Alle fünf hoben die Arme und warfen die Umhänge der ermordeten Feuerkinder von ihren Schultern. Erst jetzt konnte man sehen, dass der orangefarbene Stoff an manchen Stellen zerrissen war und bräunliche Flecken hatte. Unter der fremden Kleidung kam ihre eigene hervor: schimmernd blassblaue, eng anliegende Kamisole.
Es war die Stunde ihrer Kraft - und niemand auf der Welt vermochte es, die Magie des Wassers aufzuhalten.
Die Klatts warfen sich ohne zu zögern in den aussichtslosen Kampf. Ritor sah deutlicher, als ihm lieb war, wie der ältere der Brüder strauchelte, schwankte und sich an die Gurgel fasste. Sein beweglicher, schmaler Körper begann sich aufzublasen, im gleichen Augenblick riss krachend der Stoff seines Rocks und die silbernen Schließen sprangen klingend über die Steine. Im Handumdrehen war sein Körper plump und unbeweglich geworden und der Krieger stürzte zu Boden. Ein gellender Schrei erschütterte die Ohren.
Dann platzte der ältere Klatt. Mit einem widerwärtigen Geräusch riss seine Haut, unnormal helles, durchsichtiges Blut spritzte in alle Richtungen.
Blut wie Wasser.
Der Jüngere der Brüder lebte ein paar Sekunden länger. Jede Magie benötigt ein Gegengewicht - sein Körper platzte
»Verschwinde, Ritor!«, schrie Schatti und trat nach vorne. Er war an der Reihe zu sterben, und der Magier wusste das.
Ritor blickte sich um. Sich an den Feinden vorbei zur Treppe durchzuschlagen war aussichtslos. Es blieb nur ein einziger Ausweg: Die eingestürzte Mauer hinter ihm, wo der Himmel leuchtete und die schwindelnde Höhe atmete.
Etwas mehr Kraft! Nur ein wenig mehr!
»Taniel!« Ritor zog seinen Neffen mit sich. Sah die Angst in dessen Augen. Zu seiner Stunde war der Junge schon zu vielem fähig, aber jetzt ... »Taniel, sonst sterben wir!«
Wind erfasste sie am Rücken. Wahrscheinlich gab der Magier alle seine Kräfte in diesem letzten Kampf, der kurz und hoffnungslos war. Ein reißender Luftstrom schleuderte die Kinder des Wassers zur Treppe. Ganz wie Augenblicke zuvor Klatt der Ältere fasste sich nun ihr Anführer an die Gurgel. Schatti hatte den Hauptangriff gegen ihn gerichtet, er sog ihm die Luft aus den Lungen und drohte ihn zu ersticken. Wäre es nicht die Stunde des Erwachenden Wassers - der Magier wäre in der Lage gewesen, seinen Gegner auf diese Weise zu vernichten.
»Spring!«, rief Ritor dem Jungen zu. Jener atmete tief aus, den Blick seiner tödlich erschrockenen Augen fest auf Ritor geheftet, und tat einen Schritt ins Leere.
Hinter ihm pfiff eine Wasserpeitsche.
Im Sprung drehte Ritor sich um und sah, wie die elastische hellblaue Rute, umgeben von einer Aureole spritzender Wassertropfen, den Körper des Magiers von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte durchtrennte, dann erneut aufblitzte, hoch unter das Gewölbe des Saales schoss und als Nächstes auf ihn zustürzte. Nur weil der vom Magier beschworene Wind noch nicht abgeflaut war, verfehlte der Kämpfer vom Wasserclan Ritor um Haaresbreite. Die Wasserpeitsche, die sich aus der gegnerischen Hand dehnte, erzitterte, als sie sich den Weg in die fremde Sphäre suchte.
Aber Ritor fiel schon.
Luft schlug ihm ins Gesicht - zärtlich und verwirrt.
Es ist nicht deine Stunde, Ritor, was tust du, Ritor?
Er fiel aus zwanzig Mann Höhe. Unter ihm trudelte Taniels Körper. Jetzt kam der Junge zu sich - er breitete die Arme aus, lag in der Luft. Ein schwaches Leuchten umhüllte seine Gestalt, als er versuchte zu fliegen. Die glitzernden magischen Luftflügel blitzten hervor, versuchten sich aufzuspannen.
»Nein!«, rief Ritor. Aber der Wind trug seinen Schrei davon.
In der Stunde des Erwachenden Wassers vermochten nicht einmal die allerstärksten Magier der Luft zu fliegen. Aber Taniel glaubte zu fest an sich, an seine Kräfte, an das ihm eigene Element. Sein Alter kannte keine Kompromisse. Er glaubte so stark, dass Ritor für einen Moment das Gefühl hatte, der Junge würde es schaffen ...
Die Aura, die Taniel umgab, flackerte hell auf - und verlosch. Die Luftflügel öffneten sich nicht.
Für Schmerz blieb keine Zeit. Auch Ritors Fall strebte dem Ende zu. Er schloss die Augen, spürte mit seinem ganzen Körper den Ozean aus Luft um sich herum, zog an den
Die Luft verdichtete sich unter ihm zu einem prallen Kissen, einer durchsichtigen Linse.
Ein Kinderspiel, eine der ersten Übungen in der Kunst der Magie. Wer hält sich länger auf der unsichtbaren Stütze, wer springt höher, schaukelt weiter auf dem federnden Luftpolster? Wie konnte Taniel diese einfache Formel nur vergessen? Oder hatte er sie nicht vergessen, sondern nur die ernste, erwachsene Fertigkeit des Fliegens vorgezogen?
Die Luftlinse zerplatzte beim Aufprall auf die Erde. Die vom Zauber zusammengehaltene Luft verflüchtigte sich erleichtert in alle Richtungen. Dennoch wurde Ritors Fall gebremst. Erst wurde er kurz in die Höhe gedrückt, schwankte auf der sich rasant auflösenden Stütze. Vom plötzlich auftretenden Druckgefälle verschlossen sich seine Ohren. Dann traf er auf Stein auf, jedoch ohne die vorherige tödliche Wucht.
Er rollte einen Abhang hinunter, bis er sich mit tauben Fingern an den Zweigen der Büsche festkrallen konnte, die am Rand des längst ausgetrockneten Burggrabens wuchsen. Von dieser Seite aus war die Burg nicht angegriffen worden, der Graben war nicht verstopft von Erdigeln, sondern hatte seine ursprüngliche Tiefe bewahrt, und spitze Pfähle ragten aus dem Boden.
Es war sehr still. Genauer gesagt - es schien, als ob rundum Stille herrschte. Nur das Blut in seinen Schläfen pfiff. Ritor stand auf, schluckte, öffnete den Mund, um zu gähnen. Der Druck auf den Ohren ließ nach.
Taniels lebloser Körper lag ganz in der Nähe. Ein Blick genügte, um zu erkennen, dass der Junge tot war. Er war auf
Dennoch ging Ritor zu ihm. Wenn er seinen Neffen schon nicht retten konnte, so wollte er doch wenigstens dessen Körper mitnehmen ...
Die Erde erzitterte unter seinen Füßen. Ein trübes Gewässer plätscherte und spritzte in kleinen Fontänen um seine Beine herum. Ritor legte den Kopf in den Nacken und sah, dass die Kinder des Wassers von oben durch das Loch in der Mauer auf ihn herabblickten.
Verflucht sollten sie sein!
Er lief los. Die Erde verwandelte sich mit jedem Schritt mehr zu einem nassen Brei, alles um ihn herum schwamm bereits. Aber er war schon weit, die Feinde konnten ihn unter dem schützenden Dach der Bäume nicht sehen.
So einfach war es auch wieder nicht, den Besten aus dem Clan der Luft niederzustrecken. Selbst zu einer für ihn so ungünstigen Stunde.
2
Viktor legte den rauchenden Hörer auf den Tisch. Alles ereignete sich wie in einem bösen Traum, in dem die normale Welt zusammenbricht, aber nicht auf einmal, sondern nach und nach und voller Hohn. Alles, was er anfasste, starb. Rohre platzten, Bildröhren explodierten, Telefone brannten ... Wie um Himmels willen konnte so ein fast neues, im Ausland produziertes Gerät in Brand geraten?
Die Isolierung der Drähte, irgendein Pulver im Mikrofon? Aber was sollte da für ein Pulver sein, und das erbsengroße Mikrofon würde doch niemals einen so anhaltenden Brandgeruch verursachen!
Unvermindert trat beißender Rauch aus. Er musste an einen albernen Streich aus seinen Kindertagen denken. Mit seinem Kumpel hatte er die erstbeste Nummer aus dem Telefonbuch gewählt, und wenn sich jemand meldete, hatten sie mit energischer, erwachsener Stimme in den Hörer geschrien: »Feuer! In der Telefonzentrale ist Feuer ausgebrochen! Werfen Sie den Hörer sofort in einen Wassereimer!« Dabei hatten sie sich gar nicht mehr eingekriegt vor Lachen. Dennoch, vielleicht ...
Noch eine Sekunde, und ich fange an zu lachen. Fürchterlich, hysterisch zu lachen, während hinter mir ein Kind
Er beugte sich über die unerwartete Patientin und schob vorsichtig den blutigen Pullover hoch. Das Mädchen drehte sich ein wenig, um ihm dabei zu helfen. Tapfere Kleine.