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Beide zu finden war eine fast unerfüllbare Aufgabe. Aber verdammt, nun waren sie verpflichtet durchzuhalten. Oder zumindest den Drachentöter zu finden - was schwerer wäre, da er die Magie schwächer reflektieren würde als der Drache.

Gaj dehnte sich. Die weißen Flügel am Himmel waren der Erfolg seiner Arbeit. Genau wie der Wind, der straff und straffer gezogen wurde, der kämpfend und zürnend in einen allerfeinsten, unsichtbaren Windkanal gedehnt wurde und dann grimmig nach außen brach, ebenso wob und zog und dehnte Gaj den endlosen, lebendigen Faden, den Sandra und Solli am Himmel zu einem wundersamen Muster kräuselten. Nur wenige vermochten aus dem chaotisch geflochtenen Muster die Linien der Großen Runen zu lesen, die die Vertriebenen vom Heißen Meer mitgebracht hatten.

Asmunds Handfläche war nass vor Schweiß. Der Junge strengte sich bis zum Äußersten an, denn jetzt floss die Große Kraft durch ihn, und er musste fast die gesamte,

Boletus hustete zur Warnung. Die Windflügel, die über ihnen dahinglitten, zogen jetzt dank der durch Magie freigesetzten Kräfte Myriaden kleinster Windstrudel zu sich heran - aus allen Winkeln des großen Reiches.

Über der grenzenlosen, kaum hügeligen Ebene, die sich vom Warmen Ufer Hunderte von Kilometern in Richtung Norden erstreckte, beschleunigten die erzürnten Windströme ihre Geschwindigkeit ins Unermessliche und rasten geradewegs auf den Spitzzahn zu. Dort in der Höhe wuchs mit jedem Moment das wahnsinnige Tosen, denn der Wind hasste die Fragen und ordnete sich niemandem unter; nur mit Gewalt konnte man ihm Auskünfte entreißen, und wehe dem, der den Schlag seiner Antwort nicht ertrug.

Ritor sah, wie Gaj blass wurde und dessen älterer Bruder zu schwanken begann. Entschuldige, Asmund, dachte er, gleich werden die Schmerzen noch größer. Es ist gemein, aber du bist unser lebendiges Schild, und daran ist nun nichts mehr zu ändern. Die Jahre der Widerstandsfähigkeit vergehen im Flug, Asmund. Ich habe meine damit vergeudet,

Asmund zuckte plötzlich zusammen. Seine Hand zitterte, es schien, als würde sie sich jeden Augenblick aus Ritors Griff losreißen. Der Junge biss sich auf die Lippen, seine Augäpfel rollten nach hinten.

»Sandra!« Mit scharfem Ton gab das Oberhaupt der Luft seine Anweisungen. Aber die Zauberin hatte bereits von sich aus erkannt, was nötig war. Ohne den Kreis der Hände aufzubrechen, machte sie einen Schritt in die Mitte hin, beugte sich mit jugendlicher Geschmeidigkeit nach vorne und drückte ihre Stirn gegen die schweißbedeckte Stirn des Jungen. Sie verzog schmerzlich das Gesicht, aber ihre Aufgabe hatte sie erfüllt: Der Schraubstock des Schmerzes lockerte seinen eisernen Griff, Asmund richtete sich auf, und sein Blick wurde wieder verständig.

»Halte durch, Junge«, knurrte Ritor durch die Zähne. Die Welle des Schmerzes, die für kurze Zeit abgeflaut war, erreichte auch ihn. »Halte durch. Wenn du es nicht schaffst, wird es mit unseren Alten ein schlimmes Ende nehmen.«

Nur gut, dass weder Roj noch Gaj diese Worte gehört hatten.

Die Flügel waren inzwischen größer und größer geworden. Es sah aus, als würden sie den ganzen Himmel bedecken. Das blaue Himmelsgewölbe war verschwunden, schwarze Wolken ballten sich wie ein dichter Schleier vom Zenit bis zum Horizont, das Tageslicht war verloschen, nur die weißen Federstriche der Flügel hoben sich noch vor dem schwarzen Samt des Himmels ab.

Ritor sammelte sich. Nun begann das Wichtigste. Die Ströme, die den Raum durchquert hatten, trugen Nachrichten

Neuankömmlinge von der Anderen Seite. Neuankömmlinge von den Angeborenen. Neu ... neu ... neu ... neue Kinder bei den Einheimischen dieser Länder, der Mittelwelt. Die Flügel schüttelten jetzt ganze Ozeane von Informationen - wie die Leute von der Anderen Seite das nannten - aus sich heraus. Für die richtige Antwort war Ritor bereit, seine Magierkollegen in den Tod zu treiben.

Wenn der Drachentöter schon hier war, musste die Luft es wissen. Das kochende Blut wirkte schon, auch wenn der feuerrote Streifen noch nicht in der Aura zu erkennen war. Der ewige Zorn der vier Elemente musste diesen vom Schicksal auserkorenen Menschen bereits berührt haben, veränderte ihn schon - vielleicht sogar, ohne dass der Drachentöter selbst es bislang bemerkt hatte. Die kleinsten Teilchen des Windes erinnerten sich daran. Der hochfahrende Zorn und die Gier zu töten, die Fähigkeit, andere zu unterwerfen und geradewegs und unerschütterlich auf das ersehnte Ziel zuzugehen. In der Regel hatte der Auserwählte nicht über diese Eigenschaften verfügt, ehe er zum Drachentöter geworden war. Das wusste Ritor aus eigener Erfahrung. Weit war sein Weg gewesen, vom bescheidenen, verschämten Jungen, vom Bücherwurm und keuschen Jüngling zum jetzigen Ritor, dem bis heute - trotz Asmunds großem Talent - besten Zauberer des Clans der Luft.

Das rasende Heulen in der Höhe wurde immer unerträglicher. Die riesigen Flügel versuchten sich zu lösen, freizubrechen. Versuchten zu schlagen, mit aller ihnen zur Verfügung stehenden, unaussprechlich großen Kraft, und sich von der Schöpfung Erde loszureißen, mit einer einzigen vernichtenden Bewegung diese verhasste steinerne Scholle

Die zum Äußersten gespannte Leine hielt jedoch die Flügel im Zaum. Die Stunde der größten Kraft hatte geschlagen.

Das Muster der Flügel begann zu verblassen. Die Runen zitterten und veränderten ihre Gestalt. Sandra und Solli sperrten die Münder auf. In ihrer Erinnerung geschah dies zum ersten Mal. Aber Roj hatte so etwas schon einmal gesehen. Ebenso Ritor. Und er wusste genau, was als Nächstes folgte.

Die Flügel hatten das Gesuchte gefunden. Aber sie stießen dabei auf fast unüberwindlichen Widerstand. Die straff im Kreisbogen eingespannten, tobenden Windströme begannen auszubrechen. Nur noch wenige Minuten, ehe die bindende Formel schwächer und sich ein rasender Sturm in die Freiheit losreißen würde; wehe dem, der sich ihm in den Weg stellte!

»Öffne die Schleuse, Sandra«, bellte Ritor. Jetzt durften sie nicht an sich denken, sondern mussten das Unglück von ihrer Stadt abwenden. Natürlich hatte Ritor einen derartigen Ausgang vorhergesehen. Ein Weg war vorbereitet, auf dem der Wirbelsturm in die leere, leblose Steppe abgeleitet werden würde.

»Ich öffne sie!«, schrie die Zauberin und versuchte das Heulen des Hurrikans zu übertönen. Ihr Gesicht war gerötet vor Anspannung.

Asmund stöhnte wieder auf. Er hatte seine Lippe aufgebissen, auch aus seiner Nase schoss Blut, aber er hielt sich tapfer.

Noch nie war Ritor auf einen so starken Widerstand getroffen. Die Magier des Clans hatten alle ihre Kräfte aufgeboten, Flügel über den ganzen Himmel gespannt, und ... und ... nichts. Genauer gesagt, etwas. Etwas so Starkes, dass ...

»Da ist er!«, heulte Gaj auf einmal auf.

Auch Ritor hatte ihn bereits erspäht.

Augenblicklich erkannte er das kleine Städtchen. Im fernen Norden, gleich bei der Grenze - wohl das Territorium des Clans der Erde. Ein staubiger, kleiner Bahnhof. Entlang des hölzernen Bahnsteigs zog sich ein in den Farben der Barbaren angemalter Zug. Ritor erfasste eine Welle der Angst, es war die Angst jener Leute, die in den Eingeweiden des Zuges eingepfercht waren. Und dann sah er einen nicht mehr ganz jungen Mann, etwa um die dreißig, der hager und dunkelhaarig war, eine schwarze Jacke und ein Elfenschwert in einer albernen, unpassenden Scheide trug.

Die Macht des ungehemmt rasenden Windes war so gewaltig, dass Ritor sogar - o Glück! - Wortfetzen hören konnte, die sich im Inneren des Fliehenden verbargen.

Der Raum schmolz, löste sich in Weiß auf. Er lief nicht, sondern er flog. Eilte durch eine helle, weiße Nacht - wie in Sankt Petersburg. Nur ein Blick nach hinten, und die Furcht überwältigt den Verstand. Durch die schaumigen Wolken gleitet ein geflügelter Schatten. Riesenhaft. Bedrohlich. Todbringend. Entweder spiegeln sich die Sterne in der schneeweißen Schuppe, oder sie leuchten ganz von selbst. Gleichmäßig schlagen die Flügel in der dünnen Luft, in den großen, flimmernden Augen liegt Zorn. Er hat es gewagt, den Geflügelten herauszufordern, er hat es gewagt, obgleich er noch nicht die Kräfte hat, mit ihm fertig zu werden. Und jetzt holt jener ihn ein, der Gebieter des Himmels und der Meerestiefen, der Herr über die Erdscholle und das Feuer.