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Sein Atem kam pfeifend, und er begann zu husten. Sie fühlte sich schuldig, daß sie unbeabsichtigt solche Qual verursacht hatte, errötete und biß sich auf die Lippe. »Es... es tut mir leid, es war nicht meine Absicht.« Verwirrt sah sie zu Boden und ließ ihr Haar über ihr Gesicht fallen – eine mädchenhafte Angewohnheit.

Raistlin lehnte sich unwillkürlich nach vorn, streckte zitternd seine Hand aus, um das wundervolle Haar zu berühren, das über ein eigenes Leben zu verfügen schien, doch dann zog er seine Hand schnell wieder zurück und sank in seinen Stuhl, mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen. Denn Laurana wußte nicht, konnte nicht wissen, daß Raistlin, wenn er sie anschaute, die einzige Schönheit sah, die er je in seinem Leben sehen würde. Nach Elfenmaßstab war sie jung und von Tod oder Zerfall unberührt, selbst aus der verfluchten Sicht des Magiers.

Laurana wußte nichts von alldem. Sie hatte nur wahrgenommen, daß Raistlin sich ein wenig bewegt hatte. Sie wollte fast aufstehen und gehen, aber sie fühlte sich jetzt zu ihm hingezogen, und er hatte immer noch nicht ihre Frage beantwortet.

»Ich... ich meine... kannst du in die Zukunft sehen? Tanis erzählte mir, daß deine Mutter... wie heißt das... eine Seherin war. Ich weiß, daß Tanis dich um Rat fragt...«

Raistlin musterte Laurana nachdenklich. »Der Halb-Elf kommt nicht zu mir, weil ich in die Zukunft sehen kann. Ich kann es nicht. Ich bin kein Seher. Er kommt zu mir, weil ich denken kann, was den meisten Narren hier anscheinend nicht vergönnt ist.«

»Aber... was du gesagt hast. Einige von uns werden sich nicht wiedersehen.« Laurana sah zu ihm hoch. »Du mußt etwas vorausgesehen haben! Ich muß wissen... was! War es... Tanis?«

Raistlin dachte nach. Als er antwortete, schien er mehr zu sich als zu Laurana zu sprechen. »Ich weiß es nicht«, flüsterte er. »Ich weiß nicht einmal, warum ich das gesagt habe. Es ist einfach so – einen Moment lang – wußte ich...« Er schien mit sich zu kämpfen, sich zu erinnern, dann zuckte er plötzlich die Achseln.

»Wußte was?« drängte Laurana.

»Nichts. Meine überreizte Phantasie, würde der Ritter sagen, wenn er hier wäre. Tanis hat dir also über meine Mutter erzählt«, sagte er ausweichend.

Laurana, enttäuscht, aber in der Hoffnung, mehr herauszufinden, wenn sie weiter mit ihm sprach, nickte. »Er sagte, sie hatte die Gabe der Vorsehung. Sie konnte in die Zukunft sehen und Bilder künftiger Ereignisse erkennen.«

»Das stimmt«, flüsterte Raistlin, dann lächelte er sardonisch.

»Es hat ihr sehr viel Gutes eingebracht. Der erste Mann, den sie heiratete, war ein gutaussehender Krieger aus dem Norden. Ihre Leidenschaft erstarb innerhalb von einigen Monaten, und danach machten sie sich gegenseitig das Leben schwer. Meine Mutter hatte eine sehr zarte Gesundheit, und wenn sie sich in ihre seltsamen Trancezustände versetzte, kam sie oft für Stunden nicht heraus. Sie waren arm, lebten davon, was ihr Mann mit seinem Schwert verdienen konnte. Obwohl er eindeutig von adeligem Blut war, sprach er niemals über seine Familie. Ich glaube nicht einmal, daß er ihr jemals seinen richtigen Namen genannt hat.«

Raistlins Augen verengten sich. »Aber er hat es Kitiara gesagt. Da bin ich mir sicher. Darum ist sie in den Norden gereist, um seine Familie zu finden.«

»Kitiara...«, sagte Laurana angespannt. Es tat ihr weh, den Namen zu hören, und zugleich wollte sie mehr über die Frau, die Tanis liebte, erfahren. »Dann war dieser Mann – dieser adelige Krieger – Kitiaras Vater?« fragte sie heiser.

Raistlin bedachte sie mit einem durchdringenden Blick. »Ja«, flüsterte er. »Sie ist meine ältere Halbschwester. Sie ist acht Jahre älter als Caramon und ich. Ich glaube, sie ist ihrem Vater sehr ähnlich. So schön, wie er gutaussehend war. Resolut und ungestüm, kriegerisch, stark und furchtlos. Ihr Vater brachte ihr das einzige bei, was er konnte – die Kunst der Kriegsführung. Er unternahm immer längere Reisen, und eines Tages verschwand er völlig. Meine Mutter überzeugte die Sucherfürsten, ihn für tot zu erklären. Dann heiratete sie den Mann, der unser Vater wurde. Er war ein einfacher Mann, Holzfäller. Wieder einmal hatte ihre Weitsicht ihr nichts eingebracht.«

»Warum?« fragte Laurana sanft, gefesselt von der Geschichte, erstaunt, daß dieser sonst so verschlossene Magier so redselig war, nicht wissend, daß er mehr von ihr hatte, indem er einfach ihr ausdrucksvolles Gesicht betrachtete, als daß er ihr gab.

»Beispielsweise die Geburt von meinem Bruder und mir«, sagte Raistlin. Dann wurde er plötzlich von einem Hustenanfall überwältigt, hörte zu sprechen auf und wandte sich an seinen Bruder. »Caramon! Es ist Zeit für mein Getränk«, sagte er in einem zischenden Flüstern, das die lauteste Unterhaltung durchdringen konnte. »Oder hast du mich bei dem Vergnügen einer anderen Gesellschaft vergessen?«

Caramon verstummte mitten im Lachen. »Nein, Raist«, sagte er schuldbewußt, erhob sich eilig und hängte einen Wasserkessel über das Feuer. Tika senkte den Kopf, um dem Blick des Magiers nicht zu begegnen.

Nachdem er sie einen Moment angestarrt hatte, wandte sich Raistlin wieder Laurana zu, die alles mit einem eisigen Gefühl im Magen beobachtet hatte. Er begann wieder zu sprechen, als ob nichts geschehen wäre. »Meine Mutter hatte sich von der Geburt niemals richtig erholt. Die Hebamme hatte mich aufgegeben, und ich wäre auch gestorben, wenn Kitiara nicht dagewesen wäre. Sie pflegte zu sagen, ihre erste Schlacht war gegen den Tod mit mir als Beute. Sie zog uns groß. Meine Mutter war nicht in der Lage, auf Kinder aufzupassen, und mein Vater war gezwungen, Tag und Nacht zu arbeiten, um uns zu ernähren. Er starb nach einem Unfall, als Caramon und ich zehn Jahre alt waren. An jenem Tag ging meine Mutter in eine ihrer Trancen«, Raistlins Stimme wurde leiser, »aus der sie nie mehr herauskam. Sie verhungerte.«

»Wie schrecklich!« murmelte Laurana bebend.

Raistlin sprach lange Zeit nicht, seine seltsamen Augen starrten hinaus in den eisig-grauen Winterhimmel. Dann verzog sich sein Mund. »Das war für mich eine wichtige Lektion – ich lernte, daß man die Macht unter Kontrolle halten muß und nicht umgekehrt.«

Laurana schien ihn nicht gehört zu haben. Sie spielte nervös mit ihren Händen. Jetzt war die Möglichkeit, ihm die Frage zu stellen, die sie gern stellen wollte, aber sie würde damit einen Teil ihres Selbst diesem Mann ausliefern, den sie fürchtete und dem sie nicht vertraute. Aber ihre Neugierde – und ihre Liebe waren zu groß. Niemals erfuhr sie, daß sie in eine listig vorbereitete Falle gefallen war. Denn Raistlin erfreute sich daran, die intimen Geheimnisse von Menschen herauszufinden, um sie für seine Zwecke benutzen zu können.

»Was hast du dann gemacht?« fragte sie. »Hat Kit... – Kitiara...« Sie versuchte, natürlich zu wirken, stolperte aber über den Namen und errötete vor Verlegenheit.

Raistlin beobachtete Lauranas inneren Kampf mit Interesse.

»Kitiara war da schon nicht mehr zu Hause«, antwortete er.

»Sie hat das Haus mit fünfzehn verlassen, verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit dem Schwert. Da sie eine Expertin ist wie mir Caramon erzählte -, hatte sie keine Schwierigkeiten, Söldnerarbeiten zu finden. Oh, sie besuchte uns oft, um nach uns zu sehen. Als wir älter und geübter waren, nahm sie uns mit. In jener Zeit lernten Caramon und ich, zusammen zu kämpfen – ich mit meiner Magie, mein Bruder mit seinem Schwert. Dann, als sie Tanis kennengelernt hatte«, Raistlins Augen glitzerten bei Lauranas Unbehagen, »reiste sie häufiger mit uns.«

»Mit wem? Wohin seid ihr gegangen?«

»Sturm Feuerklinge, der damals schon vom Ritterstand träumte, der Kender, Tanis, Caramon und ich. Wir sind mit Flint gereist, bevor er seine Arbeit aufgab. Und zu der Zeit hatten wir alles voneinander gelernt, was möglich war. Wir wurden unruhig. Es war Zeit, sich zu trennen, wie Tanis sagte.«

»Und das habt ihr getan? War er damals schon euer Anführer?« Sie erinnerte sich, wie sie ihn kannte, bevor er Qualinesti verlassen hatte, ohne Bart und ohne die Sorgenfalten, die er jetzt hatte. Aber schon damals war er zurückgezogen und nachdenklich gewesen, gequält von seinen Gefühlen, zwei Welten anzugehören – und doch keiner. Sie hatte ihn damals nicht verstanden. Erst jetzt begann sie zu verstehen, seitdem auch sie in der Welt der Menschen lebte.