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Sich misstrauisch umsehend, trotz allem war es ja nicht richtig, was er tat, hob Viktor den Deckel der Truhe. Vorsichtig, denn wer wusste schon, was für eine Scheußlichkeit sich da noch versteckt hielt.

Die Truhe war leer. Nur eine dicke Schicht Staub und Spinnen in den Ecken. Aber halt, das war doch interessant. Wie hatte der Dicke das kleine Männchen herausholen können, ohne Spuren zu hinterlassen?

Viktor war mit einem Mal froh, sehr froh über diese kleine Unstimmigkeit in seinem Traum. Sonst wäre alles noch furchtbarer. Dieser Traum, der kaum weniger klar und folgerichtig war als das wirkliche Leben, war eine unangenehme Sache.

»Ho, ho!«

Er drehte sich um.

Der rotgesichtige Dickwanst stand im Eingang und wischte sich die Hände an seinem riesigen Bauch ab. Er blickte verwirrt und leicht verschmitzt, wie einer, der einen missratenen Scherz gemacht hatte. Sein Lächeln war unbeholfen, aber doch wohl freundlich.

»Hier gibt es nichts, guter Mann!«, erklärte der Dicke sehr verständig. Er trat ein, wobei er mit den Schultern die Wände streifte. Mit einem Seufzer blickte er sich im Raum um. »Früher war es hier wunderbar ...«

»Wo ist der Kessel?«, fragte Viktor grob.

Der Dicke grinste erneut. »Der Kessel? Hat ausgekocht! Dank Ihrer Bemühungen, alles dank Ihrer Bemühungen ... ganz wie es Ihnen gefällt, Euer Gnaden ...«

Er verneigte sich zu einer scherzhaft-ironischen Verbeugung. Der Anblick dieses tölpelhaften Dickwansts mit den Manieren eines Saufbolds rief ein Gefühl der Abscheu in Viktor wach.

»Du hast dich also für mich bemüht«, sagte Viktor gleichgültig. Er nahm einen seltsamen Gegenstand vom nächstbesten Regal - ein Stück verbogenen Blechs. An diesem Stück Metall konnte man einige hervorstehende Flächen erkennen, gläserne Kleinteile, die früher vermutlich eine dünnwandige Röhre gewesen waren. »Und warum hast du das hier nicht in Gang gesetzt? Na?«

Der aufgeblasene Tonfall eines Kontrolleurs, den er dabei angeschlagen hatte, erzielte eine unerwartete Wirkung. Der Dicke kam angerannt, legte Viktor vertraulich den Arm um die Schulter und blickte auf dessen Hände.

»Das? Also, das ...« Dann runzelte er verächtlich die Stirn. »Wie oft kann man das machen? Sag selbst! Ohnehin wurden schon an die zwanzig hineingeworfen, und diese ...« Er fuchtelte mit seinen fleischigen Armen über seinem Kopf. »Und jene ...« Der Dicke breitete die Arme aus und machte ein paar Schritte. »Nein! Sag selbst! Du wirfst sie rein, immer mehr und mehr ... und sie stürzen immerzu ab ...«

Erst jetzt erkannte Viktor plötzlich, was er eigentlich in den Händen hielt. Es war ein Flugzeug. Ein winziges Modell eines Flugzugs - wohl einer Boeing oder etwas anderem Ausländischem. Die gestauchten Flügel, der aufgebrochene Korpus, Stofffetzen - waren das die Sitze? -, die Glaspünktchen der Bullaugen.

Oder ... war es kein Modell? Fasziniert strich Viktor mit dem Finger über die Außenhaut des Fliegers. Dabei ritzte er sich die Haut an dem scharfkantigen, aufgerissenen

»Hier gab es sowieso nicht viel Volk«, fuhr der Dicke nachlässig fort. Er nahm das Modell aus Viktors erstarrten Händen und schleuderte es in die Ecke. »Vergiss es! Was du brauchst, ist alles in die Sache geflossen! Zweifle nicht daran - dir wird es reichen!«

Und er lachte los, als hätte er einen ungeheuer geistreichen Witz gemacht. Aber Viktor achtete nicht auf ihn, seine Augen glitten über die fast leeren Regale, die Wände entlang, und verzweifelt versuchte er zu begreifen.

Da war noch ein Modell. Eine grün-braune Konservendose, aus der glänzende Klingen herausragten - Hubschrauberrotoren. Und noch eines ... nun, man könnte die winzig kleinen, vom Feuer beschädigten Waggons wohl eine Kindereisenbahn nennen, nur dass Kinder auf keinen Fall mit solchem Spielzeug spielen sollten. Und Klumpen aus Schlamm, ein wenig angetrocknet, aber noch fast wie frisch aus dem Meer. Da ragte ein Ruderblatt aus dem Matsch, dort die Spitze eines Masts und ein Stück Segel, hier ein spitzer Bug mit den Resten einer vermutlich englischen Aufschrift: »...ent«.

Was war das nur?

»Hast ... hast du sie ...«, fragte Viktor. Ganz ruhig. Und mit der festen Überzeugung, dass er den anderen töten musste, falls der die Frage mit einem Ja beantworten würde. Wenn auch nur im Traum.

»Was?«, heulte der Dicke mit ehrlicher Wut auf. »Ich? Für wen hältst du mich, du Schlauberger? Wir sind doch keine Tiere!«

Viktor wich zurück an die Wand, gleichermaßen erschrocken über den Ausbruch und verwirrt von seinem eigenen Fehlschluss.

»Warum ... warum sollten wir? Wenn sie doch von selbst ... ins Wasser stürz... pardauz ...« Der Dicke strich sich über den Wanst und sagte unerwartet ruhig und friedfertig: »Natürlich hätten wir das gekonnt. Aber wie? Wer sind wir denn? Es ist uns doch gestattet ...«

Er wandte sich um und ging mit einem tiefen Seufzer zur Tür. Auf der Schwelle blieb er stehen und fügte mit Ironie in der Stimme hinzu: »Aber komm du nur wieder! Komm nur! Sieh zu, wie du den Zeitpunkt wählst ... Aber hier ist nichts mehr zu tun, geh in das Wäldchen dort ...«

Er war schon aus Viktors Blickfeld verschwunden, da hörte er ihn noch einmaclass="underline" »Nimm dich in Acht, ungebetener Gast!«

Viktors Verwirrung schwand. Er lief zum Ausgang, und kaum hatte er die Schwelle überschritten, als das Dach zu wackeln begann. Holzlatten fielen herunter, hinter ihm stürzte ein schwerer Balken zur Erde. Und plötzlich loderte eine Flamme auf.

Auf allen vieren hockte Viktor da und sah zu, wie zielstrebige Feuerzungen das Gebäude erfassten. Sie waren glühend, fast durchsichtig und verzehrten gleichmäßig schnell sowohl Holz, Stein als auch Eisen. Der Kamin stürzte ein - als würde er nach innen gezogen. Und dabei hieß es doch, dass die Schornsteine auf den Brandstätten immer verrußt, aber unversehrt zurückbleiben ...

Ohne noch länger darüber nachzudenken, begann Viktor vom Feuer fortzukriechen. Schneller und schneller, denn die Hitze nahm zu. In dem einstürzenden Gebäude platzte etwas schallend, es zischte, etwas loderte mit vielfarbigen Lichtreflexen auf. Viktor schützte sich mit den Armen gegen die Funkengarben, die wie bei einem Feuerwerk durch die Luft flogen.

Und dann schien es, als ob ein zarter, vielstimmiger Chor zu ihm durchdrang ...

»Herrscher! Herrscher!«

Viktor öffnete die Augen und zuckte vor dem erschrocken blickenden Jaroslaw zurück.

»Sie haben gestöhnt«, erklärte der Junge schüchtern. »Laut. Und ... Sie haben sich das Gesicht mit den Händen bedeckt.« Er machte die Bewegung nach.

»Ich habe geträumt«, sagte Viktor. »Einen schrecklichen Traum. Danke, dass du mich geweckt hast.«

Und voller Misstrauen gegen seine eigenen Worte blickte er auf seine Hände. Er hatte sich doch an dem Flugzeug geschnitten? Die Wunde hatte zwar nicht geblutet, müsste aber noch zu sehen sein.

Es war keine Spur vorhanden. Ein Traum. Einfach ein Traum.

Aber, o Gott, wie schrecklich echt.

Dafür, dass die Winde sich mit derartiger Gewalt in die Freiheit losgerissen hatten, waren die Verluste nicht sehr schwerwiegend. Allerdings fielen Roj und sein Bruder, Solli und der hakennasige Boletus vorerst aus, die beiden Alten vermutlich für längere Zeit, denn in ihrem Alter waren Frakturen und tiefe Erschöpfung nicht mit einfacher Magie zu heilen. Ritor konnte nur auf die unermüdliche Sandra zählen. Ja, und auf den jungen Asmund, den Einzigen, der nicht mal einen Kratzer davongetragen hatte. Im Augenblick der Gefahr hatte sich der Junge sofort zurechtgefunden, hatte eine Luftlinse geschaffen und war, wie man so sagt, mit dem Schrecken davongekommen. Ach, so viel Umsicht hätte er Taniel gewünscht ... Ritor verbot sich, an den Jungen zu denken.

Während in der Stadt die Spuren der Verwüstung beseitigt wurden, versammelte sich der Rat der Luft erneut.

Ritor beobachtete Sandra. Die Zauberin wiegte ihren unnatürlich verdrehten Arm hin und her, ihre Stirn war schweißbedeckt - der Schmerz drang durch alle Schutzwälle hindurch. Bis zum Abend würde von dem komplizierten Bruch keine Spur mehr zu sehen und zu spüren sein, aber bis dahin musste sie durchhalten.