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»Ich erinnere mich.« Raschelnd wie schnell fließendes Wasser ertönte die Antwort. »Aber Schiffe - überlege selbst, weiser Ritor -, Schiffe sind noch vorstellbar, ein Drache jedoch ist etwas ganz anderes. Aber ... was du sagst, überrascht uns nicht.«

»Wieso?«, fragte Ritor bestürzt.

»Keiner kennt die Grenzen jener Kräfte, die von den Angeborenen entfesselt wurden. Wir glauben nicht, dass man einen Drachen erschaffen kann ... aber du hast Recht, wir haben auch nicht an ihre Schiffe geglaubt. Also, was sollen wir tun? Was schlägst du vor? Willst du deine Jugend wieder aufleben lassen, Ritor?« Die Stimme war voller Häme.

Endlich erklang die eigentliche Frage, die Frage, um derentwillen Ritor diese Zusammenkunft veranlasst hatte, ohne Rücksicht auf seine Kräfte.

»Die Zeit des Drachen ist gekommen«, sagte er.

Sein Gegenüber brach in ein leises, glucksendes Lachen aus. »Die Zeit jener, die nicht mehr sind? Was sagst du da, weiser Ritor?«

»Die Zeit des Drachen ist gekommen«, wiederholte Ritor. Wieder trat Stille ein. Er hörte, wie Schatti hinter seinem Rücken stöhnte. Auch den Zauberer beunruhigte etwas.

»Ich verstehe«, war endlich aus der Dunkelheit zu vernehmen. »Dich bewegen die Erinnerungen an die Tage des großen Krieges. Hoffnungen und Ängste - sie stammen aus deiner Jugend. Ritor ... der du den letzten Drachen tötetest.«

Ritor presste die Zähne aufeinander, beherrschte sich. Der Clan des Feuers, der sich in den Tagen des Krieges abseits gehalten hatte, hatte alles Recht, ihm Vorwürfe zu machen.

»Aber kehrt nicht zusammen mit dem Drachen auch der Drachentöter zurück?«

Seltsam, der Anführer des Feuers schien sich kein bisschen zu wundern. Aber das sollte er eigentlich. Wenn der letzte Drache vernichtet war, konnten nicht einmal die Angeborenen ein solches Wunder neu erschaffen.

»Warst du nicht so ein Drachentöter, Ritor? Hast du nicht die Prüfungen des Feuers, des Wassers, der Luft, der Erde und des Bluts bestanden? Haben nicht die Weisen aller Clans ihre Rituale über dir vollzogen? Wenn die Angeborenen vom Drachen angeführt werden ... stellen wir ihm seinen Drachentöter entgegen.«

»Es gibt einen anderen Weg.«

»Nein, gibt es nicht«, erwiderte der Anführer des Feuers schroff. »Und was wäre auch schlecht an dem Weg, den ich vorgeschlagen habe?«

»Die Angeborenen könnten noch etwas anderes anzetteln«, sagte Ritor langsam. »Sie brauchen ihn nicht unbedingt - den Drachen. Denn was werden sie hinterher mit ihm anfangen ... nach dem Sieg? Es ist nicht einfach, einen Drachen zu töten. Es ist viel einfacher, die Feindschaft zwischen den Clans anzufachen ... damit der Funke der Zwietracht entbrennt ... dann braucht es nicht viel, um uns zu besiegen. Wir vernichten uns selbst gegenseitig. Ist nicht der Clan des Wassers jetzt schon bereit, sowohl uns wie auch euch in Stücke zu zerfetzen? Ist nicht der Clan der Schneeleoparden tief verfeindet mit den Tigern? Versucht nicht eben jener Clan des Wassers, die letzten Angehörigen vom Geheimen Clan aufzuspüren - und keiner weiß, weshalb?

Sein Gegenüber schien jedoch nicht gekränkt.

»Lassen wir die Streitereien erst mal beiseite«, sagte er leichthin. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, Ritor, bist du der Meinung, dass wir den Drachen brauchen?«

»Ja ...« Hinterm Horizont grollte Donner, oder kam es Ritor nur so vor? »Um die Armada zurückzuschlagen ... Um den Erschaffenen Drachen zu besiegen.«

»Das heißt, der Drache kann also zurückkommen.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

»Wenn der Drache nicht kommt, geht unsere Welt unter.«

»Wie das?«

»Kriege ...«

»Bisher haben wir alle Kriege aus eigener Kraft überstanden. Die Zeit der Drachen ist vorbei, Ritor.«

Was war mit dem Clan des Feuers los, jenen, die doch bis zuletzt zu den entthronten Herrschern der Welt gehalten hatten?

»Wir brauchen den Drachen«, sagte Ritor. »Und er ... er wird kommen.«

Er war auf Häme gefasst, auf bittere Ironie, auf Vorwürfe. Schließlich wusste jeder, dass die Drachen für immer verschwunden waren.

Nicht zuletzt seinetwegen.

»Ich weiß«, sagte sein Gegenüber. »Du hast den letzten Drachen nicht getötet. Du hast ihn - oder sie? - verjagt, aber nicht getötet.«

Die Worte waren ausgesprochen. Ritor hörte, wie seine Gefährten hinter ihm anfingen sich zu bewegen. Nur der

»Ja«, sagte Ritor leise. »Ich konnte ihn nicht töten, denn ...«

»Ich weiß, ich weiß«, ließ sich der andere vernehmen, weich und murmelnd klang seine Stimme. »Du musst es nicht erklären. Du hast ihn laufen lassen ... und jetzt wacht der letzte Drache wieder auf. Aber wir brauchen ihn nicht!«

»Er ist der Einzige, der unsere Welt verteidigen kann ...«

»Verteidigen werden wir uns selbst! Ritor, wir werden nicht zulassen, dass er zurückkehrt. Wenn der Drache erwacht - erwacht auch der, der ihn erschlägt. Dieser jemand warst du, so war es seinerzeit. Und so wird es auch jetzt sein. Und wieder wird es Krieg geben, viel schrecklicher als der Kampf mit den Angeborenen, mit dem du uns jetzt Angst machst. Hast du alles vergessen, weiser Ritor? Oder nicht? Und doch hast du trotz alledem den Drachen gerufen, nicht wahr?«

»Den Drachen kann man nicht rufen, er kommt von selbst.«

»Aber dafür kann man denjenigen rufen, der den Drachen aufhält. Und das haben wir getan.«

Ritor spürte, wie Schatti stöhnte. Irgendetwas um sie herum hatte sich verändert.

Der Raum erzitterte, als die Kraft allmählich in die Welt zurückkehrte. Die Stunde des Grauen Hundes war zu Ende, die Magie erwachte. Auch wenn die Magie der Luft noch schwach war, denn bis zur Stunde des Offenen Himmels dauerte es noch lange.

Ritor spürte, wie zarte Windströme um seine Finger strichen, er hörte, wie hinter ihm in den Ritzen der Mauern die

»Hier ist nicht das Feuer!«, rief der Magier hinter ihm. »Ritor, hier ist nicht das Feuer!«

Ritor warf seine Arme hoch - streckte sie mit aller Kraft den verhüllten Gestalten entgegen.

Ein schwacher Windstoß ging durch den Saal. Er reichte gerade aus, um die Kapuzen, die tief über die Gesichter gezogen waren, nach hinten zu fegen. Mit Müh und Not gelang diese Kraftanstrengung.

Die Gesichter, in die sie nun blickten, waren bleich. Zu durchsichtig und zu rein für den Clan des Feuers.

»Verrat!«, schrie Ritor und fasste dabei, ohne nachzudenken, nach dem Griff des nicht vorhandenen Pallaschs.

Der, den er für den Anführer des Feuers gehalten hatte, lachte auf. »Warum? Sie haben euch nicht verraten, Ritor. Wir mussten sie lange überreden, damit sie uns den Treffpunkt nannten ...«

Die Brüder Klatt traten gleichzeitig nach vorne - sie benötigten keine Absprache, um sich zu verständigen. Ihre Säbel und Pistolen waren im Wald zurückgeblieben, in hundert Schritt Entfernung von der Ruine, so sahen es die Regeln vor - ein Magier spürt leicht verborgene Waffen auf, auch zur Stunde des Grauen Hundes. Aber selbst die langen Messer in den Händen der Brüder konnten ihnen jetzt von Nutzen sein. Taniel versuchte ebenfalls, Ritor und dem Magier mit seinem Körper Deckung zu geben, aber Ritor stieß ihn mit dem Ellbogen zurück. Im Kampf war der Junge keine Hilfe.

»Wir gehen«, sagte Ritor. Es war eine Feststellung, keine Frage, und er bemühte sich, seiner Stimme eine Sicherheit zu verleihen, die er ganz und gar nicht empfand.

Zwischen dem Clan der Luft und dem des Wassers gab er keinen offenen Zwist. Gelegentlich hatten sogar freundschaftliche Verhältnisse geherrscht - so zu Zeiten des großen Krieges. Vielleicht würde man sie ziehen lassen.

»Nein«, sagte jener, der das Wasser anführte. »Ich fürchte, das tut ihr nicht, Ritor.«

Es war ihre Zeit. Der Moment ihrer unbegrenzten Kraft. Und sie hatten keine Angst, sie auszuüben.