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Die Dunkelheit schwieg.

»Maître Torn ...« Loj setzte sich geziert hin; sie hatte ihre Position so gewählt, dass er bequem über den Rand ihres Dekolletés spähen konnte. »Was für eine Ehre für uns ...«

»Lass doch, Loj.« Sie bemerkte, dass er sich nervös die Lippen leckte. »Seit wann bin ich für dich ›Maître‹? Einfach Torn, nur unser Ritor liebt solche offiziellen Anreden ...«

»Dann lass uns tanzen, Torn.« Graziös legte sie ihm die Hand auf die Schulter.

Der Ball der Katzen war schon voll im Gange. Die Gäste hatten sich wieder beruhigt. Zwei mächtige Magier waren auseinandergegangen, nach außen hin völlig friedlich. Keiner interessierte sich mehr für Ritor und Torn - keiner ahnte, was mit dem Clan des Feuers geschehen war, und keiner wusste, worüber die beiden Magier gesprochen hatten. Die Musik spielte auf; geschmeidig drehten sich die Paare. Über dem dichten Laub blitzten dunkelrote, silberne und hellblaue Lichter. Die Debütantin vom Clan des Wassers tanzte pausenlos.

Torn und Loj reihten sich unter die Paare. Iwers zierliche Finger legten sich sofort um den sehnigen Hals des Zauberers. Er zuckte zusammen.

»Was ist mit dir, reizende Gastgeberin?«

Loj wusste, dass sie keine Zeit verlieren durfte. Chor war bereits unterwegs, und das bedeutete, dass Torn jeden Augenblick ein Alarmsignal erhalten konnte. Und das zu übertönen würde ihr nur auf eine einzige Weise gelingen. Außerdem gehörte er nicht zu den Menschen, denen man lange etwas vormachen konnte. Nur ein zielstrebiger Vorstoß hatte Aussicht auf Erfolg, wie plump das auch aussehen würde. Im Übrigen sagte ihr ihre Erfahrung, dass Männer am leichtesten mit Plumpheiten zu gewinnen waren. »Was würdest du dazu sagen, dass die verruchte Loj allzu gerne in Erfahrung bringen möchte, wie es sich mit einem echten Magier anfühlt?« Sie betonte das Wort »echt«. Durch den dünnen Stoff des Kleides spürte sie, wie seine Handflächen augenblicklich heiß wurden. Er schluckte krampfhaft.

Noch ein kleiner Junge, dachte die Katze verächtlich. Verlangt die hohe Magie der Elemente tatsächlich so viel Kraft und Einsatz von ihren Schülern, dass für ganz normalen Sex kein Platz mehr ist?

Torns Kopf zuckte heftig auf und ab - es war nicht leicht, in dieser hektischen Bewegung ein zustimmendes Nicken zu erkennen.

»Dann lass uns gehen«, flüsterte Loj und drängte sich enger an ihn. Sie lösten sich in der Wand des Ballsaals auf.

Das kleine Kämmerchen hatte Loj extra für diese Art dringlicher Rendezvous eingerichtet. Hier herrschte Dämmerlicht. Torn stand mit hängenden Armen da und atmete schwer -

»Trau dich nur, Maître.« Sie lächelte, während sie sich mit einer einzigen Bewegung von ihrem Kleid befreite.

Er umfasste sie wie ein Ertrinkender einen Rettungsring.

»Aber, aber ...«, flüsterte sie heiser.

Der Magier verlor die Beherrschung, und das war gut so.

Torn presste sich an sie.

»Und jetzt gibst du den Deinigen den Befehl, Ritor ziehen zu lassen«, schnurrte sie zärtlich.

Stahl blitzte an Torns Kehle auf; eine Schneide ritzte in seine Haut.

»Wa-as?!« Es schien, als bräche er leblos zusammen.

»Ich möchte keine Leichen auf meinem Ball«, sagte sie scharf. »Du willst Ritor umbringen. Das werde ich nicht zulassen. Begleicht eure Rechnungen, wo ihr wollt, aber nicht auf meinem Territorium. Hast du verstanden, Torn? Sag deinen Leuten, sie sollen ihn ziehen lassen. Hörst du? Sonst, das schwöre ich dir, schneide ich dir die Kehle durch. Was dann mit mir geschieht, wirst du jedenfalls nicht mehr erfahren.« Wieder berührte sie mit der Klinge seine Kehle.

Torn krächzte.

»Schlampe.«

»Es lohnt nicht, mich zu beschimpfen«, sagte sie weich. »Du hast mir keine andere Wahl gelassen. Los jetzt!«

Er zögerte einige Augenblicke lang, und Loj dachte, dass er wohl wirklich kein Feigling war.

»Gut! Du hast gewonnen ... diesmal.«

Sie spürte eine Welle der Magie.

»Fertig ...«

»Erklär mir, wie du das geschafft hast«, wollte Chor mit finsterer Miene wissen, nachdem sie sich geliebt hatten.

Loj prustete verächtlich.

»Für einen echten Magier hing er zu stark am Leben«, sagte sie. Als würde sie dem unsichtbaren Torn ins Gesicht spucken.

Die Amerikaner hatten einst eine Form der Bestrafung gekannt, die sich »Teeren und Federn« nannte. Viktor hatte sich nie erklären können, worin bei dieser Maßnahme der erzieherische Effekt lag.

Jetzt, so schien es, wurde ihm das endlich klar. Von Kopf bis Fuß über und über verschmiert mit Schlamm und übersät mit Blättern, die daran klebten, stand Viktor vor der laut lachenden Tel und wusste nicht, was er tun sollte. Lachen, weinen, Reißaus nehmen oder dieser Göre eine Ohrfeige verpassen, die ihn Gott weiß wo reingezogen hatte?

Trotz allem entschied er sich fürs Lachen. Tel sah wirklich zu albern aus. Genau wie er selbst. Viktor streckte die Hand aus und zupfte ein Blatt von der Wange des Mädchens.

»Wie bist du darauf gekommen?«, fragte Tel.

»Du hast doch gesagt, wenn was passiert, soll ich mich auf den Boden werfen«, sagte Viktor ungerührt. »Genau das hab ich getan.«

Tel kicherte wieder los, diesmal leiser. Viktor sah sich um.

Schönes Teufelswerk. Sie befanden sich in einem Wald, aber nicht in so einem aufgeforsteten, schmuddeligen Wäldchen am Moskauer Stadtrand, sondern in einem richtigen Wald, der an ein Gemälde Schischkins[4] erinnerte. Den Hügel, den sie runtergerutscht waren, schien es tatsächlich zu geben, aber von dem schmalen Pfad war weit und breit nichts mehr

Aber das Wichtigste war - rundherum herrschte Herbst. Wahrscheinlich noch nicht sehr weit fortgeschritten, denn es war noch nicht sonderlich kalt, aber dennoch eindeutig Herbst. Die Bäume hatten schon fast alle ihre Blätter verloren, nur in den Wipfeln war noch ein Rest von Braun und Gelb übrig geblieben.

Und es war still, vollkommen still. So wie es in der Nähe von Stränden oder in irgendwelchen öffentlichen Freizeitanlagen niemals der Fall ist. Immer findet sich ein Trottel, der glaubt, dass in ihm ein Talent zum Sänger schlummert, oder eine Gruppe junger Leute, die den Kassettenrekorder auf volle Laufstärke stellen ...

»Wo sind wir, Tel?«, wollte Viktor wissen. Es fiel ihm gar nicht ein, danach zu fragen, wo ihre seltsamen Verfolger geblieben waren. Er spürte einfach, dass sie nicht in der Nähe waren.

»Zu Hause. Bei mir.« Tel fuhr sich mit der Handfläche übers Gesicht und wischte das restliche Blut weg. Eine Wunde gab es nicht.

»Bei dir zu Hause?« Viktor sprach die Worte langsam, Silbe für Silbe. Nur so konnte er die klirrende Leere, die sein Bewusstsein erfasst hatte, ausfüllen. Er konnte an nichts denken. Er glaubte es nicht. Er konnte es nicht glauben.

»Ja. Du hast doch versprochen, mich nach Hause zu begleiten.«

»Und ... wo ist es jetzt, dein Haus? In Serebrjany Bor?«

»Nein.« Tel umfasste fröstelnd ihre schmalen Schultern. »Viel weiter weg.«

»Aha. Parallelwelten.« Viktor versuchte, hämisch aufzulachen, aber es gelang ihm nicht gut.

»Nenn es, wie du willst.« Tel versuchte vergeblich, sich eine dreckstarre Strähne aus dem Gesicht zu streichen. »Lass uns gehen. Nicht weit von hier ist ein kleiner See. Da können wir uns waschen.«

»Bei diesen Temperaturen?« Viktor war entsetzt.

»Sonst erfrieren wir«, sagte Tel belehrend. Jeden Moment krallte sich die Kälte mit unsichtbaren Klauen fester in ihre nasse Kleidung.

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4

GEMÄLDE SCHISCHKINS Iwan Schischkin, bedeutender russischer Maler des 19. Jahrhunderts, dessen Bilder dem Naturalismus zugerechnet werden. Herausragend sind insbesondere seine Naturlandschaften.