»Das habe ich«, sagte Ritor, ohne zu lächeln. »Ruht euch jetzt aus bis zum Abend, Freunde, und wenn es dunkel wird, bitte ich euch, zu mir zu kommen. Dann werden wir den Plan besprechen. Morgen früh beginnen wir, denn zur Stunde der größten Kraft muss alles bereit sein.«
»Komm her zu mir, Asmund. Du brauchst nicht zu zittern, ich bitte dich. Als du meinen Wall durchbrachst, hast du dich auch nicht gefürchtet. Du musst uns entschuldigen, deine Weihe vollzieht sich ganz und gar unfeierlich. Ich weiß, du hast dir etwas anderes erträumt: dass der ganze Clan auf dem großen Platz versammelt ist und du den Schwur verliest ... Und nun stehen wir hier. Sechs Magier in einem verdunkelten Saal. Aber das macht nichts. Es ist an der Zeit, erwachsen zu werden, Asmund. Manchmal muss das sehr schnell geschehen - sonst erlaubt dir das Schicksal nicht, überhaupt erwachsen zu werden. Der Krieg rückt näher, mein Asmund. Die Väter werden ihre Söhne begraben müssen. Bei Morgenanbruch ziehen wir ins Feld, sobald das Ritual vollzogen ist. Du bist auserkoren, uns zu helfen. Du hast bewiesen, dass du dazu in der Lage bist. Ich
Sieben Magier standen an den Händen gefasst im Kreis auf der äußersten Spitze des steilen Felsens. Es war noch lange hin bis zur Stunde ihrer größten Kraft, aber nun lag eine feinfühlige Arbeit vor ihnen - sie würden Windkränze flechten müssen; nur hier auf dem Zahn war das möglich.
Ritor hielt Asmund fest an der Hand. Für alle Fälle, falls der Junge doch die Kontrolle über sich verlieren sollte. Jetzt war der Moment gekommen, in dem die über lange Zeit angesammelte Kraft des Clans freigesetzt werden musste, indem sie sich auf die alte Magie des Kampfes besinnen mussten.
Die Handfläche des Jungen zitterte kaum spürbar, und Ritor bemitleidete ihn unwillkürlich, ungeachtet seiner eigenen Worte. Und er verspürte Scham. Ja, dieser hier hatte
Aber in Wahrheit war es auch so, dass bei der Arbeit im Kreis der schwerste Schlag den Jüngsten traf. Wie das Wasser immer nach unten fließt, ebenso geht die Kraft immer durch den, der am wenigsten Erfahrung und am meisten Energie hat. So ist es gerecht, denn das, was Roj getötet und selbst Ritor vermutlich aufs Lager geworfen hätte, verwandelte sich für den Jungen nur in einen schweren Traum und unendliche Erschöpfung. Er würde schneller und leichter als sie alle wieder zu sich kommen ...
Es wäre nur besser für Asmund, das nicht allzu früh zu erfahren. Nicht, ehe ein jüngerer Magier in ihren Kreis aufgenommen würde. Es war schwer, ja, sehr schwer, zu begreifen, dass deine geliebten Lehrer und gewissermaßen auch deine Kampfgefährten dich über Jahre vor allem als lebendigen Schild geschätzt hatten.
Ritor wusste das aus eigener Erfahrung ...
Wahrscheinlich schmeckte die Forelle vorzüglich. Sogar sehr wahrscheinlich - falls Viktor das überhaupt merkte, während er den Fisch ganz langsam in Stücke zerlegte und verzehrte, nur um das Unvermeidliche hinauszuzögern. Aber das Frühstück war für ihn jetzt nur noch eine kurze Schonfrist vor dem Kampf. Genauer gesagt vor dem Tod. Die Familie des Räubers hatte offenbar entschieden, ihn fertig essen zu lassen, aber Viktor hatte keine Chancen, sich dieser fünf zu erwehren.
Wie hatte er sich nur so täuschen können!
»Gnade, Herrscher ...«, etwas in der Art hatte dieser Räuber doch geflüstert, oder? Und er hatte nachgegeben, der mitleiderregenden Stimme, dem Äußeren dieses Lumpen,
Viktor knirschte mit den Zähnen. Vor ihm auf dem Tisch lag sein frisch geschliffenes Schwert, er würde es noch zu fassen bekommen. Aber was würde es ihm im Kampf nützen? Ja, wenn es eine Maschinenpistole wäre ... wenn er sich wenigstens noch an den Offizierslehrgang an der Uni erinnern könnte.
»Oh, die Wächter der Grauen Grenze!« Rada trat an den Tisch der Familie. Ihre Stimme klang spöttisch herablassend. »Seltene Gäste! Herzlich willkommen!«
»Bier, Frau Wirtin«, sagte der Räuber heiser, und Viktor erzitterte, als er dessen Stimme vernahm: sie klang gedämpft, alle Gefühle unterdrückend.
»Was für ein Bier?« Rada war die Gastfreundschaft in Person, aber ihr Ton hatte sich leicht verändert. Sie spürte das Unheil ... vielleicht würde sie Dersi rufen ...
Viktor schalt sich selbst dafür, dass er sich um ein Haar auf den Krüppel ohne Beine verlassen hätte. Nein, der Elf würde ihm sicher keine Hilfe sein.
»Irgendeines ... das Billigste ... nein!« Der Räuber hatte es sich anders überlegt und sagte entschieden: »Das Beste, das du hast! Wersker, goldenes Wersker Bier!«
Rada gab einen Laut der Verwunderung von sich und ging.
Viktor aber verstand sofort, warum der Räuber seinen Söhnen das beste Getränk vorsetzen ließ. Damit sie sich an diesen Augenblick erinnerten. Der Mord selbst würde wohl keinen allzu tiefen Eindruck auf die Jungen machen. Aber an den Geschmack des Bieres würden sie sich erinnern, damit würden sie vor ihren Freunden angeben.
Und in ihr Gedächtnis würde sich für immer eingraben, dass ihr Vater keine Demütigung ertrug und seine Feinde nicht ungeschoren ließ!
Eine Welle des Zorns erfasste ihn, eine riesige kochende Welle. Wie unmittelbar nach dem Übergang, als ihn im eisigen Wasser des Sees eine Art Wahnsinn befallen hatte.
Sie wollten also ein Schauspiel aus ihm machen!
Ein Lehrstück für minderjährige Banditen!
Er merkte nicht einmal, wie das Schwert in seine Hand glitt, die Finger eisern den Griff umfassten - leicht, geübt, als wäre er damit vertraut. Der Tisch wackelte vom Stoß seines Körpers, Viktor drehte sich um, schleuderte den Stuhl nach hinten. Mit einem traurigen Klirren zerbrach der Pokal mit einem Rest Sprudelnden Tages auf dem Boden.
»Du!«, brüllte Viktor und streckte die Klinge in Richtung des Räubers aus. Und in seinem Schrei erklang kein Aufruf und keine Drohung, sondern eine Feststellung, ein Versprechen, dass etwas geschehen würde ... weit mehr als das, wozu er fähig war.
»Herrscher ...« Der Räuber sprang vom Tisch auf und fiel vor Viktor auf die Knie. »Herr, ich bin gekommen ... ich habe meine Söhne mitgebracht ...«
Noch in der Hitze des frischen Zorns sah Viktor, wie die Jungen sich neben den Vater zu Boden fallen ließen, sich ausstreckten - bereit, den Schlag seines Schwertes zu empfangen. Nur der Jüngste wagte es, den Kopf ein wenig zu heben und ihn anzusehen, aber sein Blick war nicht erfüllt von Hass oder Furcht, sondern von einer eifrigen, begeisterten Neugier.
So hatte Moses vermutlich den brennenden Dornbusch angesehen oder die Apostel den erzürnten Jesus.
»Wie es euch beliebt, Herrscher ...«
Viktor schwieg, er wusste nicht, was er mit diesen Leuten anstellen sollte und was eigentlich vor sich ging. Verlangte ein geschenktes Leben in der Mittelwelt tatsächlich nach einer solch hündischen Ergebenheit?
»Wollt ihr das Bier noch?«, fragte Rada hinter dem Tresen hervor. Viktor bemerkte, dass das Mädchen schnell etwas verbarg.
Vielleicht hatte das Schicksal Konam keine Söhne gegönnt, aber seine Tochter war jedenfalls in der Lage, für sich einzustehen.
»Bring ihnen Bier, Rada ...«
Viktor trat auf den Räuber zu. »Wie heißt du?«
Der Mann hob den Kopf und blickte ihn an, als könnte er nicht glauben, dass Viktor sich zu einem Gespräch mit ihm herabließ.
»Verzeiht, dass wir Eure Ruhe gestört haben ...«
»Wie ist dein Name?«
»Ich bin der Grenzer ...«
Vielleicht hatte der Räuber auch einen richtigen Namen außer diesem Spitznamen, aber Viktor war das egal. »Also gut, Grenzer, warum seid ihr gekommen?«
»Um Euch zu dienen, Herrscher.«
»Ich brauche niemandes Dienste!«
»Ja, Herrscher ... dann tötet uns, Herr ...«
Es wurde nicht einfacher! »Steh auf. Und deine Söhne auch. Trinkt euer Bier, und geht dann in die Eingangshalle. Wartet dort auf mich.« Diese präzisen Anweisungen schienen die richtige Taktik zu sein. Der Grenzer sprang auf, half seinen Söhnen mit Fußtritten auf die Beine, und nach wenigen Augenblicken hatten sie ihre Krüge geleert und verließen das Restaurant.