Выбрать главу

»Es ist ein Drache«, berichtete er atemlos.

14

Der weiße Drache. Gefangen!

Der Drache hieß Sleet. Es war ein weißer Drache, eine Drachenart, kleiner als alle anderen Drachen auf Krynn. In arktischen Regionen geboren und aufgezogen, widerstanden diese Drachen extremer Kälte und kontrollierten die südlichen Regionen ewigen Eises von Ansalon.

Wegen ihres kleinen Wuchses waren die weißen Drachen die schnellsten Flieger in der Drachenfamilie. Die Drachenfürsten setzten sie häufig zu Aufklärungsdiensten ein. Folglich war Sleet nicht in seiner Höhle in Eismauer gewesen, als die Gefährten dort nach der Kugel der Drachen gesucht hatten. Die Dunkle Königin hatte Meldungen erhalten, nach denen eine Gruppe Abenteurer in Silvanesti eingedrungen war. Irgendwie hatten sie es geschafft, Cyan Blutgeißel zu besiegen und in den Besitz einer Kugel der Drachen zu gelangen.

Die Dunkle Königin vermutete, daß sie auf der Straße der Könige durch die Staubigen Ebenen reisen würden, das war der direkteste Weg nach Sankrist, wo die Ritter von Solamnia angeblich versuchten, sich neu zu gruppieren. Die Dunkle Königin befahl Sleet, mit seiner Schar weißer Drachen zu den Ebenen zu fliegen, die nun unter einer dicken, schweren Eisschicht lagen, um die Kugel zu finden.

Als er den Schnee unter sich glitzern sah, bezweifelte Sleet stark, daß selbst Menschen so närrisch wären und die Ödnis zu durchqueren versuchten. Aber er hatte seine Befehle und er befolgte sie. Er ließ seine Schar ausschwärmen und jeden Zentimeter, von den Grenzen Silvanestis im Osten bis zu den Kharolisbergen im Westen, absuchen. Einige Drachen flogen sogar bis zur Neuküste weit im Norden, die von den Blauen kontrolliert wurde.

Die Drachen trafen sich wieder, um zu berichten, daß sie kein Anzeichen für ein Lebewesen in den Ebenen gesehen hätten, als Sleet erfuhr, daß Gefahr durch die Hintertür einmarschiert war, während er auf Kundschaft durch die Vordertür getreten war.

Wütend flog Sleet zurück, kam aber zu spät an. Feal-Tas war tot, die Kugel der Drachen fort. Aber die Thanoi, die Walroß-Menschen, ihre Verbündeten, konnten die Gruppe genau beschreiben, die diese abscheuliche Tat verübt hatte. Sie konnten sogar die Richtung angeben, in die ihr Schiff gesegelt war. Es gab auch nur eine Richtung, in die jedes Schiff von Eismauer aus segeln konnte – nach Norden.

Sleet meldete den Verlust der Kugel der Drachen seiner Dunklen Königin, die sich maßlos aufregte und unruhig wurde.

Jetzt fehlten schon zwei Kugeln der Drachen! Obwohl sie sicher war, daß auf Krynn ihre bösen Kräfte die stärksten waren, wußte die Dunkle Königin auch, daß die Kräfte des Guten immer noch durch das Land zogen. Einer von ihnen könnte sich als stark und weise genug erweisen, um das Geheimnis der Kugel zu ergründen.

Sleet wurde also befohlen, die Kugel zu finden und sie nicht nach Eismauer zurückzubringen, sondern sie der Königin zu übergeben. Unter keinen Umständen sollte der Drache sie verlieren oder zulassen, daß sie verlorenginge. Die Kugeln waren intelligent und verfügten über einen starken Überlebenswillen.

Darum auch hatten sie schon so lange überlebt, selbst wenn ihre Schöpfer längst gestorben waren.

Sleet eilte über das Simon-Meer, seine starken weißen Flügel trugen ihn geschwind in Sichtweite des Schiffes. Aber nun wurde Sleet mit einem interessanten intellektuellen Problem konfrontiert, und er war nicht vorbereitet, es zu lösen.

Vielleicht lag es an der Inzucht, an der Notwendigkeit, ein Reptil zu schaffen, das der Kälte trotzte, daß weiße Drachen über den niedrigsten Intelligenzgrad in der Drachenfamilie verfügten. Feal-Tas hatte ihm immer gesagt, was er tun sollte.

Folglich war er in beträchtlichem Maße erstaunt über sein gegenwärtiges Problem, als er das Schiff umkreiste: Wie sollte er an die Kugel gelangen?

Zuerst hatte er geplant, das Schiff einfach mit seinem eisigen Atem einzufrieren. Dann erkannte er, daß dann die Kugel in einem gefrorenen Holzblock eingeschlossen und äußerst schwierig zu entfernen wäre. Außerdem bestand die Möglichkeit, daß das Schiff sinken würde, bevor er es auseinanderreißen konnte.

Das Schiff war zu schwer, um es in seinen Klauen zum Land zu transportieren. Sleet umkreiste das Schiff und dachte nach, während er unter sich die erbarmungswürdigen Menschen wie eingeschüchterte Mäuse umherirren sah.

Der weiße Drache zog in Erwägung, seiner Königin eine telepathische Nachricht zukommen zu lassen und um Hilfe zu bitten. Aber Sleet zögerte, als ihm die Rachsüchtigkeit der Königin einfiel. Den ganzen Tag folgte der Drache dem Schiff und dachte weiter nach. Mühelos ließ er sich im Wind treiben und die Drachenangst auf die Menschen einwirken, die in eine wahnsinnige Panik verfielen. Aber dann, als die Sonne unterging, hatte Sleet eine Idee. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, machte er sich unverzüglich ans Werk.

Tolpans Bericht über den weißen Drachen, der das Schiff verfolgte, ließ eine Welle des Entsetzens durch die Mannschaft gehen. Sie bewaffneten sich mit Enterhaken und bereiteten sich grimmig auf den Kampf mit der Bestie vor, obwohl allen klar war, wie eine solche Schlacht enden würde. Gilthanas und Laurana legten Pfeile auf ihre Bögen. Sturm und Derek hielten Schwert und Schild bereit. Tolpan ergriff seinen Hupak. Flint versuchte, seine Lagerstatt zu verlassen, aber er konnte nicht einmal stehen. Elistan blieb ruhig und gelassen und betete zu Paladin.

»Ich habe mehr Glauben in mein Schwert als in diesen alten Mann und seinen Gott«, sagte Derek zu Sturm.

»Die Ritter haben Paladin immer verehrt«, gab Sturm vorwurfsvoll zurück.

»Ich verehre ihn auch – ich gedenke seiner«, entgegnete Derek. »Ich finde aber dieses ganze Gerede über Paladins ›Rückkehr‹ beunruhigend, Feuerklinge. Und das wird auch das Kapitel finden, wenn es davon erfährt. Du solltest das in Betracht ziehen, wenn die Frage deiner Ritterschaft ansteht.«

Sturm biß sich auf die Lippen und schluckte seine wütende Antwort wie bittere Medizin hinunter.

Lange Minuten verstrichen. Aller Augen waren auf die weißgeflügelte Kreatur gerichtet. Aber sie konnten nichts unternehmen, und so warteten sie.

Und sie warteten und warteten. Der Drache griff nicht an.

Er kreiste unermüdlich weiter über ihnen. Die Matrosen, die auf einen sofortigen Kampf vorbereitet waren, begannen bald zu murren, als das Warten unerträglich wurde. Die Lage verschlechterte sich noch, da der Drache den Wind aufzusaugen schien, denn die Segel hingen leblos herab. Das Schiff verlor seine Geschwindigkeit und begann sich durch das Gewässer zu quälen. Gewitterwolken zogen am nördlichen Horizont auf, trieben langsam über das Wasser und stülpten eine Dunstglocke über das Meer.

Laurana senkte schließlich ihren Bogen und rieb ihren schmerzenden Rücken und ihre Schultermuskeln. Ihre Augen waren durch das unentwegte Starren in die Sonne angeschwollen.

»Schafft sie in ein Rettungsboot und werft sie über Bord«, hörte sie einen alten, grauhaarigen Matrosen einem Kameraden vorschlagen. »Vielleicht läßt uns dann die Bestie weiterziehen. Sie ist hinter ihnen her, nicht hinter uns.«

Sie ist nicht einmal hinter uns her, dachte Laurana unbehaglich. Wahrscheinlich geht es um die Kugel der Drachen. Darum hat der Drache noch nicht angegriffen. Aber Laurana konnte diesen Gedanken nicht laut äußern, erst recht nicht zum Kapitän. Die Kugel der Drachen mußte geheimgehalten werden.

Der Nachmittag verging quälend langsam, und der Drache kreiste immer noch wie ein entsetzlicher Seevogel über ihnen.

Der Kapitän wurde immer gereizter. Er mußte nicht nur mit einem Drachen fertig werden, sondern auch noch mit einer möglichen Meuterei. Zur Essenszeit befahl er die Gefährten zu den unteren Decks.

Derek und Sturm lehnten ab, und es schien, daß die Dinge außer Kontrolle geraten würden, als »Land in Sicht!« gerufen wurde.

»Das südliche Ergod«, sagte der Kapitän grimmig. »Die Strömung treibt uns gegen die Felsen.« Er warf dem kreisenden Drachen einen kurzen Blick zu. »Wenn nicht bald Wind aufkommt, werden wir an ihnen zerschmettert.«