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»Loj! Loj, was geht hier vor?« Chor erschien neben ihr wie ein lautloser Schatten. Aber durchaus nicht im Ballanzug, sondern in der Rüstung. »Ich habe Aufklärer ausgesandt,

»Im Gegenteil, Chor. Aber wie es aussieht, werde ich mich jetzt schleunigst ans Küssen machen müssen ... Mein Lieber, sieh nicht hin, ja?« Selbst in dieser Situation war sie noch ganz sie selbst.

»Sie wollen doch nicht etwa ...« Chor stockte mitten im Satz.

»Wenn mich nicht alles täuscht, ja«, antwortete Loj. »Ich gehe jetzt zu ihnen, Chor. Und du machst die Unsrigen bereit.«

»Sollen wir sie unbemerkt aufs Korn nehmen?«, erkundigte sich Chor eifrig. Er galt als unübertroffener Meister im Nahkampf ebenso wie bei scharfen, schnellen Gefechten in der Dunkelheit, wenn man nicht wusste, wer Feind und wer Freund war. Aber wenn es darum ging, wem man aus taktischen Gründen als Erstes ein vergiftetes Pfeilchen ins Auge jagen sollte, verließ er sich voll und ganz auf Loj, die sich noch nie getäuscht hatte. Ein Kampf mit Torns erfahrenen Soldaten wäre vielleicht der Anfang vom Ende für den Clan der Katzen; aber wer hätte Chor nachsagen wollen, dass er Angst hatte?

»Bist du verrückt geworden?« Loj fasste sich an den Kopf ohne Rücksicht auf ihre kunstvolle Frisur. »Das ist auf jeden Fall eine Beleidigung. Im Gegenteil, sie dürfen uns ruhig sehen. Sie sollen begreifen, dass wir kämpfen werden. Bis zum Ende. Und ich ... ich kümmere mich jetzt um die Gäste. Ich sage dir Bescheid, was los ist. Und dann ... ich werde etwas unternehmen müssen. Nur ärgere dich nicht,

»Eines Tages werde ich sie alle erschlagen«, knurrte Chor ohnmächtig, »und zwar ganz ohne irgendwelche Magie!«

»Mach keine Dummheiten, mein Lieber.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn zart auf die Schläfe wie eine Schwester. »Bring die Unsrigen in Stellung. Und ich werde mir eine glühende Rede zurechtlegen ... nein, damit verderbe ich nur alles. Erst mal werde ich gar nichts zu unseren Gästen sagen. Verlier keine Zeit, Lieber! Und verschling mich nicht mit den Augen. Tu was!«

Ritor stand in Gedanken versunken neben dem warmen Hauptstamm, der wie ein lebendiger Körper wirkte. Zauberer unterscheiden sich dadurch von normalen Sterblichen, dass sie in jeder Situation nachdenken können. Selbst wenn ihr eigenes Leben in Gefahr ist, bedeutet das nur ein zusätzliches Thema der Reflexion ... Torn hatte keinen Scherz gemacht. Dazu war er gar nicht fähig, dieser aalglatte, erfolgreiche Anführer des Wassers, der talentierte Zauberer, der fast schon geborene Magier. Er wusste genau, was er wollte, und ging unbeirrbar auf sein Ziel zu. Wenn nötig, ohne jede Rücksicht, aber manchmal auch lavierend. Er war ganz und gar nicht der typische Bösewicht aus dem Buch, kein machtbesessener Tyrann oder etwas in der Art. Er wollte einfach die bestehende Ordnung aufrechterhalten ... oder etwa doch nicht? Warum warf Torn ihm so hartnäckig vor, dass er die Macht usurpieren wolle? Doch nicht, weil er insgeheim selbst danach strebte? Nein, Unsinn. Ritor lachte sogar auf. Viele hatten in der Vergangenheit bereits versucht, ein einziges, allumfassendes Königreich in der

Er dachte nach und hinterfragte sich augenblicklich. Wären sie wirklich nicht auf Widerstand gestoßen? Und er selbst?

Was hast du dir bloß gedacht, Torn? Hat dich die alte, allzu menschliche Eitelkeit gepackt - die dir einredete, dass alle außer dir Dummköpfe sind, dass du allein weißt, was zu tun ist?

Kaum, schließlich bist du alles andere als dumm. Oder siehst du dich als Retter der Welt? Aber selbst wenn du mich besiegst, was möglich ist - des Nachts ist meine Kraft schwach und die Kraft des Wasser stark -, selbst dann wirst du die Angeborenen nicht aufhalten können. Und das bedeutet, dass ich jetzt nicht sterben darf. Ich würde freudig mein Leben geben - sogar dir, Torn -, wenn uns das vorm Untergang bewahren würde. Aber das tut es nicht. Wenn die adlerköpfigen Schiffe aus dem Rauch hervorkommen, bleibt uns nur noch ein Ausweg - in Würde zu sterben. Und wenn die Angeborenen zu zahlreich sind, dann wird uns selbst dieser Weg versagt sein.

Das heißt, ich muss mich durchschlagen, entschied Ritor pragmatisch. Wie satt ich das habe. Es kommt mir so vor, als hätte ich jeden einzelnen Tag meines Lebens damit verbracht, mich durchzuschlagen. Und so etwas gilt dann als größte Heldentat. Ich habe mich durchgeschlagen, als das Schicksal des Drachenbezwingers nur aus diamanten funkelnden Wegen des Ruhmes und des Heldenmuts zu bestehen schien. Damals war ich jung, grausam und dumm.

Ritor umfing eine weiche Wolke warmen Duftes - Iwer war bekannt für ihre selbst gefertigten Parfums. Ein schneller Blick unter den dichten Wimpern hervor, eine kaum merkliche Drehung ihrer biegsamen Hüften, kurz aufblitzende Grübchen - was ist mit dir, Ritor? Deine Kehle ist trocken. Dein Herz hat einen Stich gespürt. Dein diebischer Blick sucht vergeblich, in den tiefen Ausschnitt des Dekolletés vorzudringen. Du siehst begierig auf ihre Beine, die bis über die Knie entblößt sind.

»Du musst dich dessen nicht schämen«, sagte Loj. Sie war ungewöhnlich ernst. »Du hast deine Kraft, und ich habe meine.« Ritor wandte mühsam den Blick ab.

»Du bist ein komischer Mensch, Ritor. Ein mächtiger Magier, der rot wird wie ein kleiner Junge, weil er auf meine Brüste schaut. Du hast schlechte Liebhaberinnen gehabt, Magier der Luft.«

»Warum sagst du so was, Loj?« Wenn sie mit Torn gemeinsame Sache machte und ihn aus der Fassung bringen wollte, würde ihr das nicht gelingen.

»Das ist es, was ich jetzt denke. Und daher sage ich es dir. Es ist sinnlos, vor einem Meister wie dir etwas verbergen zu wollen. Vielleicht hättest du nicht immer meine Katzen verschmähen sollen, Maître?«

»Was hat das für eine Bedeutung?«, fragte Ritor gleichmütig. Es würde ihr nicht gelingen, ihn zornig zu machen.

»Bedeutung hat nur eines«, sagte Iwer mit plötzlicher Schärfe, »nämlich dass du und Torn hier ein Handgemenge anzettelt. Ich pfeife darauf, weshalb ihr euch bekämpfen wollt - ihr von den Elementen seid verrannt in eure Vorurteile -, aber hier werde ich kein Blutvergießen dulden. Und ich werde nicht zulassen, dass sie dich umbringen. Torn hat zu viele von seinen Leuten mitgebracht. Das wird kein Duell, sondern eine Mordhatz. Ich möchte, dass du lebendig hier herauskommst, Ritor.«

»Warum?«, fragte der Magier kaltblütig, und Loj biss sich unwillkürlich auf die Lippe - es schien unmöglich, zu diesem Eisklotz durchzudringen. Sollte sie es etwa vor den Augen des ganzen Saals mit ihm treiben? Amüsanter Gedanke ... aber das würde Chor nicht ertragen.

»Als Mann gefällst du mir besser als Torn«, sagte sie giftig und drehte ihm den Rücken zu. Wie auch immer, sie hatte ihr Ziel erreicht. Ritor hatte seinen Zorn zügeln müssen und Kraft verloren. Sein undurchdringlicher Schutzschild hatte für einen kurzen Augenblick einen Riss bekommen. Natürlich hätten nicht einmal zehn Frauen von Lojs Klasse ihm wirklich etwas anhaben können, dennoch hatte sie etwas in Erfahrung gebracht.

Nämlich, dass es Torn war, der Ritor umbringen wollte. Und nicht umgekehrt.

Was noch zu beweisen war.

»Alles fertig, Chor.«

»Dann fangen wir an.«

Leben kam in die Nacht.

»He, ihr da!«, brüllte Chor, wobei sich seine Stimme beinahe überschlug. »Ihr Leute vom Wasser! Hört gut zu, was ich euch zu sagen habe! Kommt lieber rein zu uns, hier ist es warm, trocken und fröhlich! Wir werden ohnehin nicht zulassen, dass ihr Elementaren hier eure Rechnungen begleicht. Wir sind zehnmal mehr, und selbst wenn jeder von euch neun von uns erschlägt, so wird unser zehnter Mann ihn doch am Ende fertigmachen. Mit bloßen Händen, ohne Waffen. Na also, Degen in die Scheide? Oder wollt ihr euch schlagen ...?«