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Es schmeckte wunderbar. Alkohol war praktisch nicht zu spüren. Leicht säuerlich und kühl am Gaumen - nicht nach Pfefferminz, eher wie Eis, obwohl die Flüssigkeit warm zu sein schien.

»Das Schwert ist nicht ruiniert«, bekannte Rada unvermittelt. »Ein schräger Pendelschliff ist ein guter, ehrenwerter Schliff. Aber ich hatte um einen Elfenschliff gebeten!«

»Und da gibt es einen Unterschied?«

»Und was für einen! Ein Elfenschliff ist viel härter. Die Klinge schneidet leicht, aber sie tanzt ein wenig über den Körper und hinterlässt Ritzwunden.«

Viktor fuhr zusammen. Als Arzt zeichnete ihm seine Vorstellungskraft ein nicht eben beruhigendes Bild.

»Das Schwert ist ein Elfenschwert«, fuhr Rada fort. »Deshalb wollte ich, dass es auch entsprechend geschliffen ist.«

»Und ich dachte, du beschäftigst dich nur mit Kochkunst.«

»Ich muss mich um Papas Sammlung kümmern, Waffen dürfen nicht einfach so an der Wand verrotten.« Nachdenklich berührte das Mädchen den Griff. »Papa wollte immer Söhne haben. Und dieses Schwert hat er für mich erworben ... nun, im Voraus.« Sie blickte Viktor an und sagte dann ohne jede Überleitung: »Du bist irgendwie komisch.«

Viktor nickte. »Ich weiß.«

»Möchtest du frühstücken?«

»Ja, aber ich habe eine Frage ... Rada, weißt du, dass Tel - das Mädchen, mit dem ich gekommen bin - heute Morgen abgereist ist?«

»Ja, das weiß ich.« Rada verstummte und fragte dann mit Anteilnahme: »Habt ihr euch gestritten? Hast du sie mit irgendwas gekränkt?«

Viktor verschluckte sich an seinem Cocktail und fragte dann zurück: »Glaubst du, dass man sie überhaupt kränken kann?«

Rada kniff die Augen zusammen. »Nein ... eher nicht. Sie strahlt die Kraft aus. Du bist nicht ihre Liga.« Es war zwar demütigend, das zu hören, aber Viktor erhob keine Einwände.

»Ich will sie einholen.«

»Wozu?«

Ja, warum eigentlich? Würde er den Weg zurück wirklich nicht allein finden? Den Weg zu finden war vermutlich nur eine Kleinigkeit, aber er würde auch über jenen Pfad gehen müssen, der in die Welt auf der Anderen Seite zurückführte.

»Ich muss etwas von ihr wissen.«

Rada trommelte mit den Fingern auf den Tisch und seufzte. »Nein, so läuft das nicht. Erzähl mir alles ganz ehrlich. Und mach dir keine Sorgen, du kannst mir jedes Geheimnis anvertrauen.«

Viktor schüttelte zweifelnd den Kopf.

»Denk nicht, dass ich immer so eine Klatschtante bin. Ich rede gerne über mich. Über Papa. Das Restaurant, über die Schwerter. Aber fremde Geheimnisse gebe ich nie preis.«

»Ich ... bin nicht von dieser Welt. Ich bin von der Anderen Seite.«

»Also das habe ich auch so schon begriffen.«

»Was?«

»Du hast dich immer so merkwürdig umgesehen. Alle, die von der Anderen Seite herkommen, sind am Anfang so.«

»Kommen denn viele?«

»Nicht sehr viele. Aber auch nicht wenige. Ein, zwei Neue pro Monat schauen sicher hier vorbei. Einige fahren dann weg, andere bleiben bei uns.«

»Rada! Ich muss mit einem von ihnen reden.«

»Nein. Ich hab dir doch gesagt, fremde Geheimnisse wirst du von mir nicht erfahren. Warum willst du bei den Leuten alte Wunden aufreißen?«

»Aber ich ...«

»Verstehst du es wirklich nicht? Es ist kein Unglück geschehen, du gewöhnst dich dran. Und soweit ich weiß, ist bei euch ohnehin fast alles wie bei uns.«

»Wie bei euch? Ganz sicher nicht! Bei uns geistern keine Toten rum.«

»Bist du dir da sicher? Bei uns übrigens auch nicht, sie bleiben hinter der Grauen Grenze.«

»Und die Elfen?«

»Was ist mit ihnen? Gibt es bei euch keine Elfen und Gnome? Dafür gibt es doch bei euch angeblich schwarze und gelbe Menschen.«

Rada ließ Viktor einen Augenblick mit dieser merkwürdigen Analogie zwischen Elfen und Schwarzen allein und

»Aber Rada ... das ist nicht meine Welt! Drüben war ich Arzt ...«

»Arzt? Das ist ja großartig! Man wird dich in jeder Stadt mit offenen Armen empfangen. Du kannst auch hier bleiben. Wil ist alt geworden, er bringt die Medikamente durcheinander und hat Angst, einen Darmverschluss zu operieren, und sein Schüler ist ein Taugenichts, der sich mit den jungen Elfen eingelassen hat, er wurde in der Heilmittelabteilung ausgebildet ...«

Viktor ruderte mit den Armen. »Halt, Rada, halt! Ich habe ganz und gar nicht vor, hier eine medizinische Laufbahn einzuschlagen.«

»Und was dann?«

Der Mann an dem Tisch in der Ecke rülpste laut, stand auf und ging zum Ausgang. Er war nicht groß, breitschultrig, mit einem groben, faltigen Gesicht und dicken schwarzen Locken, die ihm wild um den Kopf abstanden. Sein Gang war fest und schwer, als wollte er mit jedem Schritt den Fuß in den Boden rammen.

»Danke, schöne Rada.« Er tätschelte dem Mädchen vertraulich die Schulter, blickte Viktor einen Augenblick lang mit dunklen, hervorstechenden Augen an und verließ das Restaurant.

»Das war ...«, begann Rada.

»Ein Gnom«, vollendete Viktor ihren Satz.

»Hast du schon welche getroffen?«

»Nein.«

Viktor machte sich nicht die Mühe, ihr zu erklären, dass er in dem Gnom dieselbe Fremdheit wahrgenommen hatte wie bei dem Elfen. Wenn er seinen Vergleich vom Vortag

»Ein lustiges Völkchen«, sagte Rada. Zögernd fügte sie hinzu: »Und gefährlich. Sie kennen sich mit Elektrizität aus, sie haben die Dampfkraft begriffen ...«

»Benutzt du keine Elektrizität?«

»Natürlich, aber das heißt doch nicht, dass ich sie begreife!«

»Nun, dabei handelt es sich ...« Viktor geriet ins Stocken und versuchte die Überbleibsel seines Schulwissens zusammenzukratzen. Elektronen liefen durch die Leitungen? Oder nicht? Dann gab es noch diese Positronen, nein, die hatten damit nichts zu tun.

Was war die Wissenschaft eigentlich für ihn? War sie im Grunde nicht eine Magie der anderen Art? Wenn man ein Kardiogramm nun nicht mit einem elektronischen Gerät, sondern mit dem Geist Napoleons auf einer spiritistischen Sitzung machte oder eine Blutanalyse nicht von einer weiß gekleideten Laborantin vorgenommen würde, sondern von einem Vampirmädchen in schwarzen Fetzen, wenn in den Apotheken anstatt Tabletten gut getrocknete Fledermausflügel und verzauberte Spinnen, die sich als Heilmittel bewährt hatten, verkauft würden? Was würde sich für ihn ändern? Für einen Menschen, der einen Haufen Papier durchsah, den Patienten untersuchte und abtastete und sich dann am Ende auf seine eigenen Hände und sein Skalpell verlassen musste?

»Verdammt«, rief Viktor inbrünstig aus. »Verdammt!«

»Siehst du!« Radas Stimme klang triumphierend. »Du fängst an zu verstehen! So geht es allen!«

Aus der Küche trat eine ältere Frau mit einer reinlichen Schürze und stellte schweigend ein Tablett vor Viktor hin.

»Na ja, für einen Klumpen Gold hätte ich so was vermutlich auch bei uns bekommen.«

»Also hör mal, hier kostet es zwei Silberlinge, mehr nicht«, beruhigte ihn Rada. »Hat das Mädchen dir das Geld dagelassen?«

Viktor wühlte mechanisch in seinen Taschen. »Ja.«

»Dann ist alles in Ordnung. Mit dem Geld in dem Säckchen, aus dem du gestern Abend bezahlt hast, kannst du gut und gern ein halbes Jahr hier leben. Natürlich nicht, wenn du bei mir essen willst ...« Rada lächelte stolz.

»Ich habe noch einen Beutel mit Steinen, fast so wie ...«

Rada gab ihm einen Klaps auf die Lippen.

»Still, Doktor!« Ihre Augen waren ernst und hart geworden. »Warum plauderst du das aus? Suchst du den grimmigen Tod? Dies ist eine friedliche Siedlung, hauptsächlich Waldgehöfte. Aber böse Menschen gibt es überall!«

Viktor schwieg verlegen.

»Na gut. Gewöhn dich an alles«, sagte Rada gleichmütig. »Bleib eine Weile hier. Dersi mag keine Beine haben, aber er sorgt im Hotel für Ordnung. Ich garantiere dir, es wird dir gefallen. Wenn du hier bist ... dann bedeutet das, dass es dich von der Anderen Seite in die Mittelwelt zog.«