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Der Wachtmeister setzte die Pfeife an, kam aber nicht mehr dazu, Gebrauch von ihr zu machen. Eine der Gestalten schlug ihn mit dem Schwertknauf nieder, während die beiden anderen auf die anderen Wachen losstürmten, die sofort die Flucht ergriffen. Die vermummten Gestalten standen nun den Gefährten gegenüber.

»Wer seid ihr?« fragte Tanis, erstaunt über die plötzlich gewonnene Freiheit. Die Gestalten erinnerten ihn an die Drakonier, mit denen sie damals bei Solace gekämpft hatten. Sturm schob Alhana hinter sich.

»Sind wir einer Gefahr entkommen, nur um eine schlimmere vorzufinden?« vermutete Tanis. »Nehmt eure Masken ab!«

Aber einer der Männer wandte sich an Sturm und hob seine Hände. »Oth Tsarthon e Paran«, sagte er.

Sturm keuchte. »Est Tsarthai en Paranaith«, erwiderte er, dann erklärte er Tanis: »Es sind Ritter von Solamnia«, und zeigte auf die drei Männer.

»Ritter?« fragte Tanis erstaunt. »Warum...«

»Für Erklärungen haben wir keine Zeit, Sturm Feuerklinge«, sagte einer der Ritter in der Umgangssprache. »Die Wachen werden bald zurück sein. Kommt mit uns.«

»Nicht so schnell!« knurrte Flint. Er hatte sich breitbeinig und kampfbereit aufgestellt. Mit bloßen Händen hatte er den Griff eines Speers von einer Wache abgebrochen, so daß die Waffe nun zu seiner kleinen Gestalt paßte. »Ihr werdet euch Zeit für eine Erklärung nehmen, oder ich komme nicht mit! Woher wißt ihr den Namen des Ritters, und wieso habt ihr auf uns gewartet...«

»Oh, rennt ihn doch einfach platt!« ertönte eine schrille Stimme aus den Schatten. »Laßt seinen Körper als Futter für die Krähen hier liegen. Nicht, daß es sie besonders freuen wird; es gibt nur wenige in dieser Welt, die Zwergenfleisch...«

»Zufrieden?« fragte Tanis Flint, dessen Gesicht vor Wut rot anlief.

»Irgendwann«, schwor der Zwerg, »kommt dieser Kender dran.«

Von der Straße hinter ihnen ertönten Pfeifsignale. Ohne weitere Verzögerung folgten die Gefährten den Rittern durch die kurvenreichen, von Ratten wimmelnden Gassen. Tolpan erklärte, er hätte noch einige Sachen zu erledigen, und verschwand, bevor Tanis ihn zurückhalten konnte. Der Halb-Elf bemerkte, daß die Ritter deswegen weder überrascht schienen, noch versuchten sie, Tolpan aufzuhalten. Aber sie weigerten sich, Fragen zu beantworten, und drängten die Gruppe weiter durch die Gassen, bis sie auf Ruinen stießen – den alten Stadtkern von Tarsis, der Schönen.

Hier hielten die Ritter an. Sie hatten die Gefährten zu einem Teil der Stadt gebracht, der völlig verlassen war. Die Straßen waren zerstört und leer und erinnerten Tanis sehr stark an Xak Tsaroth. Die Ritter nahmen Sturm am Arm, führten ihn etwas weiter von seinen Freunden weg und begannen, mit ihm in Solamnisch zu reden und ließen die anderen sich ausruhen. Tanis lehnte sich gegen eine Mauer und sah sich interessiert um. Was noch von den Gebäuden in dieser Straße übriggeblieben war, war eindrucksvoll, viel schöner als der neue Teil der Stadt. Er erkannte, daß Tarsis, die Schöne, ihrem Namen vor der Umwälzung alle Ehre gemacht haben mußte.

Er ging hinüber zu Gilthanas, der mit Alhana auf einer Bank saß und sich mit ihr unterhielt. Der Elfenlord stellte ihn vor.

»Alhana Sternenwind, Tanis, der Halb-Elf«, sagte Gilthanas.

»Tanis hat viele Jahre bei uns in Qualinesti gelebt. Er ist der Sohn der Frau meines Onkels.«

Alhana zog ihren Schleier von ihrem Gesicht und musterte Tanis kalt. Sohn der Frau meines Onkels war eine höfliche Art zu sagen, daß Tanis ein illegitimes Kind war, sonst hätte Gilthanas ihn als »Sohn meines Onkels« vorgestellt. Der Halb-Elf errötete, der alte Schmerz kam mit unverminderter Kraft wieder, genauso stark wie vor fünfzig Jahren. Er fragte sich, ob er sich je davon befreien könnte.

Tanis kratzte sich den Bart und sagte barsch: »Meine Mutter wurde von menschlichen Kriegern in den Jahren der Dunkelheit nach der Umwälzung vergewaltigt. Die Stimme der Sonnen nahm mich freundlicherweise nach ihrem Tod auf und zog mich wie einen eigenen Sohn groß.«

Alhanas dunkle Augen wurden noch dunkler, und sie zog ihre Augenbrauen hoch. »Siehst du einen Grund, dich für deine Abstammung zu entschuldigen?« fragte sie mit eisiger Stimme.

»N...nein«, stammelte Tanis mit brennendem Gesicht.

»Ich...«

»Dann tu es auch nicht«, sagte sie und wandte sich wieder Gilthanas zu. »Du hast gefragt, warum ich nach Tarsis gekommen bin. Ich suche hier Unterstützung. Ich muß nach Silvanesti zurückkehren, um nach meinem Vater zu suchen.«

»Nach Silvanesti zurück?« wiederholte Gilthanas. »Wir..., mein Volk wußte nicht, daß die Silvanesti ihre uralte Heimat aufgegeben haben. Kein Wunder, daß wir Kontakt verloren...«

»Ja«, Alhanas Stimme wurde traurig. »Das Böse, das euch gezwungen hat, Qualinesti zu verlassen, ist auch auf uns gestoßen.« Sie senkte ihren Kopf, sah dann auf und sprach mit leiser Stimme weiter. »Wir haben lange Zeit dieses Böse bekämpft. Aber am Ende waren wir gezwungen, zu fliehen oder alle zu sterben. Mein Vater schickte das Volk unter meiner Führerschaft in das südliche Ergod. Er selbst blieb in Silvanesti, um allein weiterzukämpfen. Ich war gegen diese Entscheidung, aber er sagte, er hätte die Macht, um das Böse von der Zerstörung unserer Heimat abzuhalten. Mit schwerem Herz führte ich mein Volk in Sicherheit. Aber ich bin zurückgekommen, um meinen Vater zu suchen, denn wir haben seit langem nichts mehr von ihm gehört.«

»Aber du hattest keine Krieger, die dich auf solch einer gefährlichen Reise hätten begleiten können?« fragte Tanis.

Alhana wandte sich um und sah Tanis an, als ob sie über seine Einmischung verblüfft wäre. Zuerst schien sie ihm eine Antwort verweigern zu wollen, dann – als sie länger in sein Gesicht sah – änderte sie ihre Meinung. »Viele Krieger haben mir ihre Begleitung angeboten«, sagte sie stolz. »Aber als ich sagte, daß ich mein Volk in Sicherheit geführt hätte, sprach ich etwas voreilig. In dieser Welt gibt es keine Sicherheit mehr. Die Krieger blieben zurück, um das Volk zu beschützen. Ich kam nach Tarsis in der Hoffnung, Krieger zu finden, die mit mir nach Silvanesti gehen würden. Ich legte meinen Fall dem Lord und dem Rat dar, wie es die Sitte verlangt...«

Tanis schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. »Das war dumm«, sagte er offen. »Du hättest wissen müssen, wie sie über Elfen denken – noch bevor die Drakonier kamen! Du hattest verdammt viel Glück, daß sie nur angeordnet haben, dich aus der Stadt zu werfen.«

Alhanas blasses Gesicht wurde – falls das möglich war – noch blasser. Ihre dunklen Augen funkelten. »Ich habe mich verhalten, wie es die Vorschriften verlangen«, erwiderte sie, zu wohlerzogen, um ihren Zorn hinter dem kühlen Ton ihrer Stimme zu zeigen. »Ein anderes Verhalten hätte gewirkt, als wäre ich eine Barbarin. Als der Lord mir seine Hilfe verweigerte, sagte ich ihm, daß ich beabsichtige, mich selbst umzusehen. Alles andere wäre nicht ehrenhaft gewesen.«

Flint, der nur Bruchstücke der in der Elfensprache geführten Unterhaltung verstand, stieß Tanis an. »Sie und der Ritter werden prächtig miteinander auskommen«, knurrte er. »Solange ihre Ehre sie nicht vorher umbringt.« Bevor Tanis antworten konnte, gesellte sich Sturm zu ihnen.

»Tanis«, sagte Sturm aufgeregt, »die Ritter haben die alte Bibliothek gefunden! Darum sind sie hier. Sie haben in Palanthas Aufzeichnungen entdeckt, aus denen hervorgeht, daß in früheren Zeiten das Wissen über Drachen hier in der Bibliothek bewahrt wurde, in Tarsis. Das Kapitel der Ritter hat sie hierhergeschickt, um nach der Bibliothek zu forschen.«

Sturm zeigte auf die Ritter, die näher getreten waren. »Das ist Brian Donner, Ritter des Schwertes«, stellte er vor. »Aran Großbogen, Ritter der Krone, und Derek Kronenhüter, Ritter der Rose.« Die Ritter verbeugten sich.

»Und das ist Tanis, der Halb-Elf, unser Führer«, sagte Sturm.