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Die Frauen verfielen bei seinem Anblick keineswegs in Geschäftigkeit und versuchten auch nicht, seine Aufmerksamkeit mit anpreisenden Rufen auf sich zu lenken. Es waren ernste Alte, die ihren Preis kannten und sich nicht um des Handels willen versammelt zu haben schienen, sondern um hier den Tag zu verbringen.

Zunächst sah er nur Lebensmitteclass="underline" Milch, Sauerrahm, Sahne in feuchten Lehmkrügen, Schichtkäse in Tüchern und Körben, kleine Keramikgefäße mit Honig, dessen Farbe von blauschwarz bis milchig weiß variierte, als ob die Bienen hier wüssten, wie man Kühe melkt. Von seinem Duft lief Viktor die Spucke im Mund zusammen, obwohl er satt war. Der Honig wurde zur Abwechslung von einem Mann angeboten. Er war ein prächtig anzusehender Alter mit einem gewaltigen Bart, einem Haarkranz um seine Glatze und kleinen, schlauen Äuglein. Offenbar hatte er Viktors Reaktion auf seine Ware bemerkt und lächelte zufrieden. Ohne zu verhandeln, erwarb Viktor ein ordentliches Stück Honigwabe für drei Kupfermünzen. Während er weiterschlenderte, saugte er abwechselnd den frischen durchsichtigen Honig aus der Wabe und kaute auf dem geschmeidigen Wachs herum.

Auch seine Eskorte hielt bei dem Imker, und der Grenzer kaufte für jeden seiner Söhne ein Stück Honigwabe. Viktor

Zwei Alte, vermutlich Schwestern, boten alle Arten von Kleidung feil. Viktor ging erst vorbei, dann kehrte er um. Für seine Reise ins Unbekannte war es sinnvoll, sich auszurüsten. Er kaufte Wäsche zum Wechseln und wunderte sich darüber, dass die augenscheinlich handgenähten Unterhosen durchaus einen tragbaren Schnitt aufwiesen und ganz und gar nicht hausbacken wirkten.

»Wie für dich geschnitten, mein Lieber«, sagte die eine fachkundig und blickte Viktor wohlwollend an.

Schlichte Gemüter sind das hier, dachte Viktor.

Im Moment war Viktor genau richtig für das Wetter angezogen. Aber es konnte nicht schaden, an die Zukunft zu denken. Zum Beispiel an Regen. Von Osten her zogen allmählich Wolken auf ...

Zwei schwarze Lederjacken lagen auf dem Tisch, aber beide kamen Viktor reichlich klein vor. Und dann diese kupfernen Knöpfe überall, diese Schnürchen und Nieten - in dieser Jacke würde er aussehen wie ein Heavy-Metal-Fan, aber nicht wie ein erwachsener Mann.

»Die sind für Elfen genäht ...«, teilte ihm die Alte betrübt mit. »Elfen mögen so was ... und dann war da so eine Kleine heute Morgen, die hat ewig rumprobiert und dann doch nichts genommen ...«

Viktor fragte gar nicht erst nach, wie besagte Kleine ausgesehen hatte. Auch so war er sich ziemlich sicher, dass es sich um Tel gehandelt hatte.

»Nimm den Mantel!«, riet die andere. Offenbar hatte Viktor in ihren Augen den Status eines echten Kunden erworben. »Der taugt was, ist aus Biberfell.«

Aber Viktor war nicht so verrückt, in einem edlen Mantel aus fein gegerbtem, glänzendem Fell auf Reisen zu gehen. Darin würde er viel zu sehr auffallen.

»Dann nimm eine Scheide; wenn du weiter so mit dem Schwert durch die Gegend gehst, wirst du noch jemanden erschrecken«, ließ die Alte nicht locker.

Und das war nun tatsächlich ein guter Rat. Aus einem dicken Sack unter dem Tisch zog sie geschickt einige Scheiden hervor. Viktor besah sie sich neugierig: Sie waren aus Holz und mit dickem, rauem Leder überzogen. Er maß sein Schwert mit dem Blick und schob es dann in die erstbeste Scheide; es glitt leicht hinein und saß doch fest, als wäre die Hülle extra für seine Waffe angefertigt worden. Sogar die Alte war überrascht und schüttelte den Kopf. »Sieh einer an, da hast du aber die richtige gefunden ...«

Viktor hatte das Gefühl, dass sie den Preis, der für eine Scheide ohnehin unverschämt war, gleich noch mal verdoppelte. Aber er bezahlte schweigend und ging weiter. Die Scheide hatte er an seinem Gürtel befestigt, nun baumelte sie ihm zwischen den Beinen - ohne nachzudenken, schob er sie nach hinten; es schien, als ob die Waffe sich an ihren Platz erinnerte.

Die Räuber blieben ebenfalls an dem Kleiderstand stehen. Neugierig beobachtete Viktor sie. Würden sie sich tatsächlich auch Unterhosen kaufen? Aber so weit ging ihre blinde Ergebenheit nun auch wieder nicht. Der Grenzer befühlte die Lederjacke, verzog das Gesicht und rief den Jüngsten zu sich. Er sprach ein paar Worte zu ihm und gab ihm dann einen kleinen Schubs. Der Jüngste stürzte eilig los und verschwand.

Viktor fuhr fort, sich mit dem örtlichen Warenangebot vertraut zu machen. Eine Frau von etwa vierzig Jahren in

Viktor wollte jetzt keine Experimente machen, daher ging er zügig weiter. Vielleicht konnte er auf dem Rückweg ein paar Flaschen ... als Überraschung; seine Kumpels würden sich nicht schlecht wundern!

Ganz zum Schluss entdeckte Viktor etwas, mit dem er nie gerechnet hätte. Vor einer stämmigen, kleinen Frau, die dastand wie ein Fels, lag ein schmaler Stoß Zeitungen.

Echte Zeitungen! Richtig gedruckte! Viktor streckte die Hand aus, und die Alte schlug ihm blitzschnell und überraschend stark auf die Finger.

»Erst bezahlen ... Ihr Schriftkundigen werdet auch immer mehr ...«

Die Stimme der Alten klang rau und guttural. Hinter ihm stieß der Grenzer einen Schrei aus und trat zu ihnen. Viktor drehte sich um und bedeutete ihm mit einem Blick, sich aus dem Staub zu machen, dann sah er die Alte an.

Ein hartes, faltiges Gesicht mit einem Schnurrbart und einer flachen Nase umrahmt von einem Büschel drahtiger Haare.

Ein Gnom, besser gesagt, eine Gnomfrau!

»Wie viel?«

»Ein Goldstück«, sagte sie in einem Ton, der eigentlich nur eines nahelegte, nämlich »Hau ab«.

Viktor stieß innerlich drei Flüche aus, gegen sein Gedöns eines Intellektuellen, gegen die allgemeine Schulbildung

Nachdem er gründlich untersucht hatte, welches die kleinste Münze war, legte er sie neben die Zeitungen. Ohne die geringste Verlegenheit biss die Gnomfrau in das Goldstück, um seine Echtheit zu prüfen, erst dann hielt sie ihm eine Zeitung hin. Viktor heftete die Augen gierig auf die erste Seite: Der Eisenbahner.

Dieser Zeitungstitel schrie förmlich danach, um das Adjektiv »rot« erweitert zu werden, aber augenblicklich wäre Viktor bereit gewesen, alles zu lesen, was sich ihm bot, vom Elfenboten bis hin zum Abendvampir. Sein Blick glitt weiter.

Zwar waren alle Artikel in kyrillischer Schrift gesetzt, aber die Buchstaben fügten sich einfach nicht zu sinnvollen Wörtern zusammen. »Kratzer Gootschek« war noch das harmloseste. Aber was sollte man von »lauer erser« oder von »hu du« oder von »sef« und »ab!!!« mit drei Ausrufezeichen halten?

War das die Gnomensprache?

Im ganzen Text waren ihm nur die Präpositionen bekannt ... allerdings, wer wusste schon, was ein Gnom unter »über«, »bei« und »auf« verstand.

Aber halt. Jeder Artikel war mit einer kurzen Anmerkung in russischer Sprache versehen, die jeweils in einem schwarzen Rahmen daneben abgedruckt war. »Die Geschichte von Kilometer 1054 der Eisenbahnroute«, »Vergleichende Analyse der Wirtschaftlichkeit von Lastwagen- und

Viktor blätterte die Zeitung eilig durch - alles in allem gerade mal sechs Seiten. Und es gab selbstverständlich keine Illustrationen oder Fotos. Der Schrifttype nach zu urteilen wurde diese Zeitung auf einer entsetzlich primitiven Vorrichtung gedruckt ... Keine Artikel auf Russisch, lediglich diese lächerlichen Resümees am Rande.

Er sah die Gnomfrau an, die mit hämischer Freude auf seine Reaktion wartete.

»Danke schön«, sagte Viktor. »Ich werde sicher ... eine Verwendung für dieses Papier finden.«

Er faltete die Zeitung mehrmals sorgfältig und stopfte sie in die Tasche seiner Jeans.

Die Gnomfrau wurde dunkelrot, öffnete die Lippen, sagte aber nichts. Die umstehenden Verkäuferinnen, die alles mit angesehen hatten, kicherten los. Stolz auf seinen kleinen Sieg ging Viktor zum Bahnhof.

»Herrscher ...«