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»Was ist mit diesen Geschichten?« fragte Tanis Alhana, als sie auf dem Rücken des Greifs über Espen flogen, »diese Geschichten, daß Menschen von der Schönheit Silvanestis so gefesselt werden, daß sie es nicht mehr verlassen können? Können meine Freunde es wagen, dieses Land zu betreten?« Alhana warf ihm einen flüchtigen Blick zu.

»Ich weiß, daß Menschen schwach sind«, sagte sie kühl, »aber ich glaube nicht, daß sie so schwach sind. Es stimmt, daß Menschen nicht mehr nach Silvanesti kommen, aber das liegt daran, daß wir sie nicht hereinlassen. Und wir wollen sicherlich keine im Land behalten. Wenn diese Gefahr bestünde, hätte ich euch nicht mitgenommen.«

»Nicht einmal Sturm?« Er konnte sich diese Frage nicht verkneifen, verärgert über ihren verletzenden Ton.

Aber er war nicht auf ihre Antwort vorbereitet. Alhana drehte sich so schnell herum, daß ihr langes schwarzes Haar gegen seine Haut schlug. Ihr Gesicht war vor Zorn dermaßen blaß, daß es fast durchsichtig wirkte, und er konnte die Adern unter der Haut erkennen. Ihre dunklen Augen schienen ihn in ihre schwarzen Tiefen zu ziehen.

»Sprich nie mehr darüber mit mir!« sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen und weißen Lippen. »Sprich niemals von ihm!«

»Aber letzte Nacht...«, stammelte Tanis erstaunt und fuhr mit einer Hand über seine brennende Wange.

»In der letzten Nacht ist nichts passiert«, entgegnete Alhana.

»Ich war schwach, müde und verängstigt. Wie ich es auch war, als... als ich Stu... den Ritter traf. Ich bedaure, mit dir über ihn gesprochen zu haben. Ich bedaure, dir vom Sternenjuwel erzählt zu haben.«

»Bedauerst du auch, ihm den Juwel gegeben zu haben?« fragte Tanis.

»Ich bedaure den Tag, an dem ich meinen Fuß auf Tarsis' Boden gesetzt habe«, sagte Alhana mit leiser leidenschaftlicher Stimme. »Ich wünschte, ich wäre niemals dort gewesen! Niemals!« Sie drehte sich abrupt um und ließ Tanis in dunklen Gedanken zurück.

Die Gefährten hatten gerade den Fluß erreicht, von wo sie den hohen Sternenturm, der wie ein Perlenstrang in der Sonne funkelte, erblicken konnten, als die Greife plötzlich ihren Flug unterbrachen. Tanis konnte keinerlei Anzeichen von Gefahr erkennen. Aber die Greife ließen sich weiter schnell nach unten sinken.

Es schien in der Tat kaum glaubhaft, daß Silvanesti angegriffen worden war. Keine dicken Rauchwolken von Lagerfeuern erhoben sich in den Himmel, so wie es in anderen von den Drakoniern besetzten Gebieten der Fall gewesen war. Das Land war weder verbrannt noch irgendwie anders zerstört. Unter sich konnte Tanis die grünen Espen im Sonnenlicht strahlen sehen.

Hier und dort sprenkelten Marmorgebäude ihre weiße Pracht in den Wald.

»Nein!« Alhana redete mit den Greifen in der Elfensprache.

»Ich befehle euch! Fliegt weiter! Ich muß den Turm erreichen!«

Aber die Greife kreisten tiefer und tiefer und ignorierten sie.

»Was ist los?« fragte Tanis. »Warum fliegen wir nicht weiter? Der Turm ist in Sichtweite. Wo liegt das Problem?« Er sah sich um. »Ich kann nichts Besorgniserregendes erkennen.«

»Sie weigern sich, weiterzufliegen«, sagte Alhana mit sorgenvoller Miene. »Sie sagen mir nicht den Grund, nur, daß wir von hier allein Weiterreisen müssen. Ich verstehe es nicht.«

Tanis gefiel das nicht. Greife waren bekanntlich hitzige, unabhängige Lebewesen, aber sobald man ihre Loyalität gewonnen hatte, dienten sie ihren Meistern mit unverbrüchlicher Treue und Hingabe. Die königliche Familie in Silvanesti hatte schon immer Greife für ihre Zwecke gezähmt. Obwohl sie kleiner als Drachen waren, wurden die Greife von ihren Feinden wegen ihrer Schnelligkeit, ihrer scharfen Krallen, ihrer reißenden Schnäbel und ihrer löwenartigen Hinterfüße gefürchtet.

Und wie Tanis gehört hatte, gab es für sie auf Krynn nur wenig zu fürchten. Diese Greife, so erinnerte er sich, waren ohne jede Angst nach Tarsis durch einen Schwarm von Drachen geflogen.

Nun schienen die Greife verängstigt. Sie landeten am Flußufer, alle wütenden, herrischen Befehle Alhanas ignorierend.

Statt dessen putzten sie niedergeschlagen ihr Gefieder und weigerten sich standhaft weiterzufliegen.

Schließlich blieb den Gefährten nichts anderes übrig, als von den Rücken der Greife herunterzuklettern und ihr Gepäck abzuladen. Dann breiteten die vogel-löwenartigen Kreaturen mit heftiger, entschuldigender Würde ihre Flügel aus und stoben von dannen.

»Nun, das war's«, sagte Alhana scharf und wich den wütenden Blicken aus, die sie auf sich ruhen spürte. »Jetzt müssen wir einfach weitergehen. Wir brauchen nicht mehr lange.«

Die Gefährten standen am Ufer und starrten über das reißende Wasser zum Wald am anderen Ufer. Keiner sprach ein Wort.

Sie waren angespannt und wachsam, auf Ärger gefaßt. Aber sie sahen nur die Espen in den letzten Sonnenstrahlen glänzen. Der Fluß klatschte murmelnd an seine Ufer. Obwohl die Espen noch grün waren, lag bereits die Schweigsamkeit des Winters wie eine Decke über dem Land.

»Hattest du nicht gesagt, daß dein Volk geflohen ist, weil es unter Belagerung stand?« fragte Tanis schließlich Alhana.

»Wenn dieses Land von den Drachen kontrolliert wird, bin ich ein Gossenzwerg!« schnaubte Caramon verächtlich.

»Das stimmte auch!« antwortete Alhana, ihre Augen wanderten suchend durch den Wald. »Drachen füllten den Himmel wie in Tarsis! Drachenmänner drangen in unsere geliebten Wälder vor, verbrannten, zerstörten...« Ihre Stimme erstarb.

Caramon beugte sich zu Flußwind und murmelte ihm zu: »Wildgansjagd!«

Der Barbar knurrte. »Wenn es nichts weiter ist, haben wir ja Glück«, sagte er, die Augen auf das Elfenmädchen gerichtet.

»Warum hat sie uns hierhergebracht? Vielleicht ist es eine Falle.«

Caramon zog diesen Gedanken einen Moment in Erwägung, dann blickte er unruhig zu seinem Bruder, der weder gesprochen noch seine seltsamen Augen vom Wald abgewandt hatte, seitdem die Greife sie verlassen hatten. Der Krieger löste sein Schwert und trat näher zu Tika. Wie zufällig schienen sich ihre Hände zu begegnen. Tika warf Raistlin einen ängstlichen Blick zu, ließ Caramon aber nicht los.

Der Magier starrte einfach nur weiter in die Wildnis.

»Tanis!« sagte Alhana plötzlich, und in ihrer Freude vergaß sie sich und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Vielleicht hat es funktioniert! Vielleicht hat mein Vater sie besiegt, und wir können nach Hause zurückkehren! O Tanis...« Sie zitterte vor Aufregung. »Wir müssen den Fluß überqueren und es herausfinden! Kommt! Dort hinter der Flußbiegung ist der Landesteg der Fähre...«

»Alhana, warte!« rief Tanis, aber sie lief bereits am weichen, mit Gras bewachsenen Ufer entlang, ihr langes Gewand flatterte um ihre Knöchel. »Alhana! Verdammt! Caramon und Flußwind, lauft ihr nach. Goldmond, versuche, sie zur Vernunft zu bringen.«

Flußwind und Caramon tauschten unruhige Blicke, aber sie gehorchten Tanis' Befehl. Goldmond und Tika folgten etwas langsamer.

»Wer weiß, was in diesem Wald ist?« murmelte Tanis.

»Raistlin...«

Der Magier schien nicht zu hören. Tanis ging näher zu ihm.

»Raistlin?« wiederholte er.

Raistlin starrte ihn verständnislos an, als ob er aus einem Traum erwacht wäre. Dann wurde dem Magier bewußt, daß ihn jemand angesprochen hatte. Er senkte seinen Blick.

»Was ist, Raistlin?« fragte Tanis. »Was spürst du?«

»Nichts, Tanis«, erwiderte der Magier.

Tanis blinzelte. »Nichts?« wiederholte er.

»Es ist wie ein undurchdringlicher Nebel, eine weiße Mauer«, flüsterte Raistlin. »Ich sehe nichts, spüre nichts.«

Tanis musterte ihn aufmerksam, und plötzlich erkannte er, daß Raistlin log. Aber warum? Der Magier erwiderte den Blick des Halb-Elfs mit Gleichmut, ein kleines Lächeln kräuselte seine dünnen Lippen, als ob er wüßte, daß Tanis ihm nicht glaubte, ihn das aber nicht stören würde.

»Raistlin«, sagte Tanis leise, »nehmen wir an, daß Lorac, der Elfenkönig, versucht hat, die Kugel der Drachen zu benutzen was könnte passiert sein?«