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»Theros«, sagte Tolpan mit erstickter Stimme. »Dein Arm...«

»Fragen kommen später, kleiner Dieb«, antwortete der Schmied streng. »Jetzt müssen wir uns beeilen und uns leise bewegen.«

»Über den Fluß«, stöhnte Flint kopfschüttelnd. »Noch mehr Boote. Noch mehr Boote...«

»Ich will die Stimme sehen«, sagte Laurana dem Wachmann an der Tür zum Schlafzimmer ihres Vaters.

»Es ist spät«, erwiderte der Wachmann. »Die Stimme schläft.«

Laurana zog ihre Kapuze zurück. Der Wachmann verbeugte sich. »Verzeih mir, Prinzessin. Ich habe dich nicht erkannt.« Er warf Silvara einen argwöhnischen Blick zu. »Wer ist das?«

»Mein Mädchen. In der Nacht laufe ich nicht allein herum.«

»Nein, natürlich nicht«, sagte der Wachmann eilig, als er die Tür öffnete. »Geh durch den Gang. Sein Schlafzimmer ist das dritte Zimmer auf der rechten Seite.«

»Danke«, antwortete Laurana und schob sich an ihm vorbei.

Silvara, eingemummt in einem weiten Umhang, folgte ihr leise.

»Die Kiste ist in seinem Zimmer am Fußende des Bettes«, flüsterte Laurana Silvara zu. »Bist du sicher, daß du die Kugel der Drachen tragen kannst? Sie ist groß und schwer.«

»Sie ist nicht so groß«, murmelte Silvara und starrte Laurana erstaunt an. »Sie ist nur so...« Sie formte mit ihren Händen einen Umriß in der Größe eines Kinderballs.

»Nein«, sagte Laurana stirnrunzelnd. »Du hast sie nicht gesehen. Ihr Durchmesser beträgt fast sechzig Zentimeter. Darum trägst du ja auch diesen weiten Umhang.«

Silvara starrte sie verwundert an. Laurana zuckte die Schultern. »Nun, wir können jetzt hier nicht herumstehen und streiten.«

Die beiden schlichen leise wie Kender den Flur entlang, bis sie vor dem Schlafzimmer standen.

Laurana hielt den Atem an, fürchtete, ihr Herz könnte zu laut schlagen, und drückte gegen die Tür. Sie öffnete sich quietschend, und sie preßte vor Schreck ihre Zähne zusammen. Neben ihr zitterte Silvara vor Angst. Eine Gestalt im Bett bewegte sich und drehte sich um – ihre Mutter. Laurana sah ihren Vater, der selbst im Schlaf beschützend seine Hand auf seine Frau gelegt hatte. Tränen traten in Lauranas Augen. Sie preßte entschlossen ihre Lippen zusammen, faßte Silvaras Hand und glitt in den Raum.

Die Kiste stand am Fußende des Bettes ihres Vaters. Sie war verschlossen, aber die Gefährten hatten alle einen Ersatzschlüssel. Schnell öffnete Laurana die Kiste und hob den Deckel. Vor Verwunderung ließ sie ihn beinahe fallen. Die Kugel der Drachen war noch da, glitzerte in ihrem sanften, weißblauen Licht.

Aber es war nicht mehr dieselbe Kugel! Oder sie war es doch, nur geschrumpft. Wie Silvara gesagt hatte, war sie jetzt nicht größer als ein Spielball! Laurana ergriff sie. Sie war immer noch schwer, aber sie konnte sie mühelos hochheben und gab sie an Silvara weiter. Die Wild-Elfe verbarg sie sofort in ihrem Umhang. Laurana hob den Schaft der zerbrochenen Drachenlanze und fragte sich, warum sie unbedingt die zerbrochene alte Waffe mitnehmen wollte.

Ich nehme sie mit, weil der Ritter sie Sturm ausgehändigt hatte, dachte sie. Er wollte, daß er sie besitzt.

Auf dem Boden der Kiste lag Tanis' Schwert, Drachentöter, das ihm Kith-Kanan geschenkt hatte. Laurana sah vom Schwert zur Drachenlanze. Beides kann ich nicht tragen, dachte sie, und wollte die Lanze wieder zurücklegen. Aber Silvara ergriff sie.

»Was machst du denn?« Ihr Mund formte die Worte, ihre Augen blitzten. »Nimm sie! Nimm sie!«

Laurana starrte das Mädchen erstaunt an. Dann nahm sie hastig die Lanze, verbarg sie in ihrem Umhang und schloß sorgfältig die Kiste. Das Schwert ließ sie zurück. Gerade als sie fertig war, rollte sich ihr Vater in seinem Bett herum und richtete sich auf.

»Was? Wer ist da?« fragte er und wollte in seiner Beunruhigung den Schlaf abschütteln.

Laurana fühlte Silvara zittern und umklammerte beruhigend ihre Hand als Zeichen, leise zu sein.

»Ich bin es, Vater«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Laurana. Ich... ich wollte... dir sagen, daß es mir leid tut, Vater. Und ich bitte dich, mir zu verzeihen.«

»Ah, Laurana.« Die Stimme legte sich in seine Kissen zurück und schloß die Augen. »Ich vergebe dir, meine Tochter. Aber jetzt geh schlafen. Wir werden morgen früh darüber reden.«

Laurana wartete, bis er wieder ruhig und regelmäßig atmete.

Dann führte sie Silvara aus dem Zimmer, die Drachenlanze unter ihrem Umhang festhaltend.

»Wer ist da?« fragte eine menschliche Stimme leise in der Elfensprache.

»Wer fragt?« erwiderte eine klare Elfenstimme.

»Gilthanas? Bist du es?«

»Theros! Mein Freund!« Der junge Elfenlord trat schnell aus den Schatten, um den Schmied zu umarmen. Einen Moment war Gilthanas so überwältigt, daß er nicht sprechen konnte.

Dann befreite er sich erschrocken aus der bärähnlichen Umarmung des Schmieds. »Theros! Du hast zwei Arme? Aber die Drakonier haben dir in Solace einen Arm abgehackt! Du wärst gestorben, wenn Goldmond dich nicht geheilt hätte.«

»Erinnerst du dich, was dieses Schwein von Truppführer mir gesagt hat?« fragte Theros. »Der einzige Weg, um einen neuen Arm zu bekommen, Schmied, ist, daß du dir selbst einen schmiedest! Nun, genau das habe ich getan! Die Geschichte meines Abenteuers, um den Silbernen Arm zu finden, ist eine sehr lange...«

»Und dafür haben wir jetzt keine Zeit«, murrte eine andere Stimme hinter ihm. »Falls du nicht ein paar tausend Elfen bitten möchtest, sie gemeinsam mit uns anzuhören.«

»Du hast es also geschafft zu fliehen, Gilthanas«, ertönte Dereks Stimme aus dem Schatten. »Hast du auch die Kugel der Drachen dabei?«

»Ich bin nicht geflohen«, gab Gilthanas kühl zurück. »Ich verließ das Haus meines Vaters, um meine Schwester und Sil... ihr Mädchen in der Dunkelheit zu begleiten. Die Kugel zu nehmen, war Lauranas Idee, nicht meine. Es ist immer noch Zeit, diesen Wahnsinn zu überdenken, Laurana.« Gilthanas wandte sich zu ihr. »Bring die Kugel zurück. Laß dich nicht von Porthios' unüberlegten Worten verleiten. Wenn wir die Kugel hierbehalten, könnten wir sie zur Verteidigung unseres Volkes verwenden. Wir könnten herausfinden, wie sie funktioniert, wir haben schließlich auch Magier hier.«

»Sollten wir uns jetzt nicht einfach den Wachen stellen! Dann könnten wir noch ein wenig schlafen, im Warmen!«

Flints Worte kamen mit explosiven, eisigen Atemzügen hervor.

»Entweder du löst jetzt Alarm aus, Elf, oder du läßt uns gehen. Oder gib uns wenigstens etwas Zeit, bevor du uns verrätst«, sagte Derek.

»Ich habe nicht die Absicht, euch zu verraten«, erklärte Gilthanas wütend. Er ignorierte die anderen und wandte sich wieder an seine Schwester. »Laurana?«

»Ich bin entschlossen, diesen Plan auszuführen«, antwortete sie langsam. »Ich habe darüber nachgedacht, und ich glaube, wir tun das Richtige. Das glaubt auch Elistan. Silvara wird uns durch das Gebirge führen...«

»Auch ich kenne das Gebirge«, sagte Theros. »Ich hatte hier wenig zu tun, also bin ich gewandert. Und ihr werdet mich brauchen, um an den Wachen vorbeizukommen.«

»Dann haben wir uns also entschieden.«

»Nun gut.« Gilthanas seufzte. »Ich komme mit euch. Wenn ich hierbleibe, wird Porthios mich immer der Mittäterschaft bezichtigen.«

»Fein«, schnappte Flint. »Können wir jetzt endlich fliehen? Oder müssen wir noch jemanden wecken?«

»Hier entlang«, sagte Theros. »Die Wachen sind daran gewöhnt, daß ich spätnachts herumlaufe. Bleibt im Schatten, und überlaßt mir das Reden.« Er bückte sich und packte Tolpan am Kragen seines schweren Fellmantels, hob den Kender vom Boden auf und sah ihm direkt in die Augen. »Ich meine dich, kleiner Dieb«, sagte der große Schmied streng.

»Ja, Theros«, erwiderte der Kender unterwürfig, sich in der Silberhand des Mannes krümmend, bis der Schmied ihn wieder auf den Boden setzte. Etwas benommen ordnete Tolpan seine Beutel und versuchte, seine verletzte Würde wiederzufinden.