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»Wie kannst du es wagen, mich deiner eigenen Schwächen zu beschuldigen?« gab Laurana zurück. »Ich habe Elistan sehr gern. Ich verehre ihn. Er ist der weiseste Mann, den ich kenne, und der sanfteste. Er opfert sich selbst – sein ganzes Leben ist darauf ausgerichtet, anderen zu dienen. Aber es gibt nur einen Mann, den ich liebe, nur einen Mann, den ich immer geliebt habe – obwohl ich jetzt anfange, mich zu fragen, ob das nicht ein großer Fehler ist! An jenem schrecklichen Ort, dem Sla-Mori, hast du gesagt, ich würde mich wie ein kleines Mädchen benehmen und sollte endlich erwachsen werden. Nun, ich bin erwachsen geworden, Tanis Halb-Elf. In diesen wenigen Monaten habe ich Leiden und Tod gesehen. Ich habe mich gefürchtet, wie ich es nie für möglich gehalten habe! Ich habe das Kämpfen gelernt, und ich habe meine Feinde getötet. All das hat mir im Innern so weh getan, bis es mich abstumpfte, so daß ich den Schmerz nicht mehr fühlte. Aber was mich am meisten verletzt, ist, dich mit klaren Augen zu sehen.«

»Ich habe niemals behauptet, vollkommen zu sein, Laurana«, sagte Tanis leise. Der silberne und der rote Mond waren aufgegangen, beide waren noch nicht voll, aber leuchteten hell genug, daß Tanis in Lauranas Augen Tränen sehen konnte. Er streckte seine Arme aus, um sie zu umschlingen, aber sie trat einen Schritt zurück.

»Das behauptest du zwar nie«, sagte sie verächtlich, »aber du genießt es deutlich, uns in diesem Glauben zu lassen!«

Sie ignorierte seine ausgebreiteten Arme, ergriff eine Fackel von der Mauer und ging durch das Tor in die Dunkelheit von Thorbadin zurück.

Tanis stand einen Moment da, sah ihr nach und kratzte sich den dichten, rötlichen Bart, den sich kein Elf auf Krynn wachsen lassen kann. Beim Nachdenken über Lauranas letzte Bemerkung fiel ihm widersinnigerweise Kitiara ein. Er beschwor Bilder aus seiner Erinnerung herauf. Kits kurzgeschnittenes, lockiges schwarzes Haar, ihr Lächeln, ihr hitziges, ungestümes Temperament und ihr starker, sinnlicher Körper – der Körper einer trainierten Schwertkämpferin, aber er entdeckte zu seiner Verwunderung, daß sich in das Bild der ruhige, klare Blick von zwei mandelförmigen, leuchtenden Elfenaugen gestohlen hatte. Vom Gebirge her rollte der Donner. Der Schließmechanismus bewegte das riesige Steintor. Tanis beobachtete, wie das Tor geschlossen wurde, und entschied, nicht hineinzugehen. »In einem Grab eingeschlossen.« Er lächelte, als er sich an Sturms Worte erinnerte, aber auch seine Seele durchfuhr ein Frösteln. Das Tor schloß sich mit einem dumpfen Krachen. Die Gebirgswand war blank, kalt, abschreckend. Mit einem Seufzen zog Tanis seinen Umhang fest zusammen und ging in den Wald. Selbst das Schlafen im Schnee war besser als unter der Erde. Er sollte sich sowieso daran gewöhnen. Die Staubigen Ebenen, die sie überqueren mußten, um Tarsis zu erreichen, waren wahrscheinlich völlig verschneit, obwohl der Winter erst begann.

Während er über die Reise nachdachte, blickte Tanis in den nächtlichen Himmel. Er war wunderschön, voller funkelnder Sterne. Aber zwei klaffende schwarze Löcher verunstalteten die Schönheit. Raistlins fehlende Konstellationen.

Löcher im Himmel. Löcher in ihm.

Nach seiner Auseinandersetzung mit Laurana war Tanis fast erleichtert, die Reise anzutreten. Alle Gefährten hatten sich einverstanden erklärt, mitzukommen. Tanis wußte, daß keiner von ihnen sich unter den Flüchtlingen wirklich wohl fühlte.

Die Reisevorbereitungen lenkten ihn weitgehend ab. Er konnte sich sogar einreden, daß es ihm nichts ausmachte, daß Laurana ihm aus dem Wege ging. Und am Anfang war die Reise herrlich. Es schien, als wäre es später Frühling anstatt Winteranfang. Die Sonne schien und wärmte die Luft. Nur Raistlin trug seinen dicksten Umhang.

Die Unterhaltungen der Gefährten waren munter und lustig, als sie durch den nördlichen Teil der Ebenen wanderten, erfüllt von Neckereien und Erinnerungen an den Spaß, den sie in früheren, glücklicheren Tagen in Solace gehabt hatten. Keiner sprach von den dunklen und bösen Dingen, die sie in der jüngsten Vergangenheit erlebt hatten. Es war, als ob sie in Anbetracht einer schöneren Zukunft diese Dinge verdrängen wollten.

Abends erklärte Elistan ihnen, was er über die uralten Götter aus Mishakals Scheiben gelernt hatte. Seine Geschichten erfüllten ihre Seelen mit Frieden und bestärkten sie in ihrem Glauben. Nur Tanis – der sein ganzes Leben lang nach etwas, woran er glauben konnte, gesucht hatte und es jetzt mit Skepsis betrachtete, nachdem er es gefunden hatte – war in seinem tiefsten Innern zerrissen. Auch er wollte glauben und hoffen, aber irgend etwas hielt ihn zurück, und immer wenn er Laurana ansah, wußte er den Grund. Solange er nicht seinen eigenen inneren Konflikt lösen konnte, dieses aufzehrende Hin- und Hergerissensein zwischen dem elfischen und dem menschlichen Teil in ihm, würde er niemals Frieden finden.

Nur Raistlin nahm nicht an den Unterhaltungen, dem Spaß, den Witzen und Neckereien und den Gesprächen am Lagerfeuer teil. Der Magier verbrachte seine Zeit mit dem Studium seines Zauberbuchs. Wenn er gestört wurde, antwortete er mit einem wütenden Fauchen. Nach dem Abendessen saß er abseits von den anderen, seine Augen auf den nächtlichen Himmel gerichtet, auf die zwei klaffenden schwarzen Löcher, die sich in den Stundenglasaugen des Magiers widerspiegelten.

Schon nach wenigen Tagen begann die gute Stimmung abzuflauen. Der Himmel hatte sich verdunkelt, und der Wind blies eisig von Norden. Der Schnee fiel so dicht, daß sie an einem Tag nicht weiterkamen, sondern gezwungen waren, in einer Höhle Schutz zu suchen. In der Nacht stellten sie doppelte Wachen auf, obwohl niemand so richtig sagen konnte, warum, nur daß sie ein wachsendes Gefühl der Bedrohung verspürten. Flußwind starrte mit Unbehagen auf die Spur, die sie im Schnee hinterließen. Wie Flint sagte, konnte ihnen selbst ein blinder Gossenzwerg folgen. Das Gefühl der Bedrohung wuchs, das Gefühl, daß Augen sie beobachteten und Ohren sie belauschten.

Jedoch wer sollte es sein, hier in den Staubigen Ebenen, wo nichts und niemand seit über dreihundert Jahren gelebt hatte?

2

Zwischen Herr und Drache. Unheilvolle Reise

Der Drache seufzte, breitete seine riesigen Flügel aus und hob seinen mächtigen Körper aus dem warmen, wohltuenden Wasser der heißen Quellen. Die eisige Luft ließ ihn fast erstarren, brannte in seinen grazilen Nüstern und biß in seinen Hals. Er schluckte schmerzhaft, widerstand jedoch der Versuchung, in das warme Wasser zurückzukehren, und kletterte am hohen Felsgesims empor.

Wütend stampfte der Drache gegen den Felsen, der vom vereisten Dampf der heißen Quellen sehr glatt war. Steine zerbrachen unter seinen Klauenfüßen und purzelten ins Tal hinunter.

Einmal rutschte er aus und verlor für einen Moment das Gleichgewicht. Er breitete seine Flügel aus und fing sich schnell wieder, aber der Vorfall machte ihn nur noch wütender.

Die Morgensonne schien auf die Berggipfel, erfaßte auch den Drachen, dessen blaue Schuppen golden schimmerten, wärmte ihn aber kaum. Der Drache zitterte und trampelte von neuem gegen den harschen Felsboden. Weder der Winter noch die Reise in dieses elende Land waren etwas für die blauen Drachen. Mit diesem Gedanken, den er schon die ganze lange, bitterkalte Nacht gehegt hatte, sah sich Skie nach seinem Herrn um.

Er fand den Drachenfürst auf einem Felsvorsprung stehen, eine imposante Gestalt mit gehörntem Drachenhelm und blauer Drachenschuppenrüstung. Der Fürst, dessen Umhang im eisigen Wind flatterte, starrte aufmerksam über die große flache Ebene.

»Kommt, Herr, laßt uns zu eurem Zelt zurückkehren.« Und mich zu den heißen Quellen, fügte Skie stumm hinzu. »Dieser eisige Wind zerschneidet einem die Knochen. Warum bist du überhaupt hier draußen?«

Skie hatte vermutet, daß der Fürst das Gelände erkundet, die Truppenaufstellung und die Drachenangriffe geplant hätte. Aber das war nicht der Fall. Die Besetzung von Tarsis war seit langer Zeit geplant gewesen – von einem anderen Drachenfürsten, denn dieses Land stand unter dem Kommando der roten Drachen.