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Mit dem Rücken gegen die geschlossenen Türen stehend, kämpfte Tika gegen eine Schar mißgebildeter, alptraumartiger Feinde um ihr Leben. Tolpan erkannte, daß sie in Sicherheit sein würde, falls es ihr gelang, in den Turm zu kommen. Er stürzte vor, sein kleiner Körper flitzte mühelos durch das Durcheinander, und erreichte die Tür. Er untersuchte das Schloß, während Tika die Elfen, ihr Schwert wild schwingend, zurückhielt.

»Beeil dich, Tolpan!« schrie sie atemlos.

Das Schloß schien einfach zu öffnen; so ein simpler Verschluß als Schutz! Tolpan war erstaunt über die Schlampigkeit der Elfen.

»Ich müßte dieses Schloß in Sekunden geöffnet haben«, verkündete er. Gerade als er jedoch zur Arbeit ansetzte, fiel etwas von hinten auf ihn, so daß er sich verhedderte.

»He!« schrie er wütend und drehte sich zu Tika um. »Sei ein wenig vorsichtiger...« Er hielt entsetzt inne. Tika lag vor seinen Füßen, Blut floß aus ihren roten Locken.

»Nein, nicht Tika!« flüsterte Tolpan. Vielleicht war sie nur verwundet! Wenn er sie in den Turm schaffen würde, könnte ihr jemand vielleicht helfen. Vor Tränen konnte er nichts sehen, seine Hände zitterten.

Ich muß mich beeilen, dachte Tolpan voller Panik. Warum öffnet sich die Tür nicht? Es ist doch so einfach! Wütend zerrte er am Schloß.

Tolpan spürte einen kleinen Stich in seinem Finger, als das Schloß klickte. Die Tür zum Turm öffnete sich. Aber Tolpan starrte auf seinen Finger, an dem ein kleiner Blutfleck glitzerte.

Er sah auf das Schloß, in dem eine kleine, goldene Nadel glänzte. Ein einfaches Schloß, eine einfache Falle. Er hatte beides bewältigt. Und als die erste Wirkung des Gifts mit einer entsetzlichen Wärme in seinem Körper aufflackerte, sah er nach unten, um zu erkennen, daß es auch dafür zu spät war. Tika war tot.

Raistlin und sein Bruder gingen, ohne gehindert zu werden, durch den Wald. Caramon beobachtete mit wachsendem Erstaunen, wie Raistlin die bösartigen Kreaturen zurückhielt, die sie angreifen wollten; manchmal mit unglaublichen Meisterleistungen der Magie, manchmal durch die reine Kraft seines Willens.

Raistlin war freundlich und sanft und besorgt. Als der Tag zu Ende ging, war Caramon häufig gezwungen anzuhalten. Er konnte nur noch langsam einen Fuß vor den anderen setzen, immer an seinen Bruder gelehnt. Und während Caramon immer schwächer wurde, wuchs Raistlins Kraft.

Als die nächtlichen Schatten fielen und dem quälenden grünen Tag ein gnädiges Ende bereiteten, erreichten die Zwillinge endlich den Turm und blieben stehen. Caramon hatte Fieber und starke Schmerzen.

»Ich muß mich ausruhen, Raist«, keuchte er. »Leg mich hin.«

»Gewiß, mein Bruder«, sagte Raistlin sanft. Er half Caramon, sich gegen die Perlenmauer des Turms zu lehnen, dann musterte er seinen Bruder mit kühlen, glitzernden Augen.

»Leb wohl, Caramon«, sagte er.

Caramon blickte ungläubig zu seinem Zwillingsbruder. In den Schatten der Bäume konnte der Krieger die untoten Elfen erkennen, die ihnen in respektvoller Entfernung gefolgt waren und sich nun näher heranschlichen, da sie bemerkten, daß der Magier, der sie abgedrängt hatte, verschwinden wollte.

»Raist«, sagte Caramon langsam, »du kannst mich hier nicht liegenlassen! Ich kann nicht gegen sie kämpfen. Ich habe nicht die Kraft! Ich brauche dich!«

»Vielleicht, aber ich, verstehst du, mein Bruder, ich brauche dich nicht mehr. Ich habe deine Kraft gewonnen. Jetzt bin ich endlich das, was ich immer sein sollte, und durch einen grausamen Trick der Natur nicht war, nämlich eine ganze Person.«

Während Caramon ihn verständnislos anstarrte, wandte sich Raistlin zum Gehen.

»Raist!«

Caramons schmerzerfüllter Schrei hielt ihn zurück. Raistlin blickte auf seinen Zwillingsbruder, nur seine goldenen Augen waren unter seiner schwarzen Kapuze sichtbar.

»Wie ist es, wenn man schwach und ängstlich ist, mein Bruder?« fragte er sanft. Dann drehte sich Raistlin um und betrat den Eingang, in dem Tika und Tolpan tot lagen. Raistlin stieg über den Leichnam des Kenders und verschwand in der Dunkelheit.

Sturm, Tanis und Kitiara erreichten den Turm und fanden einen Körper davor auf dem Gras liegend. Untote Elfen waren dabei, ihn kreischend und gellend zu umzingeln.

»Caramon!« schrie Tanis verzweifelt.

»Und wo ist sein Bruder?« fragte Sturm mit einem Seitenblick auf Kitiara. »Ließ ihn sterbend zurück, ohne Zweifel.«

Tanis schüttelte den Kopf, als sie dem Krieger zur Hilfe eilten. Sturm und Kitiara hielten die Elfen mit ihren Schwertern zurück, während Tanis neben dem Krieger niederkniete.

Caramon öffnete die Augen, und sein glasiger Blick traf Tanis, erkannte ihn kaum durch den blutigen Schleier. Er versuchte verzweifelt, zu sprechen.

»Beschütz Raistlin, Tanis...« Caramon würgte an seinem Blut. »Denn ich bin jetzt nicht mehr da. Paß auf ihn auf.«

»Auf Raistlin aufpassen?« wiederholte Tanis wütend. »Er hat dich hier sterbend zurückgelassen!« Tanis hielt Caramon in seinen Armen.

Caramon schloß erschöpft seine Augen »Nein, du irrst dich, Tanis. Ich habe ihn weggeschickt...« Der Kopf des Kriegers sackte nach vorn.

Die Schatten der Nacht schlossen sich um sie. Die Elfen waren verschwunden. Sturm und Kit traten neben den toten Krieger.

»Was hat er dir erzählt?« fragte Sturm barsch.

»Armer Caramon«, flüsterte Kitiara und beugte sich über ihn.

»Irgendwie habe ich immer vermutet, daß es so enden würde.«

Einen Moment schwieg sie, dann sprach sie weiter. »So ist mein kleiner Raistlin also wahrhaftig mächtig geworden«, sinnierte sie eher zu sich.

»Auf Kosten von Caramon!«

Kitiara sah zu Tanis hoch, als ob seine Sicht der Dinge sie erstaunte. Dann zuckte sie die Schultern und blickte noch einmal auf Caramon, der in einer Lache seines eigenen Blutes lag.

»Armes Kind«, sagte sie leise.

Sturm bedeckte Caramons Körper mit seinem Umhang, dann suchten sie den Eingang zum Turm.

»Tanis...«, sagte Sturm und wies in eine bestimmte Richtung.

»O nein. Nicht Tolpan«, murmelte Tanis. »Und Tika.«

Der Leichnam des Kenders lag direkt im Eingang, seine kleinen Glieder im Todeskampf verrenkt. Neben ihm lag das Schankmächen, die roten Locken mit Blut verklebt. Tanis kniete nieder. Einer der Beutel des Kenders hatte sich während seines Todeskampfes geöffnet, sein Inhalt lag verstreut herum.

Tanis erblickte etwas Goldenes. Er griff danach und hob einen Elfenring auf, zu Efeublättern geformt. Tränen schossen ihm in die Augen, er sah nichts mehr und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

»Wir können hier nichts mehr machen, Tanis.« Sturm legte seine Hand auf die Schulter seines Freundes. »Wir müssen weitergehen und dem ein Ende bereiten. Und wenn es meine letzte Tat sein soll, aber ich werde Raistlin töten.«

Der Tod ist nur im Bewußtsein. Es ist ein Traum, sagte sich Tanis. Aber es waren Raistlins Worte, die er wiederholte, und er hatte gesehen, was aus dem Magier geworden war.

Ich werde aufwachen, dachte er, und meinen ganzen Willen aufbringen, zu glauben, daß das ein Traum ist. Aber als er seine Augen öffnete, lag der Leichnam des Kenders immer noch vor ihm auf dem Boden.

Den Ring fest in seiner Hand, folgte Tanis Kit und Sturm in einen feuchten, verschlammten Marmorkorridor. Gemälde hingen in goldenen Rahmen an den Marmorwänden. Hohe Glasfenster ließen ein scheußliches, gespenstisches Licht hinein.

Der Korridor mußte wohl einst wunderschön gewesen sein, aber jetzt erschienen selbst die Gemälde an den Wänden verzerrt, zeigten Schreckensvisionen des Todes. Als die drei weitergingen, nahmen sie allmählich ein leuchtend grünes Licht gewahr, das von einem Zimmer am Ende des Korridors ausging.

Sie konnten das Böse dieses grünen Lichtes spüren, das auf ihre Gesichter wie die Wärme einer verderbten Sonne einschlug.

»Das Zentrum des Bösen«, sagte Tanis. Wut erfüllte sein Herz – Wut, Trauer und der brennende Wunsch nach Rache. Er wollte nach vorn rennen, aber die grün gefärbte Luft schien ihn nach unten zu drücken, hielt ihn zurück, bis jeder Schritt eine Anstrengung darstellte.