar zu machen, nett zu sein, gut und sich innerlich zu vervollkommnen ...«

»Mach dich nicht lustig!«

»Wer, ich? Nein, Viktor. Ich wiederhole es doch nur. Alle sind müde, verstehst du? Von den Kämpfen, von den Gefechten, davon, dass sie sich entweder versklaven lassen oder zum Kampf herausfordern müssen. Sie wollen das nicht mehr! Das heißt ... heißt eindeutig, dass es Zeit für einen neuen Drachen ist. Einen guten, freundlichen, unauffälligen Drachen. Einen Schäfer. Wenn sie sich selbst das Schaffell überziehen, wird auch der Wolf bereit sein zu bellen. Aus Gutmütigkeit, von Herzen ...«

Seine Stimme ging im Donnergrollen unter. Die grauen Berge begannen zu beben. Rauch schoss wie eine Fontäne empor und ergoss sich über den Himmel.

»Genug gewartet«, sagte der Fresssack fröhlich. »Jetzt kommt er! Der Drache kommt! Der Erschaffene Drache!«

»Das ist noch nicht alles!« Viktor hielt den Dicken an der Schulter fest und schüttelte ihn. »He! Wenn es einen Drachen gibt, wird es auch einen Drachentöter geben!«

»Wer?«, wunderte sich der Fresssack. »Doch nicht etwa du?«

»Vielleicht sogar ich!«

»Dann kämpfe mit ihm, Viktor! Tritt ihm entgegen! Und ich werde zusehen! Der Drachentöter hat nur die Fähigkeit zu zerstören, nicht, sich zu verteidigen! Erschlag den Drachen, versuch es! Aber was wirst du mit jenen tun, die sich schon daran gewöhnt haben, unter seinem wachsamen Auge zu leben? Sie sind alle hier, Viktor! Sie sind ein Teil des Drachen! Ihre Welt hat sich geleert, und sie fürchten nur die eigenen Träume. Ihnen geht es gut unter den stählernen Flügeln!«

Weiße Ranken aus Rauch tanzten und verwoben sich zu undeutlichen Figuren. Es schien, als müsste man nur die Augen anstrengen, um sie zu begreifen, zu erkennen.

Ein verschwommener, schwankender Schatten schlich heran, kam näher, bis er bei Viktor war; aber als Viktor ihn direkt ansah, löste er sich auf und schmolz, und es blieb nur die Empfindung eines fremden, ätzenden, wahnsinnigen Blickes ...

Etwas Wirbelndes, Jagendes, Erdrückendes, Loderndes - vollständiger Schmerz und das Geheul des Grauens ... durchsichtige Schlösser, wolkige Städte im Rauch und aus Rauch, über deren Straßen körperlose Geister wandeln ... Mauern, Mauern, endlose Mauern - ein Käfig aus Nebel, ein saugender Trichter, eine Einzelzelle im Gefängnis ...

»Ihr erschafft uns selbst, Viktor! Ihr ruft uns von der Anderen Seite, ihr lockt uns an! Und wir kommen! Die Zeit der Drachen ist vorbei.« Der Fresssack blickte ihm ins Gesicht.

Aus dem Trichter quoll dunkles, rötliches Licht. Die Rauchschwaden färbten sich zinnoberrot. Etwas Orange-Rötliches blitzte auf, wie Lava. Seine Hand glitt wie von selbst zum Griff seines Schwertes.

»Es ist noch nicht zu spät, Viktor.« Der Fresssack schubste ihn zum Trichter hin. »Sie sind alle hier! Diejenigen, die sich in ihrer Einsamkeit verirrt haben, diejenigen, die ihrer Ängste müde sind, die, die ihre Seele verbrannt haben - alle sind hier! Gesell dich zu ihnen!«

Viktor zerrte das widerstrebende Schwert aus der Scheide. Die Lava floss immer noch ...

Lava?

Ein formloser Körper, ganz aus Feuer, von der Farbe geronnenen Blutes. Pfoten aus schuppigem Stahl, sein Schlund ein rauchender Krater. Gläsernes Blitzen der bewegungslosen runden Augen. Der Drache war gewaltig, plump, er drehte sich und zog die dunklen Flächen seiner riesigen Flügel an die Oberfläche.

»Und?«, rief der Fresssack herausfordernd. »Bist du auf unserer Seite?«

Der Drache öffnete seinen Schlund. Seine Zähnen blitzten auf, blinkende Hauer, die in die Schaufel eines Grubenbaggers passen würden. Heiße Dunstschwaden wälzten sich über den Erdboden. Die Pfote streckte sich nach Viktor aus - langsam, ohne jede Bedrohlichkeit. Als ob sie dazu einlüde, auf sie hinaufzuklettern und sich in einem langen, endlos langen Schlaf zu verlieren, in der zärtlichen Wärme des Drachenschoßes, unter der Aufsicht wachsamer Augen ...

Mit dem Schwert gegen so einen?

Die Welt erzitterte, wandelte sich. Schwamm nach allen Seiten fort, als hätte sich das Blickfeld verändert, und Viktor sah jetzt in einen bauchigen Spiegel. Die Erde flüchtete nach unten. Der Fresssack war eine winzig kleine Gestalt zu Viktors Füßen geworden.

Zu seinen Pfoten, die den Pfoten des Erschaffenen Drachen um nichts nachstanden.

Um mit dem Drachen zu kämpfen, muss man einer werden.

Das ist der Weg des Drachentöters.

Viktor schrie auf in einer Welle blinden Zorns, in bereits vertrauter Kampfesgier. Ein Feuerwall schlug zu, verspritzte Rauch, floss über den Erschaffenen Drachen.

Und jener brüllte auf.

»Na gut!«, piepste der Fresssack weit unter ihm. »Komm schon!«

Der Erschaffene Drache flog in den Himmel hinauf, in einer Aureole von Flammen und unter heißen Windstößen; von seinen schweren, schwarzen, bleiernen Flügeln fielen Steine, und in seinen reglosen Augen brannte Spott.

Viktor riss sich von der Erde. Hinterher.

Er wunderte sich nicht darüber, dass er fliegen konnte, und auch nicht darüber, dass er diesmal nicht mit Luftflügeln, sondern mit seinen eigenen flog, sich mit seinem biegsamen, regenbogenfarbenen Leib in die Lüfte erhob. Sein Körper war riesig, erfüllt von unermesslicher Kraft. Der heftige Luftstrom fegte den Fresssack von den Füßen, er stürzte und rief noch: »Kämpfe! Kämpfe mit ihm, Drachentöter!«

Ein dickflüssiger Strudel - keine reine Flamme - kochendes Pech, verdichtetes Benzin. Der Erschaffene Drache schien zu spucken und schoss im Vorbeifliegen ein Feuergeschoss auf Viktor ab.

Nicht schlimm ...

Die Flamme verlöschte im Wind. Sie flogen immer höher und höher. In Kreisen stiegen sie auf, ohne die Augen voneinander abzuwenden.

Der Drache und der Drachentöter.

Was hatte der Fresssack gesagt? Werde einer von uns?

»Nicht nur das«, vernahm er eine Stimme an seinen Ohren. »Wenn du das nicht willst, dann werde selbst einer?«

»Einer, wer ist das?«, rief Viktor lautlos aus.

Weit unten wurde die winzige Gestalt des Fresssacks in einem Staubwirbelsturm herumgeschleudert.

»Ein Erschaffener Drache«, folgte die lakonische Antwort. »Der, der alles annimmt und umfasst. Und alle beruhigt. Der Hund bei der Schafherde.«

Der Fresssack sprach jetzt sogar anders. Wo waren seine Witzeleien und sein ganzer Hokuspokus hingekommen?

Viktor antwortete nicht. Sein Blick hielt fasziniert den eisernen Körper des Erschaffenen Drachen fest, die gleichmäßig schlagenden schweren Flügel aus nacktem schwarzem Blei, die toten gläsernen Augen. Erstickender Hass brach in einem Strom zornigen Feuers aus Viktor heraus. Auf seinem Weg explodierte die Luft selbst; über seinem gekrümmten Rückgrat sammelte sich das angespannte Knäuel einer Wasserpeitsche; und unter ihm begannen sich unter Donnergrollen die Erdschollen aus ihren jahrhundertealten Höhlen zu heben.