Выбрать главу

Caramon zog sie sanft, aber bestimmt zurück. Alhana starrte ihn wütend an, ihr schönes Gesicht war vor Furcht und Zorn verzerrt, und einen Moment lang schien es, daß sie ihn schlagen wollte, aber Tanis trat hinzu und hielt ihre Hand fest.

»Alhana«, sagte er ruhig, »es hätte keinen Sinn, ihn zu wekken. Er hat uns alles erzählt, was er weiß. Was die andere Stimme betrifft, weiß er offenbar nicht, was sie gesagt hat.«

»Ich habe das schon einmal bei Raist erlebt«, sagte Caramon leise, »als ob er eine andere Person würde. Aber es läßt ihn immer erschöpft zurück, und er erinnert sich nicht daran.«

Alhana riß ihre Hand aus Tanis' frei, ihr Gesicht nahm wieder den kalten, reinen, marmornen Ausdruck an. Sie wirbelte herum und ging zum Höhleneingang zurück. Sie ergriff die Decke, die Flußwind zum Schütze aufgehängt hatte, und riß sie dabei fast herunter, als sie sie beiseite schob und nach draußen ging»Ich übernehme die erste Wache«, sagte Tanis zu Caramon.

»Schlaf ein bißchen.«

»Ich werde eine Zeitlang auf Raistlin aufpassen«, sagte der Krieger und breitete seine Decke neben seinem Bruder aus. Tanis folgte Alhana nach draußen.

Die Greife schliefen friedlich, ihre Köpfe waren in den weichen Federn ihrer Hälse vergraben, ihre Krallenfüße waren sicher um den Rand des Felsens geklammert. Zuerst konnte er Alhana in der Dunkelheit nicht ausmachen, dann sah er sie gegen einen großen Stein gelehnt, bitterlich weinend, den Kopf in den Armen vergraben.

Die stolze Silvanesti-Frau würde ihm niemals vergeben, wenn er sie so schwach und verletzlich vorfand. Tanis ging wieder zurück in die Höhle.

»Ich gehe jetzt auf Wache«, rief er laut, bevor er wieder nach draußen ging. Er hob die Decken an und sah, wie Alhana unmerklich zusammenschreckte und sich eilig mit den Händen übers Gesicht fuhr. Sie drehte ihm den Rücken zu. Er ging langsam auf sie zu, so daß sie Zeit hatte, sich zu fassen.

»In der Höhle war es so stickig«, sagte sie leise. »Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich mußte rausgehen und frische Luft schnappen.«

»Ich übernehme die erste Wache«, sagte Tanis. Er hielt inne und fügte dann hinzu: »Du scheinst dir um deinen Vater Sorgen zu machen, daß er diese Kugel der Drachen benutzt haben könnte. Sicherlich kannte er ihre Geschichte. Wenn ich mich richtig erinnere, war er ein Magier.«

»Er wußte, woher die Kugel kam«, sagte Alhana, mühsam um Fassung ringend. »Der junge Magier hatte recht, als er über die Verlorenen Schlachten und die Zerstörung der Türme sprach. Aber er irrte sich, als er sagte, daß die anderen drei Kugeln verlorengegangen wären. Eine wurde von meinem Vater zur Aufbewahrung nach Silvanesti gebracht.«

»Was waren die Verlorenen Schlachten?« fragte Tanis und lehnte sich neben Alhana gegen den Stein.

»Wird denn keine Legende in Qualinost bewahrt und weitergegeben?» gab sie zurück und musterte Tanis verächtlich.

»Was seid ihr für Barbaren geworden, seit ihr euch mit Menschen vermischt!«

»Sagen wir lieber, es war mein eigener Fehler«, antwortete Tanis, »ich habe dem Sagenmeister nicht genug Beachtung geschenkt.«

Alhana warf ihm einen mißtrauischen Blick zu, als fürchte sie seinen Spott. Aber als sie in sein ernstes Gesicht sah, und eigentlich auch nicht allein sein wollte, entschied sie, seine Frage zu beantworten. »Als Istar im Zeitalter der Allmacht in Ruhm und Ehre immer weiter aufstieg, wurden Istars Königspriester und seine Kleriker auf die Macht der Magier immer eifersüchtiger. Die Kleriker sahen für Magie in der Welt keine Notwendigkeit mehr und fürchteten sie natürlich als etwas, was sich ihrer Kontrolle entzog. Die Magier selbst wurden zwar respektiert, aber man schenkte ihnen niemals völliges Vertrauen, nicht einmal den Weißen Roben. Es war für die Priester nicht einmal den Weißen Roben. Es war für die Priester eine Leichtigkeit, die Leute gegen die Zauberer aufzuwiegeln. Als das Böse im Laufe der Zeit immer mehr zunahm, gaben die Priester den Magiern die Schuld dafür. In den Türmen der Erzmagier, wo sich die Magier ihren endgültigen mörderischen Prüfungen unterziehen mußten, ruhten auch ihre Mächte. Die Türme waren natürlich die ersten und wichtigsten Angriffsziele. Sie wurden vom Mob angegriffen, und es war so, wie dein junger Freund sagte: Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte versammelten sich die Roben, um ihre letzte Bastion der Mächte zu verteidigen.«

»Aber wie hätte man sie besiegen können?« fragte Tanis skeptisch.

»Wie kannst du so eine Frage stellen, wenn du mit einem Magier befreundet bist? So mächtig er auch ist, auch er muß sich ausruhen. Selbst der Stärkste braucht seine Zeit, um seine Zaubersprüche zu erneuern, sie sich wieder ins Gedächtnis zu holen. Selbst die Ältesten des Ordens – Zauberer, die so mächtig waren, wie man es auf Krynn lange nicht mehr erlebt hatte mußten schlafen und Stunden mit ihren Zauberbüchern verbringen. Und auch damals gab es nur wenige Magier. Nur wenige wagen es, sich den Prüfungen in den Türmen der Erzmagier zu unterziehen, da sie wissen: Versagen heißt sterben.«

»Versagen bedeutet Tod?« fragte Tanis leise.

»Ja«, erwiderte Alhana. »Dein Freund ist sehr mutig, die Prüfungen in so jungen Jahren abgelegt zu haben. Sehr mutig oder sehr ehrgeizig. Hat er dir niemals davon erzählt?«

»Nein«, murmelte Tanis. »Er spricht nie darüber. Aber fahre fort.«

Alhana zuckte die Schultern. »Als es klar wurde, daß die Schlacht hoffnungslos war, zerstörten die Zauberer eigenhändig zwei Türme. Die Asche überzog das Land im Umkreis von Meilen. Nur drei Türme blieben übrig – der Turm von Istar, der Turm von Palanthas und der Turm von Wayreth. Aber die furchtbare Zerstörung der zwei Türme hatte Istars Königspriester erschreckt. Er garantierte den Zauberern in den Türmen von Istar und Palanthas freies Geleit, falls sie die Türme unbeschädigt ließen, denn die Zauberer hätten diese beiden Städte zerstören können, und das wußte der Königspriester nur zu gut.

»Und so reisten die Magier zu dem Turm, der niemals bedroht war – zum Turm von Wayreth im Kharolisgebirge. Sie kamen nach Wayreth, um ihre Wunden zu pflegen und den kleinen Funken von Magie, der immer noch in der Welt war, zu nähren. Die Zauberbücher, die sie nicht mitnehmen konnten, denn es gab viele davon, und die meisten waren mit einem Schutzzauber versehen, wurden der großen Bibliothek von Palanthas übergeben, und dort befinden sie sich noch, wie es in den Legenden meines Volkes heißt.«

Der Silbermond war aufgegangen, seine Strahlen schmückten seine Tochter mit einer Schönheit, die Tanis den Atem raubte, so wie ihre Kälte sein Herz durchbohrte.

»Was weißt du über einen dritten Mond«, fragte er in den Nachthimmel starrend. »Ein schwarzer Mond...«

»Wenig«, erwiderte Alhana. »Die Magier beziehen aus den Monden ihre Macht: die Weißen Roben aus Solinari, die Roten Roben aus Lunitari. Nach den Legenden gibt es einen Mond, der den Schwarzen Roben ihre Macht gibt, aber nur diejenigen, die seinen Namen kennen, wissen ihn am Himmel zu finden.«

Raistlin wußte seinen Namen, dachte Tanis. Aber er sprach diesen Gedanken nicht aus.

»Wie ist dein Vater an die Kugel der Drachen gekommen?«

»Mein Vater war ein Lehrling«, erzählte Alhana leise, während sie ihr Gesicht dem Silbermond zuwandte. »Er reiste zum Turm der Erzmagier nach Istar, um die Prüfungen abzulegen, die er auch bestand und überlebte. Dort traf er das erste Mal auf die Kugel der Drachen.« Einen Moment versank sie in Schweigen. »Ich erzähle dir jetzt etwas, was ich nie zuvor jemandem erzählt habe, und was er auch nur mir anvertraut hat. Ich erzähle es dir nur, weil du ein Recht hast, zu erfahren, was – dich erwartet.

Während der Prüfungen hat die Kugel der Drachen...«, Alhana zögerte, schien die richtigen Worte zu suchen, »zu ihm gesprochen – rein gedanklich. Er befürchtete eine schreckliche Katastrophe. ›Du darfst mich hier nicht in Istar lassen‹, sagte sie ihm. ›Wenn du es doch tust, werde ich umkommen, und die Welt wird verloren sein.‹ Mein Vater... Du denkst vielleicht, daß er die Kugel der Drachen gestohlen hat, aber er selbst sah das als Befreiungstat an.